[1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

[Juni '23]
Benutzeravatar
Giada Salvaza Rossi
Lasombra
Beiträge: 1587
Registriert: Mo 14. Jun 2021, 21:34

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Es ist eine höfliche Geste”, stimmte Giada leise zu während sie das Messer betrachtete und in ihren Fingern drehte.
Sie sah kurz zu Atessa herauf.
“Sie ist sehr alt, aus einer Zeit, die weniger …zivilisiert war als heute. Älter als das Imperium des stolzen Rom.”

“Wenn es Streit unter Familien gab, oder zwischen Siedlungen oder Dörfern, zwischen Stämmen oder Clans, dann sprachen die Anführer miteinander. Krieg oder Frieden wurden bestimmt, Grenzen gezogen, Macht gezeigt und gebraucht.” Sie lächelte flüchtig.

“Doch damals war es noch so, dass auch die Frauen sich trafen. Wenn sie nicht am Tisch der Männer stehen sollten, begegneten sie einander doch. Diese Sitte des Austauschs war eine Tradition und zugleich ein Brückenschlag. Sie begannen zu erkennen, was den jeweils anderen wertvoll und von Bedeutung war. Die Mauern von Sprache und Fremdheit wurden abgetragen.”

Giada hob das Messer etwas an. “Ich bin neugierig. Wenn Ihr erlaubt, will ich gern mehr über diese Wahl erfahren. Ein Messer wie dieses sah ich sonst nur in den Händen der Bader und Wundärzte.”

Doch Giada griff dann an ihren Hals und zog von dort ein Amulett unter dem Büßergewand hervor und streifte es dann ab. Sie reichte es Atessa auf ihrer offenen Hand hin. “Amulett” war womöglich etwas zu viel gesagt, wenn man das flache, jedoch eher klobige Steinplättchen betrachtete. Es könnte auch ein eher flacher Flusskiesel sein, eingefasst in einen wohl geflochtenen Kreis aus Lederbändern. Doch auf dem Stein war etwas eingeritzt oder eingemeißelt und die Linien wirkten alt - so als seien sie mit der Zeit und vielleicht der Berührung so mancher Hand schon abgeschliffen worden.

Das Bild, das diese Meißeln auf dem Stein zeigte, war eine Art von Kreuz. In dieser Zeit von nun wollte der Verstand, der so sehr an die Zeichen des Christentums gewöhnt war, auch sofort an ein Christenkreuz denken, doch dieses war merkwürdig rund und in seinem Inneren gab es einige Punkte und Linien wie Verzierungen oder Markierungen. Es war auch eher schief, so dass nicht ein Arm des Kreuzes gerade nach unten zeigte sondern eher schräg. Seine Arme waren auch alle in etwa gleich lang. Man konnte sogar eine Art Stil oder Heft erkennen, der wiederum diesem “Kreuz” eher den Anschein einer Blumenblüte gab.
Benutzeravatar
Atessa Federizzi
Toreador
Beiträge: 416
Registriert: Fr 4. Nov 2022, 22:07

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Atessa schaute Giada an und wiegte den Kopf hin und her, bevor sie die Erklärung der Sitte kommentierte.

"Nun, ich hoffe wir kommen nicht aus verschiedenen Parteien, die im Streit sind." Eine gewisse Leichtigkeit schwang in der Stimme der Rose mit. "Aber eine schöne Sitte, man sollte sie beibehalten. Wer weiß wie viele Konflikte sich so umgehen lassen würden - zumindest unter den Sterblichen."

Sie schmunzelte. Vermutlich würden derartige Sitten unter den meisten Kainiten keinen Anklang finden, ihre Art der Diplomatie war wohl eine andere.
Dann fiel ihr Blick auf das Messer in Giadas Händen, es schien fast als streichelte die Rose das Kleinod gedanklich liebevoll.

