[1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

[Juli '23]
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I Tarocchi
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[1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Im Norden Genuas, in den ersten Ausläufern der Appeninen, lag ein ummauertes Anwesen und auf ihm die Villa Illuminata. Wenn man sich ihr bei Nacht näherte, konnte man ihren strahlenden, hellen Schein schon weitem her sehen. Auf einem schmalen, oft von wildem Lavendel oder Wildrosen gesäumten Pfad konnte man von einem der nördlichen Stadttore hier herauf gelangen, wahrscheinlich von der Porta Soprana oder der Porta di San Pietro her. Es gab Weiden und Weinberge hier in der Gegend, doch das Anwesen um die Villa selbst hatte auch Felder und Obstbäume, Weiden und dazwischen Gebäude wie für das Gesinde oder als Lager.

Bei Tage hätte man von aus hier wohl einen atemberaubenden Blick über die ligurische Küste mit ihrem türkisblauen Meer. Hinter dem Anwesen erhoben sich die Berge und bei Tage könnte man wohl bis hinauf zu den wolkengekrönten Gipfeln sehen.
Diese Nacht jedoch war windig und kühl, trug winterlichen Regen mit sich und vielleicht sogar eine Ahnung von Schnee, die aus den Bergen herunter getragen wurde.

Der schmale Pfad endete vor der Mauer um jenen Hügel her, auf dem die Villa thronte. Wächter hielten jeden auf, der dort hinauf wollte, doch das feine Pergament mit der Einladung verschaffte nicht nur den Zutritt sondern auch die Eskorte von zwei Wächtern bis hin zur Haupttür der Villa.
Diese war ein stattliches Gebäude, mit zwei Stockwerken und einem wohl in etwa quadratischen Grundriss. Es war aus weißem Stein errichtet worden und wo dieser nicht direkt sichtbar war, waren die Wände makellos weiß gekalkt. Das Licht zahlreicher Öllampen ließ all dies hell erstrahlen.
Einer der Wächter meldete die kleine Prozession an der Haupttür an, die bald darauf aufgetan wurde, um dem Gast dieser Nacht Einlass zu gewähren.

Dort, in der Eingangshalle, stand Lucio Il Onnivorno, der wohl als der Hausherr dieser prachtvollen Villa galt, auch wenn es wohl in Wahrheit und in der Nacht wohl seine Herrin war, in deren schlanken Händen die Fäden von Macht und Einfluss zusammenliefen.
Der Allesfresser konnte so wirken wie ein gütiger Gastherr, groß und massig, mit einem herzlichen und freundlichen Lächeln für den Besuch in dieser Nacht.

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Amalric du Salemi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Pferdehufen waren in dieser Nacht zu vernehmen als der Panzerreiter Genua erreichte. Sein braungoldener Umhang flatterte noch einmal im Wind, ehe er abstieg und für sein Ross eine geeignete Stallung fand, um es nach dieser langen Reise aus Kalabrien mit Futter und Wasser versorgen zu lassen. Er nahm noch eine knapp 4 Fuß lange dickere Rolle von seinem Ross, welche mit einem feinen Tuch umwickelt war.
So machte er sich zu Fuß auf den Weg zur Villa Illuminata, wer war schon sich dem Anwesen des Prinz von Genua auf erhöhter Position seines Rosses zu nähern. In Anbetracht der langen Reise, waren seine Lamellenpanzerung als auch sein Umhang erstaunlich sauber und gepflegt. Diese musste er wohl zuvor noch gereinigt haben lassen, wollte er doch keine Schande über sich selbst und seinen Erzeuger bringen.

