[1083] Kaltakquise in Kalabrien [Allegra, Drita]

[Allegra Aldighieri]

Allegras reißt ihre Augen weit auf und verfällt in ihr Leichenstarren, als ihr etwas aufgeht. Rasch schüttelt sie den Kopf und hebt abwehrend die Hände.

"Die Informationen über Euch - was Eure Abstammung ist, wie viele Städte ihr kennt, und so weiter, sind für mich völlig unwichtig. Genau so unwichtig ist für mich, wie genau und wie wahr sie sind - es geht mir darum dass es exakt die Informationen sind, die ihr meinen Kontakt wissen lassen wollt.
Wenn es mir nur darum ginge, Informationen - genaue, unverfälschte Informationen - für mich selbst zu haben, würde ich nicht Euch offen fragen. Ich wäre tatsächlich besser dran, hinter Eurem Rücken die Verborgenen aufzusuchen."

Die Kappadozianerin beruhigt sich ein wenig, nachdem sie den Grundgedanken ausgesprudelt hat, und spricht mit gelassenerer Stimme weiter.

"Dieses Treffen ist nicht zu meinem Nutzen, sondern zu dem Euren. Damit
erstens Ihr kontrollieren könnt, welche Informationen ich über Euch teile,
zweitens Ihr wisst welche Informationen der Kontaktmann bereits über Euch hat, und
drittens Ihr Euch schon darauf einstellen könnt, welche Dinge Misstrauen erwecken, so dass Ihr euch darauf schon einmal eine gute Antwort zurechtlegen könnt sobald ich den Kontakt hergestellt habe. Wie etwa Eure Abstammung.

Informationen sind wie Vögelchen, sobald sie aus ihrem Käfig entkommen sind, fliegen und nisten sie, wo sie wollen, und lassen sich nicht mehr einfangen."

Zur Unterstreichung der Metapher spielt Allegra mit Zeige- und Mittelfinger eine wilde Flugbahn nach.

"Ich gebe Euch darum die Gelegenheit, zu kontrollieren was für Vögelchen ich aus dem Käfig lasse, bevor vollendete Tatsachen geschaffen sind.
Insbesondere, da mein Kontaktmann kein weltfremder Einsiedler in einer öden Wüstenei ist - er kennt selbst viele andere Kainskinder, nicht nur in Rhegium, sondern auch in umliegenden Domänen, und kann und würde diese Informationen über Euch weitergeben, wenn er sich irgendeinen Vorteil davon verspricht. In welche Hände genau? Das wüsste nicht einmal ich."

[Drita]

"Natürlich ist dieses Treffen hier zu meinem Nutzen. Und die Gelegenheit zur Kontrolle, die ihr mir gebt, ehrt euch."

Das schien Drita durchaus ernst zu meinen. Sie ließ zur Bekräftigung einen Moment verstreichen, ehe sie fast ein wenig belustigt fortfuhr:

"Aber Ancillae denken so nicht, meine Liebe. Ihr seid einen Handel eingegangen und es ist euer Problem, wie ihr diesen Handel vollendet. Wenn durch eure Taten Nachteile für euren Geschäftspartner entstehen, weil die Vögelchen nisten, wo sie wollen, dann... ist dies ebenfalls euer Problem, wenn es der Wille eures Handelspartners ist. Das Recht der Älteren, dem wir alle unterliegen."

Das Lächeln wurde wärmer.

"Ich will euch keinesfalls raten keinen Handel mit einem Ancillae oder Ahnen einzugehen. Schulden bei ihnen zu haben, kann euch zum Vorteil gereichen, mehr als ihr vielleicht denkt. Aber ihr solltet bedachter vorgehen. Feinheit ist das Werkzeug, dem ihr euch bedienen müsst. Wissen, wann welches Wort angebracht ist."

Drita winkte am Ende jedoch ab.

"Ich hoffe die Lektion war lehrreich?"

Die Ancilla lehnte sich zurück.

"Schreibt eurem Kontakt noch, dass es mein Ziel ist in Genua Notarius zu werden. Eidwächterin. Noch ist es nicht offiziell, wird es aber sehr bald werden."

