[Fluff] Mein Leben mit der Dunkelheit - Die Memoiren eines Ghuls [Toma]

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Toma Ianos Navodeanu
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[Fluff] Mein Leben mit der Dunkelheit - Die Memoiren eines Ghuls [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

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Mein Leben mit der Dunkelheit

Die Memoiren eines Ghuls


In wenigen Monaten werde ich sterben. Vielleicht werden es auch viele sein, vielleicht nicht. Ich kann es nicht genau sagen. Ich kann nur sagen, dass ich sterben werde. Ich weiss es. Ich werde mich verlieren.
Das klingt so seltsam. Sich verlieren. Doch es ist wahr. Langsam. Seit Tagen, Wochen und Monaten verliere ich mich Stück für Stück….an meinen Herren.
Herr. Dame…kein Begriff nach unserer Vorstellung wird ihnen gerecht. Sie sind ein Ungetüm, eine Kreatur der Dunkelheit, eine Gestalt mit tausend Gesichtern und doch mein Lebensmittelpunkt. Vor allem jetzt…wo sie mich vertilgen.

Vertilgen…ich will es nicht schreiben, doch es ist so. Mit Haut und Haar, wie die Tiefe des dunklen Meeres unten am Ufer. Bis nichts mehr bliebe als Kälte und Stille…
War es naiv von mir, zu glauben, dass sie so etwas nicht tun würden? Dass ich geglaubt hatte, dass sie sich lösen würden, dass es vorübergehend war. Doch das war es nicht. Nun ist es zu spät. Wofür auch immer. Was auch immer ich sonst noch hätte tun sollen. Es ist zu spät.
Ich habe das Leben genossen, trotz aller Widrigkeiten. Trotz aller Arbeit und Qual.
Und nun…nun ist es vorbei.
Und anders als die dummen und unglückseligen Narren, die der Tod durch einen Unfall unerwartet holt, kann ich ihn kommen sehen.
Auf ihn warten.

Doch zunächst schreibe ich hier, was mir widerfuhr. Warum? Weil ich es sagen muss, weil nun ja…irgendetwas von mir bleiben soll. Komisch eigentlich, denn mein Körper wird ja bleiben, mehr oder weniger…aber mein Geist, meine Seele wird verschwinden...?
So will ich noch etwas sagen…schreiben, bevor ich es nie mehr kann.

Es ist vermutlich dumm und niemand sollte sie je lesen.
Doch ich möchte es allein für mich getan haben.

Ich habe 100 Jahre gelebt, dies war mein Leben:


Mein Name
Mein Name ist Johann von Ebersberg und ich bin ein Diener eines Wesens, das kein Mensch ist. Man nennt sie im Volksmund Wiedergänger, Slaven nennen sie Strigoi oder Vampire.
Menschen wie mich, die von ihrem Blut gekostet haben, werden von den Vampiren Blutsdiener oder Ghule genannt.

Sie selbst nennen sich Kainiten oder Kainskinder, denn sie entstammen der Legende nach von Kain, der seinen Bruder Abel erschlug. Wer weiss ob es wahr ist. Aber es wäre passend. Ihre Welt, ihre Leben sind von Grausamkeit und Blut erfüllt. Es der Weg, den sie beschreiten müssen. Warum jedoch, das kann ich nicht sagen. Sie denken, sie seien auserwählt von Gott, ausgestattet mit Mächten, die keinem Menschen zu eigen sind. Und so ist es. Sie sind mächtig, sie sind bestimmt über uns zu herrschen, doch ist es die Macht Gottes oder des Teufels?

Ich weiss gar nicht, was aus Kain wurde. Der Pastor sagte, dass Kain verflucht wurde, doch starb er? Ziemlich sicher wurde er zumindest verstoßen aus dem Garten Eden. Doch wenn er überlebte, dann ja, warum sollte er nicht auch irgendwie Kinder gehabt haben.

Zumal Vampire keine Kinder zeugen wie Menschen, sie verwandeln uns. Sie nehmen unser Leben und machen daraus einen von ihnen. Manche sehen das als ein Glück, ein Segen, an. Ein Geschenk. Vermutlich muss man das auch, ansonsten würde man ihr Blut gar nicht bekommen oder dieses Leben selbst nicht ertragen.

Ich weiss nicht ob ich das noch wollen würde. Ich kann in der Sonne laufen, die Schönheit der blühenden Natur bewundern, den Geschmack eines guten Essens und Weines genießen.
Ihre Welt liegt in ständiger Dunkelheit. Ich habe es lang genug miterlebt. Alles ist grau und still und gefährlich. Sie kämpfen um ihr Überleben, wie auch wir Menschen, doch sie sind weniger. Sie haben keinen Rückhalt in ihrer Gesellschaft. Sie kämpfen auch gegeneinander.