"Ihr habt ein gutes Auge. Die meisten Klosterbrüder lehnen diese Art der Arbeit und das dazugehörige Wissen ab aber ich hatte die Möglichkeit es in Salerno an der dortigen Heilerschule zu studieren. Es ist also ein Stück meiner Geschichte, wenn man so will. Etwas, das für präzise Arbeit und Lernen steht." 'Und so vieles mehr.' Die Erinnerung daran schien Atessa zu gefallen, ein zufriedenes Grinsen huschte über ihr Gesicht.

Dann konzentrierte sie sich auf das Amulett, den Giada ihr reichte. Hatte sie diese Abbildung schon mal gesehen? Es wirkte wie ein Kreuz aber doch... anders? Sie drehte und wendete es in ihrer Hand, fühlte den Stein und betrachtete das Muster aber ihr fiel nichts vergleichbares dazu ein. War die blumenhafte Darstellung eine Anspielung auf die Rose? Wenn, dann war es zumindest keine besonders treffende Darstellung einer solchen. Und warum sollte Giada sowas überhaupt tragen.

"Was bedeutet dieses Symbol? Es sieht hübsch aus."
Benutzeravatar
Giada Salvaza Rossi
Lasombra
Beiträge: 1587
Registriert: Mo 14. Jun 2021, 21:34

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Die Menschen von heute zerbrechen sich darüber den Kopf”, meinte Giada mit einem feinen Lächeln. “Es stammt aus einer älteren Zeit. Man findet es im Val Camonica, einem langgezogenen Tal bei Brescia, wo ich so lange Zeit meine ersten Schritte aus Mailand heraus tun durfte.”

“Es ist kein Christenkreuz, auch wenn die Kirche diese Bedeutung gern dem alten Zeichen aufsetzen will. Doch es ist älter als der Tod von Gottes Sohn am Kreuz, älter als die alten Reiche der Römer und anderer zuvor. Wäre es einst als Christenkreuz gezeichnet worden, dann wären seine Zeichner wohl Seher gewesen, die in die Zukunft geblickt haben.”

Giada wiegte den Kopf ein wenig. “Jenes Tal ist durchflossen von alter Macht. Ich kann sie spüren, in diesem Stein und dem Kreuz, als ein fernes Echo. Ich weiß nicht, was einst war, doch ich habe lange, lange Zeit damit verbracht, auf jenes Echo zu lauschen und auf den Fluss jener uralten Mächte in der Welt. Ich glaube, das dies Zeichen ein Abbild der Welt und ihres Laufes ist, des Wandels selbst. Es gibt dies Zeichen auch in gedrehter Form, mehr wie die Flügel einer Mühle.”

Mit einem Finger deutete sie die gedrehte, camunische Rose an. “Meine Deutung mag falsch sein oder richtig, doch jene Zeiten haben mich so viel gelehrt. Über die Welt, den Wandel, über die Mächte darin. Über mich, wie ich einst war, und wie ich nun bin, totenstarr und zugleich auch nicht.”
Prüfend sah Giada ihre Gegenüber an. “Ich wusste nicht, ob dies eine gute Gabe für Euch ist oder nicht. Ob solche Fragen für Euch eine Bedeutung haben oder Euch nur wie eitler Zeitvertreib scheinen. Doch wenn man nicht fragt, so erhält man selten eine Antwort.”

Und damit machte Giada eine Geste über das Steinplättchen hinweg als würde sie nicht nur diese kleine Gabe sondern auch die Frage an Atessa überreichen.
Benutzeravatar
Atessa Federizzi
Toreador
Beiträge: 416
Registriert: Fr 4. Nov 2022, 22:07

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Sie schien beeindruckt, während sie den Anhänger vorsichtig aus Giadas Hand nahm und ihn in ihrer Eigenen drehte. Hatte sie das, was die Lasombra sprach, verstanden?

"Ich muss gestehen, ich habe mich bisher mit dem Wissen beschäftigt, dass ich durch Schriften erlangen konnte über Dinge, die ich sehen, die ich fühlen konnte. Das, was ihr beschreibt, erscheint mir... schwer greifbar?"

Sie wog die Worte auf ihrer Zunge ab, bevor sie sie aussprach.

