[1083] Kunst des Wahnsinns [Angelique, Atessa, Roya]

[Roya]

Roya lächelte, ob Angeliques motivierender Haltung, doch wog dieser Geste eine distanzierte Traurigkeit inne, die sie vorerst nicht weiter erläutert hatte, nachdem Atessa bereits nähergetreten war. Ein kurzes Schmunzeln wanderte wenig später über die Lippen der Malkavianerin, ob der Grußformel, welche ihre Clansschwester wählte, bevor sie diese zuerst auf die Frage der Rose eingehen ließ.

[Angelique]

Angelique lächelte ebenfalls enigmatisch, was wohl malkavianische Sitte war.

"Ja, das habt Ihr richtig verstanden. Die Grabschänderin hat mir in Unkenntnis, dass ich keine Sterbliche bin, mit Drogen versetzte Honigkuchen angedreht, die sie auf einem Hochzeitsfest, das wohl auf ihr Geheiß des Nächtens stattfand und auch noch in einer Kirche, um diese wohl zu entweihen, freimütig verteilte.
Sie brüstete sich dann, als ich sie zur Rede stellte und mahnte, dass Drogen Kinder töten konnten oder schädigen, mit den Worten: Kinder sind nur Beifang, an denen ist einfach nicht so viel dran. Einmal ein zu kräftiger Zug, und schon sind sie hinüber. Dafür reicht dann aber auch schon weniger Würze für den gewünschten Effekt. Lohnt sich daher immer noch, denke ich."

Sie tat so, als müsse sie empört einatmen, und es klang ein bisschen unabsichtlich so wie das Röcheln eines Kindes, das an vergifteten Küchlein erstickte.

[Atessa Federizzi]

Das Allegra anscheinend es genoss zu provozieren und aufzufallen, wunderte Atessa nun wenig, wenn man bedachte, wie die Kappadozianerin umher lief und welche Art der Kunst sie zur Schau stellte. Aber sonderlich klug war es nicht, eine vermutlich ältere Malkavianerin derart zu reizen.
Die junge Rose strich das eine oder andere Gesprächsthema aus ihrem Kopf - offensichtlich hatte Angelique durchaus Themen, die es zu vermeiden galt. Gut, bei ihr selbst ging es nicht um Kinder, aber dennoch.

Sie rümpfte etwas die Nase "Nun, das ist wirklich schon eine recht eigene und vor allem kurzsichtige Sicht auf die Jagd." Wirkliche Empörung blieb bei der jungen Rose aus, vielleicht betrachtete sie es pragmatischer. Wer die Kinder nahm, dezimierte die potentiellen Nahrungsquellen in der Zukunft - vorallem ohne ausreichenden Gegenwert im Stillen des Hungers.

"Wer ist denn aus eurer Sicht noch unschuldig, außer den Kindern der Herde ihrer höchstverehrten Majestät natürlich?"

Sie sah zwischen Roya und Angelique hin und her, womöglich hatten beide dazu eine Meinung.

[Roya]

Roya zuckte mit den Schultern, als Atessas Blick auf ihr lag. „Ich nicht unterscheiden in schuldig oder nicht schuldig.“ Ihre grauen Augen wanderten auf ihre Clansschwester. „Ich nicht seien wie meine wohlwerte Schwester im Blute.“ Sie schenkte dieser ein wohlgemeintes Lächeln, das widerspiegelte, dass dem auch gut so war, wäre es doch gerade für ihr Blut regelrecht fatal, so zwei Scherben eines Spiegels identisch wären. Entsprechend wenig traurig wirkte sie darüber, dass sich ihre Ansichten hierin unterschieden. Vor allem, da sie nichts grundsätzlich gegen diese zu haben schien. Dann zuckte sie jedoch mit den Schultern. „Ich nicht kennen Hiob, aber ich denken ich auch nicht seien wie er.“ Sie schüttelte ihr Haupt, bevor sie ihre Hand flach auf ihre Brust ablegte. „Ich nicht würden umbringen ein denkendes Wesen, schuldig oder nicht, denn wie sollen es sonst lernen?“ Sie legte ihren Kopf fragend zur Seite und blickte zwischen den Beiden anwesenden hin und her.

[Angelique]

"Jeder, der nicht bewusst sündig, ist unschuldig.
Ich glaube nicht an die Auslegung der Erbsünde, wie es die Kirche tut. Kinder sind nicht durch ihre bloße Existenz sündig, noch sind sie verantwortlich für die Taten ihrer Ahnen bis ins siebte Glied.
Sündig können sie erst werden, wenn sie dem Schmutz der materiellen Welt lange ausgesetzt werden.

Häretische Gedanken, ich weiß, aber mein Glaube ist älter und dem Menschen freundlicher gesonnen als das Demiurgengeschwätz des Bischofs von Rom."

Sie nickte Roya zu. "Das sehe ich genauso. Man muss den Leuten vor Augen halten, was sie getan haben und sie zur Einsicht durch disziplinierende Maßnahmen bringen. Tote können nicht mehr lernen und sich bessern."

[Atessa Federizzi]

Atessa sah das "kleine Mädchen" an und legte den Kopf schief.

"Aber die von unserem Blut, sei es nun Allegra oder die wohlwerte Iulia - sind wir allesamt Sünder? Oder nur die, die wie Allegra handeln?"

Interesse war in ihren Augen zu erkennen. Sie schien das Wasser ausloten zu wollen. Die Stellen, die besonders tief und dunkel und gefährlich waren.