Stets mit dem Cape seines Umhangs im Gesicht lies er nun den schmalen Pfad hinter sich und stand vor einer der Wachen. Dieser übergab er ein feines Pergament, welches ihm Zutritt verschaffte. Er übergab seine Bewaffnung der Wache und folgte der Eskorte bis zur Haupttür der Villa Illuminata.
Als Amalric die Eingangshalle betrat, hatte er mittlerweile sein Cape vom Kopf gezogen, als würde ein Gläubiger das Haus Gottes betreten. Seine braunen lockigen Haare fielen etwas zurück als er auf den Allesfresser hinzuschritt.
Seine tiefe Narbe auf der rosigen linken Wange passte mehr den je zu seinem Ausdruck. Kein charmantes lächeln, seine Mundwinkel waren ausdruckslos. Kein warmer liebkosender Blick, seine blauen Augen waren emotionslos und kalt. Es war so als hätte Amalric seine Maskerade an der Türschwelle abgelegt und das hatte seine Gründe. Aurore war der Prinz und vom Blute des Clans der Könige, Amalric hatte keinen Grund der Herrin des Hauses mit seiner Fassade unter die Augen zu treten und sie damit zu beleidigen. Heute Nacht würde sich Amalric so zeigen wie er wirklich ist, es war seine einzige Möglichkeit sein Ersuchen mit Erfolg zu krönen.

Und so begrüßte Amalric den Allesfresser Lucio Il Onnivorno mit einer respektvollen Neigung seines Hauptes und übergab ihm die mitgebrachte Rolle, darin befanden sich schlichte aber hochwertige und edle Stoffe für die Herrin, welche auf einer glänzenden hölzernen Rolle gewickelt wurden. Diese hatte ihm wohl sein Erzeuger mitgeben lassen.

Nun stand Amalric da, offen für einen kleinen Austausch mit dem Allesfresser sofern es relevant und nötig war, wollte er Aurore doch nicht unnötige Zeit kosten.
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I Tarocchi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Der Allesfresser nahm die Rolle mit einem gütigen Lächeln an. Er winkte auch eine Dienerin heran, die Amalric eine Schale mit warmem Wasser und ein Tuch anbot - wohl, um sich den Schlamm und das Mühsal der Reise abzuwaschen. Die getrockneten Blütenblätter von weißen Rosen trieben wie schwerelos im Wasser.

“Die höchst verehrte Herrin wird Euch bald empfangen”, erklärte Lucio und gab Amalric so auch Zeit, sich Gesicht oder Hände zu waschen. “Ich selbst bin ihr bescheidener Diener, Lucio. Ich bin es auch, an welchen Ihr Euch in Zukunft wenden könnt, wenn Ihr ein Anliegen an meine höchst verehrte Herrin richten möchtet oder wenn ich Euch mit einfachen Antworten zu Genua weiterhelfen kann.”
Angesichts der Kälte von Amalrics Blick war auch der Allesfresser ernster geworden. Letztlich aber führte er den Gast durch die Villa. Es ging über prachtvoll ausgelegte Mosaike am Boden, den von wunderschön verzierten Säulen gesäumten Gang um das Atrium her entlang. Das Atrium war jetzt, im Winter, eher trist, doch das hob das Wasserbecken in seiner Mitte umso mehr hervor. Sein Stein war glatt poliert und in der Form zwei Muschelhälften nachempfunden, groß genug, dass es die legendäre Muschel der Venus hätte sein können, aus welcher sich diese der Legende einst erhoben hatte.

Eine helle, doppelflüglige Tür stieß der Allesfresser dann auf und hielt sie mit einem Arm und der Schulter für Amalric geöffnet, so dass dieser in den großen Raum dahinter sehen konnte. Wenn die Villa Illuminata eine gewöhnliche, römische Villa von einst gewesen wäre, so wäre dies wohl der große Essens- oder Festsaal, in welchem sich der gesamte Haushält hätte versammeln können.
Doch die Villa war nicht gewöhnlich und so war diese Halle es auch nicht. Sie war mit glatten, nahezu perfekt weißen Fliesen ausgelegt und an den ebenfalls weißen Wänden waren helle Lichter hinter durchscheinend dünnen, vielleicht pergamentenen Häuten angebracht.

Es gab keine Möbel darin bis auf ein einfaches, ebenfalls weißes Podest, auf welchem ein großer und schwerer Stuhl aus dunklem Holz stand. Seine Armlehnen waren so geschnitzt, dass sie zwei wilde Löwen formten, die im Gebrüll erstarrt auf die Bittsteller vor diesem Stuhl standen.
Doch so schwer und gestreng der Löwenthron von Genua auch wirken konnte, die Gestalt, die darauf saß, nahm dem Anblick und dem Moment jede Art von solcher Strenge oder Schwere.