Ist das eine Welt, in der ich leben möchte? In der hinter jeder Ecke einer mit einem Messer lauern könnte. Nun es ist auch in meiner Welt nicht selten, dass man für ein paar Münzen im Rinnstein verblutet oder als Frau vergewaltigt wird. Ungewollte Kinder werden auf der Straße zurückgelassen oder im Wasser ertränkt. Verbrecher werden gehängt oder schaulustiger noch: gevierteilt oder gerädert.
Grausamkeit macht keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht.
Doch dennoch gibt es auch viele gute Menschen, die helfen, die sich kümmern. Freunde, Verwandte.
Kainskinder haben nur sich selbst und vielleicht einen Verbündeten, dem sie vertrauen, doch Vertrauen scheint besonders schwer zu finden und zu geben zu sein. In diesem Sinne haben sie sogar mein Mitleid. Sie glauben an der Spitze der Macht zu stehen und das tun sie sogar, doch dort oben ist es einsam und auch wenn sie es bestreiten würden…sie blicken neidisch auf uns hinab.
Dessen bin ich mir sicher.
Sie brauchen uns. Sie brauchen uns, um ihnen ihre sicheren Zufluchten zu geben, sie zu schützen, sie zu füttern, Arbeiten zu erledigen, vermutlich auch, um ihnen Gesellschaft zu leisten ohne Gefahr zu laufen verraten zu werden. Ja, sie können uns so einfach töten oder unsere Leben an sich binden, doch sie brauchen uns, mehr als wir sie.
Wenn man nun einmal in solch einer Situation steckt… Warum nicht selbst davon profitieren? Es könnte eine Zweckgemeinschaft sein, denn auch ich hatte dadurch ein gutes Leben. Ich hatte eine Familie, einen Beruf, eine Aufgabe, ein Anwesen, das allein ich betreute, Untergebene, sogar ein eigenes Geschäft, ein besonders lukratives, ein ewiges junges Leben. Nun ja, nicht alle Erscheinungen des Alters konnten sie rückgängig machen. Der Rücken und die Knie schmerzen dennoch, doch das Haar machten sie mir wieder voller, die Falten entfernten sie. Ich war jung und ich würde für immer leben.
Doch ich greife vorweg, denn es war nicht immer so und es würde auch nicht so bleiben. Denn wie ich zu Anfang schrieb, werde ich sterben.


Am Anfang
Ganz am Anfang war ich knapp zehn Jahre alt, als mein Vater mich, meine Mutter und meine Schwester mit nach Italien nahm. Wir würden dort nun leben, sagte er. Er würde dort ein Geschäft aufbauen.
Zuhause war er unglücklich gewesen. Der dritte Sohn eines kleinen Adelsgeschlechts. Jemand, der also nie etwas Bedeutendes erben würde und immer im Schatten seiner Brüder stünde.
Er ging und er nahm uns mit. Doch nicht gleich. Er fuhr vor und holte uns später nach. In ein Haus, das er und sein Geschäftspartner gemietet hatten, denn dieser würde ebenfalls bei uns leben.
Toma Ianos. Ein Steinmetz und Zimmermann, begnadet, wie mein Vater sagte und er würde seine Werke in Genua verkaufen, eine aufstrebende Handelsstadt am Mittelmeer, die vor allem aber vom Sklavenhandel sehr gut lebte. Mein Vater hatte Toma in Salzburg kennengelernt auf einer dieser fein betuchten Empfänge eines Bekannten meines Großvaters.
Ein Künstler sollte er sein und wahrlich ich sah es. Seine, ihre Hände konnten wunderschöne Formen schaffen, mehr noch als alles was sich Menschen vorzustellen vermögen.

Doch die meisten bekamen dies nie zu Gesicht. Nein, denn ihre wahre Kunst hielten sie wie ihr wahres Wesen, versteckt. Es war das eines unmenschlichen Monsters, dass das Blut der Menschen zum Existieren brauchte.

So ging Toma auch nur abends und nachts hinaus. In seine Werkstatt, ein paar Meter von unserem Haus entfernt und kam vor dem Morgengrauen zurück. Manchmal hörte ich das, wenn ich nicht schlafen konnte oder schon wieder wach war.

Sie aßen auch nie mit uns zu Abend, aber immer mal saßen sie im Raum und schnitzen etwas und erzählten uns von ihrer Heimat oder wir sprachen von unserer, die sie ja auch kannten.
Doch was weitaus sonderbarer an ihnen war, war ihre Maske.
Sie trugen eine hölzerne glatte Maske, die lediglich zwei schmale Löcher für die Augen besaß. Vater hatte damals gemeint, dass er entstellt sei und sein Gesicht nicht zeigen mochte.

Ich habe ihn damals oft bemitleidet und wollte doch auch zu gern wissen, wie er unter der Maske aussehen mochte. Wie schrecklich dieses Gesicht denn sein konnte?

Dieser Gedanke, dass er gelitten haben mochte, dass er sich schämen mochte, machte es einfache mit seiner Sonderlichkeit zu leben. Ich fragte vor allem in meinem kindlichen Übermut manchesmal ob er sie nicht abnehmen wolle, er könne mir ruhig sein Gesicht zeigen. Doch sie taten es nie. Bis zu einer Nacht, als ich bereits um die zwanzig Jahre war, Martha zwei Jahre jünger. Wir waren erwachsen geworden und das war wohl auch der Moment an denen sie entschieden hatten, dass wir das Geheimnis nun wissen dürften, dass wir alt genug für das Blutsband waren. Dass wir nützlich waren. Es sein mussten.

Mutter und Vater hatten uns einen Moment zusammen in unser Zimmer gesetzt und gesagt, dass Toma sich uns offenbaren würde. Dass er kein Mensch sei, sondern ein göttliches Wesen. Das hatte zumindest Vater gesagt.

Mutter hingegen war gar nicht so begeistert von Toma gewesen. Vor allem die letzten paar Jahre davor, war sie anders geworden. Stiller, angespannter, trauriger. Damals hatte ich das noch nicht richtig erkannt, doch mittlerweile weiss ich, dass sie gelitten hatte unter dem Blutsband, dass sie es abgelehnt hatte. Nicht immer mag es Liebe hervorbringen. Loyalität ja, aber starker Hass kann nicht in Liebe umschwenken, glaube ich.

Sie fürchtete Toma und das sagte sie uns in derselben Nacht, in der mein Vater Toma in den Himmel lobte. Sie hauchte, dass er uns alle verschlingen würde, wenn wir nicht gehorchen würden. Dass er uns grausame Dinge antun würde.

Ich hatte Angst. Ich hörte viel mehr auf unsere Mutter, als meine Schwester, die mehr Vaters Fanatismus fühlte.