"Wenn die Frage gestattet ist - schützt ihr die unschuldigen Menschen, weil sie die Herde der höchstverehrten Majestät angehören oder ist es eher, naja, persönlicher Natur?"

Sie wartete und beobachtete erneut beide Mondkinder.

[Roya]

Roya blickte aus den Augenwinkeln den langen Weg hinauf zum Bischofskastell, an dessen Fuße sie sich befanden, derweil sie den Ansichten Angeliques lauschte, bevor sie den anderen Eingang mit ihren grauen Augen mitbedachte, während Atessa sprach. Roya wirkte nicht panisch oder aufgeregt, wohl aber wachsam, ob des Ortes, an welchem sie sich befanden. Sie verzichtete entsprechend darauf, ihre Clanschwester zurück an die Frage zu erinnern, ob Jene wie sie, nun überhaupt lebend oder vielmehr tot waren. Oder nichts davon. Oder gar beides zu gleich. Entsprechend sah sie zu Angelique zurück, der die Frage der Toreador galt, denn weder kannte Roya diese Iulia, noch wusste sie was jene Sünde in den Augen der Malkavianerin überhaupt war von derer sie sprach, weshalb sie selbst dahingehend wohl auch nicht unterschied. Dennoch war sie interessiert zu lernen von jener Kultur, die Roya noch immer fremd war.

[Angelique]

"Sünder ist man durch Tat und nicht durch bloßes Sein. Es ist egal, ob Makel der Vorfahren einem anhaften oder nicht. Was man selbst tut und zu verantworten hat, definiert das Maß an Sünde. Die materielle Welt ist unrein und befleckt die Seele, wenn man ihr nachgibt. Da weiche ich von der Lehrmeinung des Bischofs von Rom ab und berufe mich auf die Traditionen meiner Heimat, die früher evangelisiert war, als die Gemeinde von Rom.

Ich glaube nicht an Erbsünde und Schuld bis ins siebte Glied. Das widerspricht meiner gnostischen Lehre. Und deshalb schütze ich Unschuldige, egal, ob es auf Geheiß der Princeps, anderer Perfecti oder sterblicher Würdenträger ist. Es ist meine Natur.

Edel sei der Upir, hilfreich und gut."

[Atessa Federizzi]

Die Toreador zog eine Braue hoch und ihr linker Mundwinkel verzog sich zur Seite. "Das ehrt euch gewiss in den Augen vieler."
Sie verschränkte beide Arme vor der Brust und musterte kurz das kleinere der beiden Malkavianer. Roya könnte bemerken, so sie denn darauf achtete, dass generell die Haltung und die Stimme Atessas durchaus angespannter war, als noch bei ihrem Treffen vor einiger Zeit.
Lag es an den fehlenden, schützenden Mauern des Elysiums?

"Gibt es viele Sünder hier, abgesehen von der werten Allegra, die Eurer Aufmerksamkeit bedürfen?"

Dann hielt Atessa kurz inne und schien zu überlegen. Vielleicht war sie sich nicht sicher, ob das Thema angemessen war, nach diesem Vortrag. Aber wer nicht wagte...

"Weshalb ich eigentlich mit euch sprechen wollte - eure werte Clansschwester..." und sie nickte Roya erneut zu "...erzählte mir, dass ihr belesen seid und einige Sprachen beherrscht. Da kam es mir in den Sinn, ob ihr nicht womöglich medizinische Schriften aus alten Zeiten oder fernen Ländern besitzt, die sie mit der Beschaffenheit und Funktionsweise der menschlichen Körper befasst?"

Sie löste ihre Arme und legte sie vor sich auf ihrem Kleid ab, Angelique aufmerksam musternd.

[Angelique]

Das kleinere Übel der Malkavianer verschränkte in kindlichem Stolz die Arme vor der nicht vorhandenen Brust.

"Das habe ich in der Tat und Ihr seid nicht die Erste, die in den letzten Jahrzehnten danach fragt. Mein akademisches Wissen darüber reicht von Hippokrates über Galen bis zu den modernen Genies der Sarazenen und Juden wie Ibn Sina und Abu l-Qasim.

Mein praktisches Wissen ist allerdings seit Jahrzehnten etwas eingerostet, da ich erst kürzlich die Zeit dazu wieder finde.
Und ja, ich habe auch die Schriften der Genannten und auch Manuskripte anderer.

Über den menschlichen Körper schreibt am klügsten und am meisten kundig in der Tat Abu l-Qasim, der Hofarzt des Kalifen von Cordoba war und als der Meister aller Chirurgen gepriesen wird.

Aber am umfassendsten ist der Kanon der Medizin von Ibn Sina, ein wahrlich von GOtt selbst inspiriertes Werk eines Universalgenies.
Leider gibt es keine lateinische Übersetzung davon. Man muss schon des Arabischen mächtig sein, der Sprache der modernen Gelehrsamkeit.
Und selbst ich besitze nicht alle seiner Werke und bin stets auf der Jagd nach welchen."

Bezüglich der Frage nach den Sündern seufzte sie.
"In einer Stadt von Piraten und Sklavenhändlern? Ja, natürlich, auch unter den Perfecti. Aber ich kümmere mich nicht offen darum, außer indem ich mäßigend versuche einzuwirken. Deshalb ärgert mich ja das dreiste Verhalten der Leichenschänderin so sehr. Es gefährdet die Stille."