Aurore von Genua, die Weiße Prinzessin, sah aus wie ein Mädchen, das so gerade eben an der Schwelle zur Frau stand. Ihre marmorweiße Schönheit war atemberaubend und perfekt, doch diese Perfektion war es nicht, was einen treffen konnte wie ein Blitzschlag. Nein, was unwillkürlich den Blick auf sie zog und so schrecklich leicht eine tiefe Sehnsucht wecken konnte, war etwas anderes: Sie wirkte entsetzlich, zerbrechlich, unschuldig jung.
Es war diese Art von Unschuld, die man um jeden Preis beschützen wollte: in der eigenen Tochter oder der jungen Geliebten. Es war die Art von Jugend, die so flüchtig und darum unendlich kostbar schien, so wie Blütenknospen, die nur einen Atemzug davon entfernt waren, sich endlich zu öffnen und in ihrer Farbenpracht zu entfalten.

Ihr schlanker Körper schien wie zum Tanzen gemacht, ihre zarte Miene für Poesie und Lächeln. Ihre weichen, braunen Locken brauchten nicht die Zier einer schweren Krone und wurden nur von ein paar glänzenden Spangen ein wenig zurechtgesteckt. Sie trug ein einfaches, weißes Gewand und Sandalen aus hellem und weichen Leder.

Und genau in diesem Augenblick sah sie auf Amalric und schenkte ihm ein Lächeln. Der Allesfresser setzte kurz die Rolle ab, um die Tür hinter dem Gast wieder zu schließen und trat dann die Seite der Halle entlang, um seiner Herrn das Geschenk auf seinen Armen zu präsentieren. Sie jedoch warf nur einen flüchtigen Blick darauf und hieß dann Amalric mit einer Geste, näher zu kommen.
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Amalric du Salemi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Als die Dienerin die Schale brachte nahm Amalric es dankend an, seine Rüstung wurde kürzlich gereinigt doch seine Hände als auch sein Gesicht würde er gerne etwas reinigen.

"Habt Dank für diese Aufklärung Lucio." sprach Amalric ehrlich.

So folgte er ihm und war beeindruckt aber nicht überrascht von diesem architektonischen Gaumenschmaus von einem Anwesen. Mit ernsten Schritten hielt er das Tempo von Lucio und dann war es soweit, als der Allesfresser die Tür öffnete. Die Räumlichkeit an sich war schon beeindruckend, doch als Amalric die Weiße Prinzessin sah, traf es ihn wie einen Schlag. Diese unfassbare gar unschuldige Schönheit, er hatte schon gehört Sie solle etwas besonderes sein, hatte er doch keine Ahnung wie maßlos untertrieben dieses Hörensagen war.

Als Aurore Ihren Blick auf Amalric zu richten schien, senkte er seinen eigenen sofort zu Ihren Füßen, würde er sich niemals einbilden Sie anschauen zu dürfen ohne von Ihr dazu aufgefordert zu werden. Ihre Geste nahm er wahr und er näherte sich Ihr, weiterhin mit gesenktem Blick zu Ihren Füßen. Sein Schritt war weiterhin der eines Panzerreiters der für sich einstand, war er sich doch sicher, dass die Weiße Prinzessin keinen ängstlichen Ventrue in Ihrem dienste gebrauchen konnte. Dennoch würde die erhabene Aurore Ehrfurcht in seinem rosigen Gesicht erkennen können. Und das war es was er verspürte, Ehrfurcht, natürlich hatte er schon ein paar wichtige und hochrangige der verschiedenen Clans in Kalabrien getroffen, aber das hier war ein andere Niveau. Hier ging es heute Nacht um vieles für Amalric und es bedeutete Ihm viel von dem Prinz Genua´s persönlich empfangen zu werden. Er wusste zwar wer er war und anderswo erwartete er persönlich von jemanden empfangen zu werden, ist er doch vom Blute der Könige. Doch Aurore.. Sie nahm ihm all seinen Status.. all das was er schon geleistet hatte.. all seine Bedeutung.. allein mit Ihrer Anwesenheit.