"Was lehrte euch dieses Echo über den Wandel? Was lehrte es euch über euch selbst? Welches Wissen birgt es über Greifbares, wie den Aufbau und den Verfall unsereins?"

Sie schien die Magistra aufmerksam zu beobachten, während sie selbst die Fragen in ihrem Kopf zu sortieren schien.

"Dieses dort..." und Atessa deutete auf die kleine Klinge "... es öffnet, es zerlegt, es gibt preis. In gewisser Weise ermöglicht es uns ebenfalls den Blick auf Dinge, die ansonsten gut verborgen liegen, wenngleich es nur Sachen schneiden kann, die 'sind' und nicht die, die 'waren' oder 'sein werden'."

Atessa stockte kurz, dann wog sie erneut die Worte ab. "Warum lernt ihr diese Dinge über den Wandel? Über die Mächte? Weil ihr es müsst? Oder weil ihr es wollt? Wollt ihr sie nutzen können? Oder euch davor schützen?"

Sie drehte und wendete das kleine Symbol, so als wollte sie das sehen und fühlen, was Giada beschrieben hatte - natürlich erfolglos. Konnte man dieses Echo hören oder war es der Glaube an ein solches Echo?

"Diese Gabe ist gut, allein aus dem Grund, da sie zum Austausch anregt. Ich danke euch dafür. Wir nähern uns Dingen scheinbar von unterschiedlichen Seiten aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Ganz im Gegenteil."
Benutzeravatar
Giada Salvaza Rossi
Lasombra
Beiträge: 1587
Registriert: Mo 14. Jun 2021, 21:34

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Das Weshalb ist zugleich sehr einfach und sehr verflochten”, meinte Giada. “Die für mich einfachste Antwort ist: Macht. Wissen und Verstehen führen ganz selbstverständlich zu ihr.”

“Doch in den letzten Jahrzehnten und Jahren ist mir diese Antwort zu billig geworden. Ich habe begonnen, daran zu zweifeln, dass das Streben nach Macht alles sein kann. Wozu wäre es dann wahrhaftig? Wohin würde es führen wenn nicht zu nur noch mehr davon in einem ewigen Ringen?”

Giadas Worte dann klangen leise und bedächtig, eher weich und nachdenklich als hart und fest in Stein gemeißelt: “Nein. Ich habe für mich erkannt, dass ich tatsächlich verstehen will. Dass ich sogar bereit bin, Macht zu opfern, um zu verstehen. Vielleicht sogar mehr als nur Macht.”

Sie sah Atessa an und hob das Messer auf ihrer offenen Handfläche an. “Eure Gabe ist mir darum viel wert. Sie legt offen, was ich zuvor nicht erkennen konnte, ja?”
Benutzeravatar
Atessa Federizzi
Toreador
Beiträge: 416
Registriert: Fr 4. Nov 2022, 22:07

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Atessa Federizzi »

Die junge Rose legte den Kopf schief und versuchte sich einen Reim auf das zu machen, was Giada ihr dort erklärte.

"Also ist es nicht mehr die Macht selbst, nach der es euch dürstet, sondern das Wissen?" Sie schien kurz zu überlegen, legte den Anhänger Giadas in ihren Schoß und stützte dann ihre Arme auf den Brunnenrand und lehnte sich etwas zurück.

"Aber ist die Suche nach Wissen nicht auch "ewig"? Schließlich sind wir es ebenfalls - so man uns denn lässt." Sie lächelte. "Aber vermutlich ist das Streben nach Macht begleitet von dem permanenten Verteidigungen eben jener, denn Macht kann entzogen werden. Wissen jedoch, nun - ich wüsste nicht, wie man Wissen wieder entziehen kann."