[Allegra Aldighieri]

"Ich werde das beherzigen. Dann gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr zukünftig keine solchen Treffen mehr wünscht - auch wenn, ganz hypothetisch gesprochen, zukünftig jemand an mich heranträgt, potentiell delikate Informationen über Euch erwerben zu wollen, und ich es für fair und gerecht hielte, wenn Ihr davon wüsstet, ehe ich Tatsachen schaffe?"

Sie spielt einen Moment mit einer Locke.

"Ich selbst folge nicht der Via Mercator - aber auch als eine bloße Jüngerin des Oudos Anthropthymos ich halte mich selbst für eine ehrliche Kauffrau, deren Wort gilt, und ich lege viel Wert auf meinen Ruf in Handelsdingen. Handel über große Distanzen sind naturgemäß risikobehaftet, und ich bin bereit unerwartete Kosten zu schlucken, um meinen Teil der Abmachung wie besprochen einhalten zu können.
Wenn wie hier die unerwarteten Kosten in Informationen statt in Münzen berechnet sind, halte ich es gegenüber meinem Handelsparther nur für fair und gerecht, als Teil meiner Unkosten die kostenlose Gefälligkeit zu erweisen, ihn von der Tatsache wissen zu lassen und ihm die Möglichkeit zu geben, vorab auf die fließenden Informationen Einfluss zu nehmen - eine Freundlichkeit, zu der ich nicht verpflichtet gewesen wäre.
Wenn man für solche kostenlosen Gefälligkeiten die Dreistigkeit besitzt, nicht nur die kostenlose Gefälligkeit wie selbstverständlich anzunehmen, sondern mir auch noch zusätzliche Kosten in Rechnung zu stellen - dann unterlasse ich solche kostenlosen und freiwilligen Freundlichkeiten zukünftig gerne. Ab sofort. Auf der Stelle."

Die Kappadozianerin schickt sich an, sich zu erheben.

"Eigentlich hatte ich geplant, Euch auch noch davon in Kenntnis zu versetzen, was die höchst verehrte Herrin über den Goldenen Streifen über Euch wissen wollte, ehe Ihr in ihrer Domäne handelt... Und das ganz kostenlos, um meinen Teil der Abmachung möglichst schadlos für Euch abwickeln zu können. Glücklicherweise für mich kam der weniger wichtige Teil unseres Handels zuerst.
So werde ich Eurem Wunsch entsprechen und Euch nicht damit belasten, davon zu wissen und darauf Einfluss nehmen zu können."

[Drita]

"Bleibt sitzen!"

Jetzt war das Lächeln der Ancilla verschwunden. Düster blickte sie die Kapadozianierin an, während Drita sich ihrerseits erhob.

"Kein Neugeborener beendet das Gespräch mit einem Ancillae von sich aus. Das gilt für euch, genauso, wie für jeden Anderen. Des Weiteren gilt das gegenüber eurem Erzeuger, genau, wie gegenüber eurem Ältesten, sowie jedem anderen Ancillae... ... mich eingeschlossen!"

Sie seufzte. Tief, laut hörbar.

"Ihr habt mir nicht zugehört oder ihr legt mir Worte in den Mund, die ich nicht gesagt habe. Ersteres kann ich verzeihen. Zweiteres... beleidigt mich tatsächlich doch."

Eine kurze Pause deutete an, dass es an der Kappadozianerin läge, welche der beiden Optionen sie wählen würde.

"Ich habe euch Eingangs, nachdem ihr mein Angebot für einen Rat nicht ausgeschlagen habt, gesagt, dass es euer Glück ist, dass ich euch nicht ausnehme, wie eine Gans... das ich nicht Gefallen aus euch herauspresse, wie Andere Ancillae es täten. Und glaubt mir... sie täten es. Ebenso habe ich euch gesagt, dass ich mir dem Wert dieses Treffen bewusst bin und es euch ehrt."

"Wo also liegt meine Dreistigkeit euch Kosten in Rechnung zu stellen? In dem Rat, der weit Abseits unseres Handels liegt und den ihr nicht ausgeschlagen habt? Bitte... klärt mich auf."

Sie schaute Allegra fragend an.

"Oder wollen wir euren Ausbruch vergessen und weiter machen?"