So stand er vor Ihr, mit einem angemessenen Abstand, wie ihn ein Diener zu seinem König einhalten würde. Die Lamellenpanzerung rappelte leise und fast musizierend als Amalric seinen Umhang ordentlich nach hinten schlug, auf beide Knie ging, sich nach vorne beugte und Ihr auf den Boden schauend huldigte. So verweilte er in Stille, ohne einen Anschein von Erwartung oder Forderung, würde er die Ewigkeit in dieser Haltung verbringen bis die Weiße Prinzessin ihn auffordern würde etwas anderes zu tun.

Ganz egal wie la princessa blanche den Panzerreiter ansprechen würde, ob mit der Gemeinsprache oder auf Latein, er würde verstehen und entsprechend Antworten wenn Sie es wollte.
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I Tarocchi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Aurore sah sich den Mann an, der dort vor ihr kniete. Ihre statuenhaft perfekte, aufrechte Haltung schuf die Illusion als wäre sie tatsächlich genau dies: ein Kunstwerk, geschaffen für die Ewigkeit. Es war diese Stille, die die Illusion von Jugend und Zerbrechlichkeit zerstörte. Der Moment zog sich, surreal lang, vielleicht in Wahrheit nur für die Dauer von ein paar Herzschlägen, doch keiner von ihnen beiden besaß noch einen, um zu zählen.

Die Schritte des Allesfressers, der sich langsam und rückwärts zur Seite zurück zog, wirkten dagegen unnatürlich laut, obwohl der tatsächlich beachtlich große und schwere Mann erstaunlich leise war.

Schließlich hob Aurore ihre Stimme. Sie war wieder die eines Mädchens oder einer sehr jungen Frau, frisch und klar, mit einer Andeutung von einer Unschuld, die sie unmöglich noch besitzen konnte: “Ich grüße dich als Gast in diesem Haus und in meiner Domäne. Du darfst dich erheben und dich mir vorstellen wie es mir und dir gebührt.” Natürlich sprach sie in Latein und dieses Latein hatte eine geschliffene Schärfe, die man heutzutage nur noch selten hörte. So hatten einst die Mächtigen Roms gesprochen und die Geschicke der Welt bestimmt.
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Amalric du Salemi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

Beitrag von Amalric du Salemi »

Die Lamellenpanzerung rappelte wieder sanft als sich der Panzerreiter erhob und dieses Kunstwerk von einem Wesen vor sich erblickte. Sie war einmalig.. ein Gefühl von Stolz schwellte unter seiner Brust, stand er nun endlich in einer Domäne an dem das Blute der Könige regierte.

So stand er nun da, seine charmante Art versuchte er weiterhin abzulegen, soweit es ihm gelang. Zum einen wollte er Sie nicht mit einem unpassenden auftreten verärgern, zum anderen wäre es Ihr vermutlich sowieso gleich. Trotzdem hatte er eine freundliche und höffliche Farbe in seiner Stimme, im Anbetracht seines ungewohnt kühlen Ausdrucks. Angst oder Unwohlsein verspürte er weiterhin nicht, war er sich sicher, Aurore könnte seine Existenz mit einer Leichtigkeit beenden, so dass das Verspüren von Angst und Unwohlsein ohnehin überflüssig sein würde.

Dann sprach er wie es von einem Neugeborener vom Blute der Könige, der auf den Pfaden der Könige wandelte, zu erwarten war. Selbstverständlich in fließendem Latein, auch wenn er nicht die geschliffene Schärfe wie Aurore besaß.

"Salve, höchst verehrte Aurore, Regina Alba, la principessa bianca, Prinzessin Genuas, Ahnin vom Blute der Könige..
Kind von Geoffrey le Croise, Ahn vom Blut der Könige..
Kind des Alexandre de Paris, Ahnherr vom Blut der Könige..
Kind des Ventrue, erster seines Blutes..
Kind des Enoch, des Weisen..
Kind des Kain, des Vaters."


.. Amalric pausierte angemessen.

"Habt dank für Euer Willkommen heißen und Eurer Erlaubnis sprechen zu dürfen, höchst verehrte Aurore.
Euch ersucht Amalric du Salemi, Neugeborener des Clans der Könige, freigesprochen durch die höchst verehrte Prinzessin Cosenzas.
Kind von Giulia di Matera, Ancilla des Clans der Könige und Dīwān ar-rasā Cosenzas,
Enge Beraterin von Irem bint Eylem Laenatan, Prinzessin Ancilla des Clans der Schatten in Cosenza."