Atessa schien sich ein wenig zu entspannen und nickte in Richtung der Klinge.
"Sie schneidet das Stoffliche, Schicht um Schicht - wenn man denn weiß wie. Und manchmal sind es viele Schichten, die es zu schneiden gilt, bis man den Kern, den wahren Kern erreicht." Sie löste ihre rechte Hand vom Brunnenrand und ahmte einfache Schnittbewegungen nach, es sah fast zärtlich aus. Da war Leichtigkeit in jeder ihrer Gesten.
"Man muss nur aufpassen, dass man nichts zerstört, was man eigentlich freilegen und erkunden will."

Atessa war sich nicht ganz sicher, ob ihr Geschenk wirklich etwas wert war für die Magistra. Schien es doch, als würde sie etwas suchen, dass man nicht einfach mit einer Klinge freischneiden konnte.

Ihre Hand wanderte zurück zum Anhänger, nahm ihn auf und drehte ihn.

"Steter Wandel bringt stetes Neues, bringt stetes Wissen. Wenn ihr sagt, ihr seid gewillt für ebenjenes mehr zu geben, als nur einen Teil eurer Macht - was meint ihr damit genau?" Atessa fiel in diesem Augenblick nichts weiter ein, dass man Eintauschen konnte - außer eben Macht und Ressourcen. Was also wollte die Lasombra für einen Preis zahlen?
Benutzeravatar
Giada Salvaza Rossi
Lasombra
Beiträge: 1587
Registriert: Mo 14. Jun 2021, 21:34

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Giada Salvaza Rossi »

“Nein, wir sind nicht ewig”, meinte Giada leise. “Weil diese Welt es nicht ist.” Es war ein recht jäher Anflug von düsterem Fatalismus. Die Magistra wischte ihn jedoch mit einer schlichten Handgeste beiseite.
“Wissen… vielleicht.” Ihr Blick glitt über die Umgebung hinweg. “Erkenntnisse, am ehesten. Einst schwor ich mir, dass ich nicht länger blind sein will.” Sie hob das Messer etwas an, so dass dessen Spitze auf ihr linkes Auge deutete, scharf und spitz und metallen im Kontrast zu weichem Fleisch, Gewebe, Flüssigkeiten. Für einen absurden Moment schien es so als könnte oder als würde sie sich bedenkenlos das eigene Auge mit dieser scharfen Schneide ritzen.

“Und dies hatte und hat seinen Preis”, sagte sie dann. “Der Preis kann Macht sein, doch es endet dort nicht. Es beginnt dort erst. Ich weiß nicht, ob Ihr jemals auf diesen Weg stoßen werdet oder ob Ihr ihn gehen wollt. Doch wenn, dann werdet Ihr meine Worte von nun gewiss erkennen und verstehen. Es… ich ging lange auf der Via Regalis. Auf der Via Tyrannis. Es ist ein harter Weg durch die Nacht, doch er ist auch absolut fest. Ich habe begonnen, nach mehr zu suchen.”
Sie lächelte kurz und senkte dann das Messer langsam. “Und selbst das hat einen furchtbaren Preis.”


“Was Ihr auf der anderen Hand sagt, dass man behutsam sein muss, um nicht zu zerstören, was man freilegt… ah. Bei Gott, diese Lektion hätte ich viel, viel früher in meinem Dasein lernen sollen. Ihr seid gesegnet, dass Ihr sie bereits kennt.”

“Was habt Ihr auf diese Weise freigelegt? Wenn ich Euch dies fragen darf - denn ich will Euch nicht zu Antworten drängen.”
Benutzeravatar
Seresa
Brujah
Beiträge: 2254
Registriert: Sa 29. Jul 2017, 23:49

Re: [1082] "Wo ist der Ort? - Die Heide dort." [Atessa, Giada]

Beitrag von Seresa »



Zusammenfassung:
Atessa und Giada trafen sich im Elysium. Sie tauschten Kleinode miteinander aus, über welche sie sich unterhielten. Sie unterhielten sich über Macht und den Preis von Macht, bevor sie ihre Unterhaltung in dieser Nacht beendeten.
~*~ Die Glut des Herzens ist am besten in den Nächten voller Dunkelheit zu erkennen. ~*~
Gesperrt

Zurück zu „1082“