Als sie uns dann ins Wohnzimmer brachten, wartete dort bereits Toma und entblößte ihre wahre Gestalt.

Niemals würde ich vergessen wie sie damals ausgesehen hatten. Welch Grauen ihr Gesicht in mir entfacht hatte. Es war wahrlich kein Mensch unter dieser Maske gewesen, der von Feuer, Geburt oder Messern entstellt worden war. Es war eine Kreatur mit viel zu großen schwarzen Augen aus denen rote Iriden uns angeblickt hatten, mit einem Maul, das doppelt so breit war wie ein menschlicher Mund. Und als sie sprachen, sich die Lippen öffneten, schauten dahinter zwei volle Reihen spitzer Zähne hervor. Nicht zwei Fänge, wie es bei Vampiren üblich war. Alle, alle Zähne waren Reißzähne. Stacheln ragten aus ihren Wangenknochen und Kinn, als auch aus ihren Armen und Beinen. Die Ohren liefen spitz zu und sie besaßen kein Geschlecht, nur glatte Haut da zwischen den Beinen. Ein Geflecht aus feinen Adern lief symmetrisch über Gesicht und Körper.
Jener war dünn und sehnig, ihr Rumpf so dürr, dass die Rippen sichtbar waren. Die Finger endeten in langen krallenartigen Fingernägeln.

Ich zitterte damals, ich konnte nicht verstehen, wie konnte mein Vater glauben, dass dieses Monster ein Gesandter Gottes sei?

Ich drückte mich nah an Mutter, versteckte mich hinter ihr und wollte bei Gott nicht, dass es näher kam, doch Vater stand da in voller Glückseligkeit, als wäre ein Engel selbst dort in unserem Wohnzimmer erschienen.

Auch Vater war ein Ghul, wie Mutter, doch beide waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Etwas, das ich später auch nie wieder so erlebte.

Martha war fasziniert. Sie hatte keine Angst, sie war aber auch immer furchtloser gewesen als ich. Sie ging damals sogar auf Toma zu und berührte sie einfach.

Toma schien erfreut von Marthas Mut und ihre Faszination für sie. Natürlich. Toma ist ein sehr stolzes, eitles Wesen. Jede Aufmerksamkeit, die ihr geschenkt wird, erfreut sie zutiefst.
In diesem Sinne waren sie gleich. Sie ergötzen sich jeweils an ihrer gegenseitig erbrachten Aufmerksamkeit füreinander. Doch das entwickelte sich erst später noch mehr.

In dieser Nacht schnitt sich Toma selbst den Arm auf und ihr dunkles Blut floss dick daraus hervor. Weniger sprudelnd und dünn wie bei Menschen.

Sie sagte, wir sollten trinken und Martha tat dies. Sie tat es einfach, direkt aus der offenen Wunde.

Ich weigerte mich zunächst. Ich fürchtete Toma, ich wollte keinesfalls Blut aus deren Arm trinken. Das war Teufelswerk. Hexerei was auch immer.
Doch Vater drängte mich.

So gab ich nach. Widerwillig, nur damit es endlich vorbei sei und ich gehen könne und es schmeckte auch widerlich.
In dieser Nacht wurden wir jedoch noch keine Ghule. Wir wurden zu Blutsdienern. Wir empfanden ein starkes Gefühl der Zuneigung zu Toma, vor allem nach dem dritten und letzten mal als wir trinken mussten. In dieser dritten Nacht verlor ich meine Angst. Sie war einfach weg und das Blut schmeckte plötzlich wie der beste Wein oder Saft, den ich jemals gekostet hatte. Doch für viele Jahre wurde es mir fortan verwehrt.

Erst als ich alt war, als mein Körper immer mehr abbaute, taten sie den Schritt und gaben mir die Unsterblichkeit, für die ich nun jeden Mond ihr Blut zu mir nehmen musste.
Mit einem Mal liebten oder schätzten wir diese Kreatur in unserem Haus. Außer Mutter. Sie tat aber dennoch alles für Toma, alles, was diese verlangten. Sie wusch die Menschen, die sie entführt hatten…oh die Menschen.
Das war…das war grausam. Doch Grausamkeit schockt mich nicht mehr. Menschen sind ebenso grausam…was sie später mit meiner Familie…
Aber ich schweife ab, greife zu weit vor.


Vom Lagern von Blut
Toma brauchte Blut und Blut konnte man nicht einfach an der nächsten Ecke kaufen. Nun ja doch man konnte Blut vom Schlachter kaufen, doch selbst für jene die Blutwurst oder etwas ähnliches daraus herstellten, wäre es komisch gewesen täglich ein bis zwei Liter zu holen.

Nein, Vampire jagten auch lieber unauffälliger. Toma begnügte sich auch nicht damit jemanden auf der Straße zu überfallen und wieder ihres Weges zu gehen. Sie nahmen sie mit. Entführten sie und hielten sie wie Vieh in unserem Haus. Oh, das erste mal als ich das entdeckte ward mir richtig schwindelig. Ich konnte nicht gleich begreifen was ich da sah. Viele Jahre hatte ich noch Alpträume davon.
Da hingen Menschen in einem hohen Schrank. An einer Stange, wie Rinderhälften. Aufgehangen mit speziellen Lederriemen und sie waren am Leben. Sie blickten mich an. Männer, Frauen, nackt und mit abgeschnittenen Gliedmaßen. Ihre Augen waren leer, als wäre die Seele dahinter längst gegangen. Das war das Schlimmste. Nicht ihre körperliche Verfassung, obwohl die auch schwerwiegend war. Es war dieser Blick. Dieser tote Blick.
Doch sie lebten und das war ihr einziger Daseinszweck. Ihr Blut musste fließen.