[Allegra Aldighieri]

Die Kappadozianerin verharrt einen Moment auf dem Tisch aufgestützt. Sie blickt von Drita weg, starr nach unten auf das Stück Tischplatte vor ihr. Mit einem leisen Aufschrei klatschen ihre offenen Handflächen auf den Tisch, was bei einem Persönchen wie ihr eher putzig als bedrohlich wirkt.

Es scheint Allegra nach dieser Handlung besser zu gehen, denn sie lässt sich wieder langsam nieder, während sie Drita wieder anblickt.

"Verzeiht, verehrte Drita. Es ist sehr frustrierend, wenn man versucht alles penibel richtig zu machen, vermeint alles penibel richtig gemacht zu haben - und einem dann unerwartete weitere Kosten entstehen. In meinem Frust habe ich mich mehr von meinem wilden Herzen verleiten als von meinem Kopf, und habe Euch damit mit meiner Einschätzung Unrecht getan."

Sie macht eine Pause, in der ein menschlicher wirkender Kainit vielleicht einen tiefen Atemzug simuliert hätte, um ersichtlich durchzuatmen.

"Könnt Ihr meine Entschuldigung für meinen Ausbruch annehmen?"

[Drita]

Drita blieb noch eine Weile stehen, nachdem Allegra sich setzte. Sie betrachtete die Kapadozianerin von oben bis unten. Das Lächeln kehrte zurück.

"Ich bin froh, dass wir dieses Missverständnis direkt aus der Welt schaffen konnten. Es wäre bedauerlich, hoffe ich doch, durch und mit euch investieren zu können, in den Aufbau der Domäne. Ein Konflikt wegen Nichtigkeiten wäre alles Andere als hilfreich."

Drita ließ sich auch wieder auf ihrem Platz nieder. Sie nickte auf die Frage hin.

"Bitte... fahren wir doch fort."

[Allegra Aldighieri]

Allegra nickt auf die angenommene Entschuldigung hin und schaut wieder in ihre bisherigen Notizen, um den roten Faden wieder aufzunehmen.

"Herkunft Venedig, Abstammung unbekannt, Leumund in Vineto und Genua, tugendhafte Befolgering des Oudos Koriphaios und Oudos Agorazo, Aufbau Netzwerk von bisher ein Dutzend Polii und steigend, strebt Amt von Notarius und Eidwächterin an..."

Sie grübelt an einer Locke spielend, was es war was sie beschäftigt hatte, ehe sie aufblickt.

"Ah, richtig, Ihr seid nicht vertraut mit der nächtlichen Gesellschaft Rhegiums.
Die Fürstin der Stadt ist die höchst verehrte Ginevra Busca, Herrin über den Goldenen Streifen. Sie ist erst seit wenigen Jahren im Amt - seit die Normannen die Byzantiner vertrieben haben - und sie ist eine Ahnin Eures Clans. Entsprechend wird sie sehr genau die Schritte beobachten, die eine Ancilla ihres eigenen Clans in ihrer Domäne unternimmt. Das könnte eine Gelegenheit sein - oder ein Problem. Vielleicht ein wenig von beidem."

Die Kappadozianerin zuckt die Schultern.

"Auf jeden Fall ist es nichts, womit ich Euch blindlings überraschen will, sondern etwas was ihr einkalkulieren können solltet."

Sie lehnt sich ein wenig zurück.

"Damit haben wir alles notwendige beieinander, denke ich. Ich danke Euch nochmals für Eure Zeit und für Eure Geduld mit mir, verehrte Drita.

Wollt Ihr hören, wie es mir zwischenzeitlich seit meiner Ankunft in der Stadt ergangen ist?"

[Drita]

"Euer Kontakt ist der höchst verehrte Prinz selbst?"

Drita wirkte ein wenig überrascht davon, fingt sich aber rasch wieder. Die Tatsache schien jedoch Dinge zu ändern.

"Ihr wolltet mich noch davon in Kenntnis zu versetzen, was die höchst verehrte Herrin über den Goldenen Streifen über mich wissen wollte", erinnerte Drita und fügte dann noch hinzu: "Wenn sie mich kennen lernen will, bin ich gerne bereit zu ihr zu reisen, um vorstellig zu werden. Das sollte eine bessere Basis darstellen. Ihr könnt ihr dies gerne als Option anbieten, in der ihr dieses Treffen vermittelt."