Sprach er weiterhin fehlerlos in fließendem Latein. Nun wartete er, hatte Sie ihn nur zu diesen Worten aufgefordert, war er doch jemand der präzise Befehle befolgte.
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I Tarocchi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

Beitrag von I Tarocchi »

Wenn Mädchen an lauen Sommerabenden an den Brunnen von Dorf oder Stadt zusammen kommen und in leisen Tönen über dies und jenes plaudern, dann wirkt es von außen oft so harmlos und schön. Sie könnten über ein neues Kleid sprechen, dass eine von ihnen trägt, darüber wie die Locken geflochten oder gebunden werden. Sie können darüber flüstern und heimlich lachen, was dieses oder jenes Lächeln von einem der jungen Männer bedeutet hätte oder wer von ihnen mutig genug wäre, einen Kuss von einem anderen zu stehlen. Ein wunderschönes und ein harmloses Bild.

Unter der Oberfläche solcher Plaudereien geschahen jedoch tausend weitere Dinge. Mit einer Nuance im Tonfall wurde entschieden, welche von ihnen tatsächlich den Ton angab, mit einem Auftritt konnte ihr Ansehen steigen oder ins Bodenlose fallen. Im simplen Detail eines umgehängten Blumenkranzes konnte eine anzeigen, wen sie begünstigte, was dies bedeuten würde, welche Familien in Zukunft vielleicht zusammen gehen würden. Mit ein paar leicht dahingelächelten Worten konnte sich alles verändern und der einfache Beobachter von Außen würde es nicht einmal bemerken.

Es war ein solcher, leichter Tonfall und ein solcher, harmloser Blick mit dem Aurore von Genua den Panzerreiter bedachte. Und niemand mit auch nur einem Hauch von Verstand oder einem Funken Instinkt in sich würde diese Harmlosigkeit tatsächlich glauben. Doch was man ohne Zweifel glauben durfte, war, dass dieser geübte Blick tatsächlich tiefer sah als nur auf Oberflächen, dass Aurore von Genua tatsächlich alle Facetten und Feinheiten darunter anzuschauen gewohnt war.

“Es ist schön, jemanden aus dem Süden zu hören, der dennoch vom Blut der Könige ist”, erklärte die Weiße Prinzessin. “Kampanien war so bewegt. Wie ist dein Blick auf deine Heimat und was in ihr vor sich geht? Wie steht es um das Blut der Könige dort?”

Es wollte klingen wie eine harmlose Frage, eine einfache Erkundigung wie bei jenen jungen Frauen, abends, am Brunnen. Doch die jahrhundertealte Ahnin fragte nicht nach dem, was im Nachbardorf geschah. Sie fragte nach der Politik der Nacht für ganze Reiche, Regionen, Länder. Und sie fragte nach ihm, Amalric, der vor ihr stand, und seinem Blick auf diese Dinge.
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Amalric du Salemi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Wenn junge Burschen versuchten, sich vornehm und fein für Mädchen zu geben, welche an Sommerabenden an den Brunnen der Dörfer tuschelten, dann wirkte es von außen oft so harmlos und peinlich. Trachteten sie danach den Blick einer der Mädchen zu fangen, wirkten die Burschen doch dann meist tollpatschig, aus Nervösität heraus.

Und dann gab es noch die besonderen Burschen, die die wussten was sie wollten, die die wussten was sie waren, die die wussten was sie konnten. In den Fußstapfen der großen Krieger, stellten sie ihresgleichen in den Schatten und natürlich hatten die Mädchen nur Augen für eben diese. Die Abweisende Art der jungen Edelmänner wirkten wie eine rohes Stück Fleisch inmitten von hungernden Raubtieren, sodass es eben diese Edelmänner waren, welche zum Ziel der Mutproben der Mädchen wurden.