Daher musste Mutter sie bewegen. Ihre übriggebliebenen Arme und Beine strecken und rotieren, damit sich keine blauen Flecken bildeten, dann würde sich dort das Blut ablagern und sterben, hatte sie gesagt, hätte Toma gesagt.

Sie tranken von ihnen. Mein junges Ich empfand das als abscheulich, doch nach Jahren der Dienerschaft zu einem Vampir war es mir normal geworden. Sie brauchten Blut. Warum sollte der Prozess schön sein? Das war das Schlachten eines Schweines oder Rindes auch nicht. Immerhin schlachtete Toma sie nicht in unserem Haus…das taten sie in ihrer Werkstatt.
Obwohl schlachten das falsche Wort ist. Sie experimentierten mit Menschen.

Denn Tomas Kraft war anders als ihr Aussehen wirklich von göttlicher Macht. Sie konnten Körper verformen. Das was sie also auch mit sich selbst gemacht hatten.

Vermutlich fragt man sich nun wie ich solange dies alles ertragen konnte. Mit der Grausamkeit leben? Vermutlich möge man glauben, dass es das Blutsband ist, dass mich all das ignorieren lässt. Doch die Wahrheit ist, dass es mir egal ist.
Das Leid der anderen Menschen ist mir egal.

In einer Welt, in der unmenschliche Kreaturen regieren, die dir jeden freien Willen nehmen können. In dieser Welt war es nicht mehr wichtig, was einem Einzelnen geschah. Man konnte ohnehin nichts dagegen tun. Natürlich könnte man versuchen, die Vampire zu vernichten. Könnte ich Toma vernichten, indem ich einfach Licht in ihre Zuflucht ließe, doch würde es viele andere geben und was hätte ich davon? Würde mein Leben davon besser? Würde das der anderen Menschen besser? Die Welt war auch ohne die Vampire ein unnachgiebiger Ort.
Vampire waren aus Menschen entstanden und diese Grausamkeit, die kam nicht erst mit der Verwandlung, die ist, wenn sie denn existiert, schon vorher da.

Toma war also auch als Mensch schon kein freundlicher Mensch oder jemand, dem etwas an anderen Menschen lag. Toma kennt nur ihr eigenes Glück und geht dafür über Leichen.
Warum sollte ich es in so einer Welt anders haben? Nun klinge ich grausam, aber solange es mir gut geht und Toma gut geht, damit es mir gut geht…ist mir der Rest egal.

Für Toma war ich nützlich. Ich hatte eine Aufgabe. Ich hatte Sicherheit, solange ich nützlich blieb und ich merkte schnell,dass ich gut war in dem was ich tun sollte. Und dass ich es gern tat. Ihre Anerkennung bedeutete mir irgendwann viel. Einem Kainiten zu dienen war keine einfache Aufgabe. Viele andere wären daran gescheitert ihre hohen Ansprüchen zu genügen. Ein Fehler konnte den sofortigen Tod oder schlimmeres bedeuten. Wie bei Mutter einst.

Sicher war auch eine Spur Furcht dabei. Doch bis zu diesem Punkt war es ohnehin noch ein langer Weg gewesen.


Martha
Am Anfang war ich auch für Toma nichts. Sie ließen mich viele Jahre in Ruhe, während meine Schwester ihre Aufmerksamkeit fing.
Zunächst hatte sie auch nur Besorgungen erledigt. War zum Markt gegangen, hatte gekocht für die Menschen und uns. Sie sollte eigentlich einen Schneiderssohn oder so heiraten, wohl um sich in das Unternehmen einzuheiraten, doch er starb vor der Hochzeit und so blieb sie eine junge unverheiratete Frau. Ein Unding.

Da schien Toma etwas in ihr zu sehen, was sie ergründen wollten. Schönheit, Kunst. Ich verstehe es nicht, doch sie begannen meine Schwester zu verändern.

Martha war ihr Kunstwerk geworden und ihre Muse und sie ließ es alles über sich ergehen.
Sie hatte denselben Blick wie unser Vater. Sie liebte Toma mit einer Inbrunst eines Fanatikers. Sie gab ihnen ihr Leben und ihren Körper und Toma machte daraus etwas nie Dagewesenes. Ihr gefiel das. Sie fühlte sich besonders, hatte sie mir mal gesagt. Wenn Tomas Blicke und Hände auf ihr lagen, ihre ganze Aufmerksamkeit dann fühlte sie sich…begehrt, auserwählt und schön.

Schönheit war ein ganz besonderes Thema zwischen den beiden.
Wie schon gesagt, war ich lange Zeit gar nicht im Fokus. Ich stand am Rand, während Martha eine Nähe zu Toma aufbaute, die mich zugleich beunruhigte und eifersüchtig machte. Und Schönheit war ihnen beiden wichtig. Jedoch war Schönheit für Toma nicht dasselbe wie für einen gewöhnlichen Menschen.

Ich begehre schöne Mädchen, doch Toma begehrte…Absonderlichkeiten. Neues. Nie Gesehenes. Alles das, was Menschen nicht waren.
Und Martha wurde damit infiziert. Sie glaubte irgendwann, dass sie nur schön war, wenn sie es in den Augen von Toma war.

Sie nahmen ihr ihr Haar und ersetzten es mit Hautlappen. SIe nahmen den Menschen aus dem Schrank die Hände und setzten sie an den Körper meiner Schwester. Fremde tote Finger, die die Brüste und Schenkel meiner Schwester bedeckten. Tiefe rote Striemen wurden in ihre Haut gedrückt und Knochen als Applikationen in ihre Haut gesetzt.
Sie war ein Monster, doch sie war glücklich damit. Sie war Tomas Muse geworden und ihr einziger Daseinszweck war es, ihnen zu gefallen.