Mit dem letzten Angebot reichte Drita Allegra verbal die Hand, um gegen den Eindruck zu steuern, dass Drita ihr nur Dinge heraus zu pressen versuchte. Immerhin wollte die Ancilla wirklich eine gesunde Geschäftsbasis zwischen den Beiden.

Auf das angesprochene neue Gesprächsthema kam Drita ebenfalls lächelnd zurück.

"Gerne. Berichtet, wie ihr euch eingelebt habt."

[Allegra Aldighieri]

Allegra hebt abwehrend die Hand. "Es schmeichelt mir wirklich sehr, verehrte Drite, dass Ihr mich so einschätzt dass ich direkt das Ohr der Höchstverehrten Fürstin Rhegiums hätte. Aber so wichtig und herausragend bin ich nicht. Nein, ich berichte nur, was ich aus zweiter Hand von meinem Kontakt darüber gehört habe, wie sie seit meinem Abschied aus der Domäne vorgeht.

Wie schon gesagt ist ihre Herrschaft ist noch sehr jung, und fußt darauf dass die Fraktion der Normannen die alte byzantinische Elite gewaltsam vertrieben hat. Als Clansschwester vom Rang einer Ancilla, mit großen Plänen, aber auch von unbekannter Herkunft und mysteriöser Vergangenheit seid Ihr da automatisch eine Person von Interesse, sobald die Höchstverehrte von Euch erfährt."

Sie spielt an einer Locke und denkt nach.

"Eine meiner Arbeiten, die ich seit meiner Ankunft in Genua unter Anleitung meines verehrten Clansältesten vollbracht habe, ist eine kurze Chronik über die Zeit von Rhegiums Umsturz, inklusive der neuen nächtlichen Gesellschaft. Womöglich erkennt Ihr unter den Namen und Ahnenreihen insbesondere eurer Clansgeschwister etwas, das mir entgeht, für Euch aber nützlich wäre.
Falls Ihr meinen kleinen Gefallen direkt nutzbringend einlösen wollt, könnte ich Euch eine Kopie davon zukommen lassen. Auch, damit Euch beweisen kann dass meine Gefallen echten Wert haben, und nicht nur leere Versprechungen sind wie bei gewissen anderen Kainskindern, denen man mit öffentlichen Aushängen hinterhersuchen muss, weil sie sich so rar gemacht haben als es ans Bezahlen ging."

Die Kappadozianerin lächelt wieder warm, als es darum geht von ihrem Wohlergehen seit ihrer Ankunft zu erzählen.

"Ich habe inzwischen in der Stadt Fuß gefasst und mir mein eigenes bescheidenes Geschäft aufgebaut. Ich habe einige Kontakte innerhalb und außerhalb der nächtlichen Gesellschaft knüpfen können.

Leider gibt es auch unerfreuliches. Die wohlwerte Angelique stört sich an mir, und hat mir empfindliche Übel angedroht wenn ich mich nicht ihrem Diktat unterwerfe."

[Drita]

Die Ancilla lauschte und machte verstehende Gesten, während sie den Worten der Kappadozianerin folgte. Es folgte ein Nachdenken über das Angebot.

"Das klingt nach einer guten Idee. Es hilft mir sicherlich die Domäne besser zu verstehen, mit der ihr mich bekannt macht. Ich nehme an." Offensichtlich wollte Drita es Allegra auch nicht sonderlich schwer machen, den Gefallen zu erwidern. Warum auch? Die Handelsbeziehung zwischen den beiden war viel zu potent, um sie durch Stichelei und Streit zu beschädigen.

"Ihr sprecht von Adamo, nicht wahr? Sagen wir es so... der Aushang diente mehr Anderen als Warnung, als dass es notwendig gewesen wäre, ihn darüber zu suchen. Ich bin noch immer neu in dieser Domäne und muss mir meinen Ruf vor den Neugeborenen erarbeiten... und vor den anderen Ancillae Stärke beweisen. Wenn diese glauben, dass ich schwach bin... werde ich nicht lange hier sein."

"Es freu mich, dass ihr angekommen seid. So sind wir wohl zu zweit, was das betrifft."

Dann wurde ihr Gesicht jedoch kälter.

"Ist dem so? Erzählt mir doch mehr... ... auch ich habe... ... meine Erlebnisse mit ihr."