Amalric war einer von Ihnen, es gab mit Sicherheit hübschere Männer, vor allem wegen seiner Narbe, die jedes mal darum kämpfte, ihn weniger hübsch aussehen lassen zu wollen. Doch vielleicht war es genau das, was ihn immer wieder zur Obsession der ein oder anderen werden ließ. Dieses gefährliche, zugleich charmante Aussehen gepaart mit seinem selbstsicheren Auftreten machte ihn bis heute unwiderstehlich.

Doch gerade die weiße Prinzessin mit ihrem geübten Blick, der tiefer sehen konnte, als das Meer es wohl selbst war, könnte mehr in ihm erkennen. Einer von diesen Kriegern, die in erster Reihe kämpften, als Heerführer, stetig angetrieben von dem Eid, den sie gaben, unermüdlich, bis sie ihr Versprechen einlösten. Ein gezüchtetes Monster, das bereit war, unaussprechliches zu tun, um sein Wort zu halten, denn sein Wort war seine Ehre und seine Ehre war seine Existenzgrundlage. Der Zweck heiligte die Mittel.

So stand er vor ihr, den prüfenden Blick auf sich spürend, beeindruckt von ihrem sanften Tonfall, wissend dass eben dieser alles andere bedeuten würde, nicht aber Harmlosigkeit.

So antwortete er ihr, “Habt dank für Eure Worte höchst verehrte Aurore. Es ist eine ehrfürchtiger Moment für mich, vor einer Prinzessin wie euch, vom Blute der Könige stehen zu dürfen.”. Antwortete er ihr huldigend und mit einem ehrlichen Lächeln auf seinem sonst emotionslosen Gesicht.

Dann sprach er plötzlich völlig befreit, wie eine Berichterstattung eines taktischen Kriegsführers, der seinen König auf den aktuellen Stand brachte. Man merkte Amalric an, dass genau das wie eine Art Berufung für ihn war. Seine Erzeugerin hatte wohl guten Grund, gerade ihn auszuwählen.

“Kampanien befindet sich im Umbruch, einige der betagteren Prinzen vom Blute der Könige, welche nicht zur See gehörten, sind immer mehr in Bedrängnis geraten, teils sogar gestürzt. Viele vernichtete Kainskinder der verschiedensten Clans sind zu vernehmen. Der Clan der Könige hat sich gen Neapel zurückgezogen, die See ist auf dem Vormarsch. Kaum zehn Winter ist es her, als die letzte Domäne gestürzt wurde, Salerno erlebte somit ebenfalls einen Machtwechsel.” Er macht leichte Gesten und zeigte mit einer Hand sanft in verschiedenste Richtungen des Bodens, als würde er eine imaginäre Landkarte sehen und sich selber zeigen, an welchem Ort er gerade mit seiner Erzählung war.

“Kalabrien an sich wurde bereits vor meinem Kuß in die See eingemeindet und die byzantinischen Mächte vertrieben. Bis heute haben wir dort einen Konflikt mit den normannischen Kindern Brujah´s, welche die höchst verehrte Irem bint Eylem Laenatan zu stürzen versuchen.”

Dann stand er wieder stramm, beide Hände hinter seinem Rücken verankert, als würde er darum bitten, seine nächsten Worte als seine eigene Meinung anzuerkennen.

“Mit Verlaub höchst verehrte Aurore, ich sehe die Lage kritisch. Ich denke es wird zu weiteren Machtwechseln kommen, auch wenn sich die höchst verehrte Prinzessin Cosenzas dem Pöbel gegenüber siegessicher fühlt, denke ich, dass gerade Zeloten sich erst geschlagen geben, sobald ihre Köpfe nicht mehr auf ihren Schultern sitzen.” Er pausierte kurz nachdenklich. “Außerdem empfinde ich es für kritisch, dass das Blut der Könige, im Schatten der See, aktuell stark geschwächt wird. Wenn dort nichts entsprechendes eingeleitet wird, könnte dies weitere schwerwiegende Folgen für die meinen bedeuten.”