Welches Mädchen empfand das nicht so? War nicht jede Frau dazu da, dem Mann zu gefallen und ihm zu dienen und Kinder zu geben?

Doch Toma war kein Mann, nicht im Sinn wie ich einer bin oder ein harter Schlägertyp einer ist, denn besonders männlich würde mich manch anderer Mann auch nicht nennen.
Toma sah oft aus wie einer. Vor allem nach ihrem Absturz. Oh unser Engel fiel und zerbrach dabei, aber bildete sich neu. Doch ich greife erneut vorweg.
Toma war auf jeden Fall kein Mann. Sie besaßen kein Glied und sie konnte ohnehin jede Gestalt annehmen die sie wollten. Mann, Frau, jung, alt…menschlich oder monströs, es stand ihnen frei. Sie waren ein Formwandler. Daher schreibe ich auch über sie in einer Mehrzahlform. Vor allem da sie sich auch nicht als allein wohnend in ihrem Körper betrachten. Doch auch das wird zu komplex.

Lasst mich für den Moment sagen: Martha liebte Toma, sicher auch wie eine Frau ihren Mann liebt, doch das beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Toma liebt nicht. Niemanden. Entweder sind sie nicht dazu in der Lage oder was wahrscheinlicher ist, wehren sie sich dagegen.
Denn ich glaube durchaus, dass es verschiedenen Arten der Liebe gibt und dass auch Toma einige davon empfand. Allein die Liebe zur Kunst musste sie angetrieben haben und wenn Martha ihr Kunstwerk war, dann liebten auch sie sie. Ob Martha das genug war? Sie schien zumindest glücklich. Während ich das Leben so hinnahm wie es war, wollte sie immer noch mehr.

Oh Martha…sie haben sie fallen lassen. Arme Martha. Sie verlor eines nachts Toma. Toma war gefangen genommen und in Starre geschlagen worden und sie hatte ihnen beigestanden, hatte jede Nacht an ihrem Lager gelegen und gehofft, dass sie wieder erwachen würden, doch das taten sie für über einen Monat nicht. Was dazu führte, dass Marthas Blutsband abschwächte und sich Alain,Tomas Bruder, ihrer bemächtigte. Er fütterte sie und die anderen Ghule, um sie am Leben zu halten, doch das band sie auch an ihn. Plötzlich liebte sie Alain. Natürlich vergaß sie Toma nicht einfach. Wie könnte sie, doch Toma musste sie dort zurücklassen. Wie hätten sie ihr vertrauen können? Selbst wenn Martha ihnen noch immer loyal war, so würde ein Befehl Alains reichen und sie würde ihn ausführen.
Martha war verloren.

Alain gab sie eines nachts wieder frei und sie kehrte zurück, doch ihre Beziehung und ihr Vertrauen war beschädigt. Toma zog sich von ihr zurück und das war das Ende von Martha. Sie hatte ihren Nutzen verloren. Sie hatte das nicht verdient. Sie war in die Hände zweier Kreaturen gefallen, die sie benutzt hatten und obschon sie sich nur nach Liebe gesehnt hatte, hatte das ihr Ende besiegelt.

Ich weiss nicht ob Toma es je bereut hatte oder um sie getrauert, doch sie fällten die Entscheidung, als sie es mussten, Martha zu opfern.

Sie verbrannte…so wie der Rest meiner Familie und allein dafür hasse ich Toma etwas, doch es war auch nicht ihre Entscheidung. Der Seneschall befahl es und auch Toma war nur ein Spielstein auf einem größeren Brett. Das weiss ich und doch kann ich das Gefühl nicht verwerfen, dass es ihre Schuld war.
Martha wäre perfekt gewesen für das was nun mit mir geschieht. Sie hätte sich bereitwillig gegeben und dabei Glückseligkeit empfunden.
Liebe ist gefährlich. Das ist auch der Grund, warum Toma sie ablehnt. Sie macht dich abhängig.
Liebe ist generell ein schwieriges Thema, nicht nur für Toma, vor allem für uns Ghule.


Liebe
Als wäre es nicht schwierig genug, wenn man plötzlich ein Begehren für einen augenscheinlich männlichen Körper empfand, was man nie zuvor verspürte, schlimmer war es, wenn diese gewünschte Nähe dann nicht erwidert wurde.

Ich habe Toma nie berührt, außer um ihren schlafenden Körper zu sichern, und jetzt bin ich ihnen so nah wie nie zuvor. Wie niemand der anderen Ghule jemals war und jemals wieder sein wird, hoffe ich.
Ich war jedoch Tomas Kind nah. Filip bzw. Paolo, war ganz anders als Toma. Etwas das sie auch gar nicht mochten. Nicht gewollt hatten. Filip war ein Experiment gewesen, wie so viele. Nicht mehr wert als ein Tier. Doch das Schicksal gab ihm eine Chance. Er lebte länger als es ihm hätte vergönnt sein sollen. Ich verachtete ihn zunächst. Er war schwach, obwohl er älter war als ich noch. Einer der ersten Diener Tomas hier in Genua. Nach meinem Vater und Mutter. Er war naiv, aber auch weil er nie so nah mit der Dunkelheit gelebt hatte wie ich. Vielleicht war ich einfach auch neidisch, dass ihm mehr das Leben im Licht, mehr Freiheit vergönnt gewesen war. Doch für eine lange Zeit war er in meinen Augen mehr eine Beleidigung. Ich hatte so viel getan für Toma und doch war es Filip der ein Vampir werden durfte. Wie ich schon schrieb sehe ich es mittlerweile nicht mehr als erstrebenswert an, doch damals emfpand ich es als ungerecht. Wurde meine Arbeit nicht gewertschätzt? Heute weiss ich, dass Filip es nicht besser hatte. An ihn wurden Erwartungen gestellt die noch höher waren als meine, vor allem weil er kein gewolltes Kind war, nur ein Werkzeug für Tomas Zwecke. Er musste Risiken eingehen, die weit schlimmer waren als alles, was ich riskieren musste. Er musste sich fast allein in einer Welt zurechtfinden in der er niemanden hatte, der ihn wahrlich verstand. Wir waren die einzigen die ihm beistehen konnten, doch wir waren keine Freunde. Wir teilten alle ein Schicksal, doch wir waren auch alle wie Geschwister, die um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern buhlten. Eifersüchtig aufeinander.

Wir sind nun vier Ghule und ein Pferd und für einige Jahre nun ist Filip plötzlich für unser Überleben zuständig. Nicht nur muss er sich nun selbst ernähren, wo er vorher von Toma gefüttert und ausgehalten wurde, nein nun muss er auch noch uns Ghule mit seinem Blut ernähren. Wir helfen ihm. Denn es geht ja auch um unser Leben. Sein Blut ist unser Leben.

Das war es auch was mich ihm näher brachte. Das Blutsband. Ich liebe ihn. Denn noch immer trinke ich sein Blut. Ich liebe ihn, doch ich respektiere ihn nicht. Ich respektiere Toma, ich fürchte Toma. Ich bin gebunden an Toma, wenn auch nicht mehr durch Blut. Sie waren für so viele Jahrzehnte mein Leben, wie könnte es jetzt einfach vorbei sein? Alles was ich bin und was ich tat, drehte sich um Toma und tut es noch immer, nun sogar noch viel mehr.

Anders als Toma, war Filip jedoch zugänglich für Nähe. Wärme. Zärtlichkeiten. Intimitäten. Es gefiel ihm und irgendwie auch nicht. Es war wie alles, was uns seit Kindheit eingebläut wurde, ambivalent.. Es war falsch, doch warum fühlte es sich dann gut an? Am Ende war es eigentlich auch egal welcher Körper es war. Das hatte ich durch Toma gelernt. Entscheidend war die Seele darin. Filip war sich auch sehr unsicher damit. Er sah es als falsch an, aber er hatte auch viele Jahre in einem Kloster gelebt und Liebe für ein Wesen empfunden das weder Mann noch Frau war und wer meinte, dass Mönche wirklich enthaltsam lebten, der irrte. Sie bereuen es mitunter und geißeln sich danach, doch es geschieht dennoch.

Filip hat nun nicht nur mich. Wir sind vier Ghule, alles Männer, die nun nach seiner Liebe, seiner Aufmerksamkeit gieren. Die ihn umschwärmen wie Hunde ihr Herrchen oder ein Schwarm Fliegen einen Haufen Scheiße, sobald er einmal in unsere Nähe kommt.. Wir alle sehnen uns nach Nähe, die wir vor allem von Toma nie erhalten haben und die Intensität, die ein anderer Mensch geben kann, der dasselbe Schicksal kennt, ist umso stärker, als irgendeine Bekanntschaft von der Straße oder Kneipe.

Der einzige, der sich nie zu einem unsittlichen Verhalten hinreißen ließ, war Nevio. Doch er war in seiner Rolle als Engel so sehr aufgegangen, dass er vermutlich wirklich glaubte nun einer zu sein und welcher Engel geht der Unzucht mit Menschen nach? Ich bin mir nicht mal sicher, ob er dafür überhaupt in der Lage wäre oder ob Toma ihm auch seine Männlichkeit nahm, denn ich hätte doch angenommen, dass Engel kein Geschlecht besäßen. Nun sollte ich vielleicht erst einmal erklären, wer Nevio ist.
Nevio
Nevio war ein weiteres Experiment meiner Herrschaften. Ein Engel. Oh er ist wunderschön. Mit vier Paar Flügeln, groß und weiss, mit Augen zwischen den Federn, die aus goldgelben Iriden schauten. Ich glaube er kann dadurch nicht sehen, aber es sieht beeindruckend aus. Sein Körper ist perfekt. Sehnig, proportional perfekt, glatt, weiss, makellos. Selbst wer nie ein Verlangen nach einem Mann hatte, würde ihn berühren wollen. Welcher Mensch würde keinen Engel berühren wollen? Sein Haar war von hellem blond und die Augen im Gesicht ebenso golden wie die anderen. Er hatte die Mönche im Kloster sofort vor seinen Füßen und seine Existenz hat uns große Vorteile gebracht. Ein guter Zug meiner Herrschaften. Die Mönche beschützen uns nun, halten Nevio, Filip und uns Ghule geheim. Glauben, dass wir Diener und Gesandte Gottes seien. Ich weiss nicht wie Nevio damit klar kommt diese Flügel zu tragen. Er kann sie sogar ein wenig bewegen, aber nicht damit fliegen.Er sitzt oft im Klostergarten und kümmert sich um die Blumen und Gemüse und betrachtet die Schmetterlinge. Oft wirkt er weggetreten. Ich fragte ihn vor ein paar Wochen, wie es ihm gehe. Er meinte er sei traurig, dass sein Schöpfer so verletzt wurde und er ihn nicht sehen konnte, doch solange er noch existiere wäre alles gut. Wenn es ihnen wieder gut ginge, vielleicht könnten sie dann machen, dass er wirklich fliegen könnte. Denn würde einmal wieder gern die Welt sehen. Ich sagte ihm, dass er womöglich selbst, wenn er fliegen könnte nicht das Kloster verlassen könnte. Das wäre zu gefährlich. Da sagte er nichts mehr. Ich weiss nicht ob er bleiben wird. Womöglich solange es Filip ihm befiehlt, aber wer weiss, irgendwann könnte er versuchen zu gehen, doch wie weit würde er kommen ohne das Blut? Er würde auch altern und sterben. Ich würde ihn nicht aufhalten. Tomas Ruf war ohnehin nun ruiniert. Was würde es noch ausmachen, wenn ein Bruch der Stille dazu käme.
Wenn Toma wieder da sein wird…wenn ich tot sein werde, dann werden sie nie wieder Toma sein können in dieser Domäne, dann müssten sie gehen oder eine neue Identität annehmen. Ich wünsche mir irgendwie, für Nevio, dass sie gehen, dass sie gemeinsam sich eine neue Heimat suchen. Ich hoffe, dass Nevio kein fehlerhaftes Experiment sein wird, dass abgelegt wird, wie Martha. Doch wenn, dann wird er hoffentlich ein Engel im Himmel werden.