Er verneigte sich dankend für die Sprechzeit, welche die weiße Prinzessin ihm mit ihrer Frage zur Verfügung gestellt hatte.
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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Es schien ganz so als hätte Amalric sich nicht geirrt. So zart und jugendlich die Schöne auf dem Thron auch wirkte, so kühl und klar blieb doch ihre Miene bei seinen Schilderungen. Diese Kühle bestimmte ihre nächsten Worte:

“Du stehst in einer Domäne der See der Schatten. Die Grenzen meiner Domäne werden nicht im Süden bedroht sondern im Norden. Ich frage mich, auf wessen Seite du kämpfen willst, wenn du einst deine Waffe ziehen musst.”
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Amalric du Salemi
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Re: [1083] Video meliora proboque [Amalric, Aurore (SL)]

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“Auf der Euren..” schoss es dem Normannen über die Lippen, sobald die letzte Silbe der Prinzessin gesprochen war. “..höchst verehrte Aurore.” Er verneigte sich leicht.

“Meine Erzeugerin entsendet mich, um mich Eurer anzudienen, die Bande unseres Blutes zu stärken.. die Bande der Venture aufrechtzuerhalten.” Eine kurze Pause sorgte für einen Abklang seiner Worte, ehe er weitersprach, “Und dann gibt es da noch mein persönliches.. Interesse..” er musterte den Löwenthron, “Ich bin nicht daran interessiert, auf einem Thron zu sitzen, sondern daran, dazu beizutragen, dass ein Jemand auf diesem sitzen bleibt.” So wanderte sein Blick wieder respektvoll auf die weiße Prinzessin. “Mit Verlaub höchst verehrte Aurore, ich erachte Politik für wichtig und notwendig und für meine Berufung ist es von enormer Bedeutung… aber meine Heimat ist das Schlachtfeld… mein Werkzeug ist mein taktischer Verstand und mein Handwerk ist das Lösen von Problemen..” eine tiefe Dunkelheit breitete sich in den Augen Amalric´s aus, mit etwas Fantasie würde man glatt eine schwarze Flamme darin erkennen können. Krieger, die darin wie Kinder nach der Zitze ihrer Mütter schreiten. Frauen, die wie Mütter den Verlust ihrer Kinder schreiend betrauerten, während sie ihr unvermeidliches Schicksal akzeptierten. Feindliche Heerführer, welche wie Hexen schreien lernten, schmerzvoll in Flammen aufgehend. Fehlgeleitete Söldner, welche die weiße Flagge hissten und doch an ihre frisch aufgeschlitzten Kehlen greifend. Bälger, welche verzweifelt schreiten und doch verstummten. Das Leben, welches von der Wiege bis zum Grab, im Bruchteil einer Sekunde ausgelöscht wurde.. und ein Schrecken.. ein normannischer Heerführer auf seinem Ross, welcher der Grund für all das war, zufrieden dabei sein Wort zu erfüllen.
Amalric hatte Dinge getan… und er bereute nichts davon!

Es war nicht das Tier in alle dem, in ihm oder in seinen Augen, war er doch voller Selbstbeherrschung.. es war seine pure Überzeugung von dem was er war und zu was er fähig war. Ein flammendes Schwert, zu diensten seines Gebieters, richtend über Sympathisanten des Feindes.

Er hob seine Unterarme und neigte seinen Blick, so schaute er in seine beiden offenen Handflächen, “Ich bin niemand, der eine Krone trägt.. ich bin jemand, der die Krone im Schatten vertritt.. Jemand, der bereit ist, Dinge zu tun, wovor andere zurückschrecken würden, um das gegebene Wort zu halten…” seine Hände ballten sich zu Fäuste, mit einer Entschlossenheit, die einen Schädel in Asche wandeln würde..

"Denn mein Wort allein ist meine Ehre…” sprach er dann mit rauer Stimme in der absolute Überzeugung lag. “Und bevor ich dieses brechen würde, soll mein Kopf auf einem Spieß die Sonne begrüßen.”, letzteres sprach er, als wäre es eine Redewendung, die ihn schon seit Ewigkeiten begleitete und ausmachte.

Amalric richtete sich wieder und blickte zur Prinzessin, “Höchst verehrte Aurore, ich folge dem Auftrag meiner Erzeugerin, aber ich habe auch meine eigenen Beweggründe für euch einzustehen… Jedoch kann ich viele Worte reden, wenn die Nacht lang ist.. sofern ihr es erlaubt, würde ich es lieber beweisen, wenn die Zeit dafür gekommen ist und ihr mich als würdig erachtet."
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