Experimente
Toma hatte viele Experimente an Menschen durchgeführt. Viele waren so unschuldig gewesen. Toma machte keinen Unterschied zwischen gut und böse. Sie nahmen sich, wen sie wollten und wer verfügbar war. Und wenn sie ihren Dienst getan hatten, starben sie. Oder starben in der Ausübung ihres Dienstes. Die Ursii und Cerbs.
Bären und Rehe, bedeutet es in der Sprache der Slaven. Sie waren Ghule allein dafür geschaffen zu kämpfen. Toma zu beschützen. Sie waren Schläger und Messerstecher gewesen, kleine Ganoven. Man könnte also sagen, dass sie so starben wie sie gelebt hatten…doch da gab es auch Gandac…ein Wesen geschaffen aus zwei Männern. Eigentlich sollten es drei sein, aber einer starb.
Es war ein Tier im besten Sinne, ein Monsturm im Schlechtesten. Es verstand noch unsere Sprache, doch es konnte sich selbst nicht mehr artikulieren. Gandac besaß den Rumpf von zwei Männern, doch nur einen Kopf. Es war unfassbar, wie Toma das geschafft hatte, doch beide Körper lebten und bildeten Gandac. Eine Kreatur mit vier Beinen und zwei Armen. Es waren Unschuldige gewesen, die an Toma verkauft worden waren. Sklavenhandel war hier normal. Ein lukratives Geschäft. Ein Menschenleben ist nur so viel wert wie jemand bereit ist dafür zu bezahlen. Ich habe es selbst getan. Mit Menschen gehandelt. Doch wir handeln nicht mit Christen. Diese Männer waren keine Afrikaner oder Slaven, ich weis nicht wo sie her gewesen waren, aber es waren Christen, dessen bin ich mir sicher.

Doch der weltliche Glaube schien Toma nicht zu kümmern. Sie sahen sich als von Gott auserwählt, aber eben nach anderen Regeln lebend als die Menschen.
Gott wollte was sie taten, also war es Gott auch egal, wer dabei starb. Und man muss sagen, so ist es, oder warum streckte er Toma nicht sogleich nieder?

Nein, Toma schuf Gandac und Gandac wurde wie eine Art Wachhund an einer Kette gehalten. Martha hatte damals versucht sich um ihn zu kümmern, ihm Anteilnahme teil werden zu lassen. Es war gefährlich. Gandac attackierte sie, doch sie ließ sich davon nicht abbringen, sie hatte keine Angst. Sie dominierte ihn und er folgte ihr.
Toma brachte viel hervor. Unfassbares, hässliches und wunderschönes. Wenn sie das hier lesen würden, würde ich dafür sicher Schläge bekommen, dass ich etwas ihrer Schaffenskraft als hässlich bezeichnete, doch ich kann es nicht genauso sehen wie sie. Gandac. Ursii, Cerb. Das waren mehr Funktionalitäten gewesen, keine Schönheit. Auch Martha nicht. Nevio hingegen war schön. Tomas unzählige menschliche Antlitze waren schön. ihre Körperverzierungen, das glatte seidige Haar. Vor allem wenn sie eine weibliche Erscheinung wählten.
Neben Menschen war es aber auch Toma selbst, an denen sie forschte. Sie erprobten ihre eigenen Grenzen, die Grenzen ihres Körpers und des Todes.

Einst versuchten sie einen menschlichen Arm an sich anzubringen als zusätzlichen dritten Arm, doch er verweste. Mutter hatte ihn damals festnähen müssen und sie hatte danach nur gezittert. Schlimmer noch wäre es aber gewesen ihn am Ende entsorgen zu müssen. Das war der Arm eines Menschen gewesen, aufgedunsen, von Maden bevölkert, ekelerregend riechend. Sie musste sich übergeben.
Toma hatte sich auch Rüstungsteile aus Knochen gefertigt, eine Krone aus solchen. Sie hatten keine Organe mehr, waren hohl im Inneren bis auf einen Magen, Lunge und Herz, sagten sie und zeigten es mir auch.
Toma sagte mal, am Anfang beginnt es mit einem selbst. Wer nicht bereit ist, sich selbst zu ändern und den Schmerz zu ertragen, der kann auch nicht erwarten, dass es andere für ihn tun.
Dafür respektiere ich sie irgendwie. Dass sie konsequent sind. Dass sie nicht nur anderen Schmerz zu fügten, dass sie ihn selbst spürten, spüren mussten. Sie wissen um das, was sie den Menschen antun. Sie kennen das Gefühl, den Schmerz, die Hilflosigkeit. Man könnte sagen, es wäre extra grausam, dass sie es dennoch tun, dass sie kein Mitleid kennen.

Doch Toma kennt Mitleid. Sie mögen es nur nicht besonders.


Ihr Wandel
Eines nachts war Toma verschwunden. Wir suchten überall nach ihnen, in jeder Zuflucht, aber sie waren weg. Ich wurde wahnsinnig vor Angst. Was sollte ich tun? Was würde geschehen, wenn sie nicht wieder kämen? Wenn den Guhlen das Blut ausging? Wenn andere Vampire kämen?
Ich wartete und suchte, ich hoffte, sie würden wieder auftauchen. Immerhin spürten wir, dass sie nicht verloren waren, dass sie noch existierten. Tief in uns wussten wir das.

Und dann eines nachts, etwas über einen Monat später, ging die Türe auf und ein fremder Mann stand im Wohnzimmer. Jedoch wussten wir instinktiv, dass es Toma war. Es war ein Wissen über das man nicht nachdenken musste. Wir wussten es einfach. Nur dass die Person die da herein kam, nicht aussah wie Toma. Das monströse Aussehen war verschwunden, die Reißzähne die breiten Lippen, die Stacheln. Ihr Gesicht war menschlich und männlich und sogar gutaussehend.

Aber sie fauchten uns an und verschwanden mit schnellen Schritten und einem Krachen der Türe in ihrem Zimmer. Mutter lachte hysterisch. Sie hielt es für göttliche Ironie. Dieses Monster, dass sie, die Menschen so verabscheute, war nun selber einer. Nicht wirklich natürlich. Sie waren nicht plötzlich wieder sterblich und lebendig geworden, doch ihr Aussehen war wieder menschlich, durch und durch.

Es war gar nicht zu fassen, dass wir dieselbe Person vor uns hatten, doch es war so.

Martha war zu ihnen gegangen und hatte gefragt was geschehen sei.

Sie sagte uns später, dass Toma sich nicht würde zurückverwandeln können. Dass sie jetzt so aussehen müssten, warum, das sagten sie jedoch nicht. Jemand zwang sie dazu, das war klar. Sie hätten das nie freiwillig getan. Das ließen sie uns und jeden anderen auch immerzu spüren. Ab dieser Nacht waren sie verbittert und noch hasserfüllter als vorher schon. Zuvor waren sie begeistert gewesen. So voller Tatendrang. Nun waren sie von tiefer Trauer und Selbstmitleid erfüllt.

Für einige Nächte tranken sie auch kein Blut mehr.
Kein Blut, was wir ihnen brachten wurde angefasst. Sie hungerten und wir wussten was geschehen würde wenn sie zu großen Hunger bekämen. Wir flehten sie an zu trinken. Und wir flehten sie an uns Blut zu geben. Martha, Vater, Mutter, die anderen, sie würden alle sterben.
Es war das erste mal dass ich sie so sah. Dass ich sie gebrochen erlebte. Der große arrogante mächtige Vampir, der uns Menschen bewegte wie Marionetten, lag zerbrochen am Boden.
Sie hatten sich verloren.

Sie waren nicht mehr sie selbst. Sie waren nicht nur jemand anders. Sie waren ein Mensch. Und das war für sie der Inbegriff von Schwäche und Hilflosigkeit und Abschaum. Sie hatten ihren Stolz verloren, nur weil sie ihr Aussehen verloren hatten.
Toma war nicht mehr Toma. Sie waren jemand anderes und das ohne ihren eigenen Willen, damit konnten sie nicht umgehen. Ihr Aussehen war eine Widerspiegelung ihrer Seele gewesen und nun warf dieser Spiegel ein anderes Bild, das nicht mehr im Einklang mit der Seele resonierte wie zuvor.

Sie verachteten sich selbst mit solcher Inbrunst, dass sie sich Nacht für Nacht das Gesicht mit den Händen und Messern zerrissen, nur um in der nächsten Nacht wieder geheilt zu erwachen.
Ich verstand nicht warum sie sich nicht einfach ihr altes Aussehen wieder herstellten. Doch mittlerweile weiss ich dass es an einem Blutsband lag.
Toma war genauso gebunden an einen anderen wie wir an sie. Sie war nicht besser als wir und das wurde ihr deutlich und das fraß sie innerlich auf.

Dieser Moment war es der mich und auch vor allem Martha noch mehr an Toma band. Ihre Schwäche zu erleben, war, als würde uns selbst eine Last von den Schultern genommen werden. Sie waren nicht perfekt. Sie waren ebenso ein Opfer anderer, wie wir ein Opfer von Toma waren. Sie waren hilflos.

Vielleicht hatte Toma das nie vorher erlebt. Hilflos zu sein, was es so schwer für sie machte, damit zu leben.

Schließlich standen sie aber wieder auf. Von dem Boden und traten wieder in die Welt hinaus. Traten ihrer Grausamkeit entgegen. Doch sie versteckten sich weiterhin hinter der Maske, die sie trugen. Nicht mehr, weil sie die Menschen vor ihrem wahren Anblick bewahren mussten, sondern aus Scham.

In diesem Moment entstand etwas in Toma, das man Mitleid nennt. Wo es der eigene Schmerz der frühen Experimente nicht geschafft hatte, ihr Mitleid zu entfachen, so war es der einfache Umstand gewesen, sich selbst zu verlieren. Den eigenen Stolz, die eigene Macht. Hilflosigkeit zu fühlen. Und von da an wurden die Experimente weniger. Sie verschwanden nicht, doch es gab keine Kreaturen mehr. Keine Gandacs, Ursii und Marthas. Sie fanden einen neuen Fokus. Den eigenen Geist. Sie hatten ihre eigene Schwäche erlebt und auch wie sie damit umgegangen waren. zerbrechlich anstatt erstarkend. Sie mussten sich neu finden und der erste Schritt dazu war es zu akzeptieren, wer sie nun waren und dass sie Schwächen hatten.
Es war auch eine Nacht in der sie mit einem anderen Vampir sprachen, in der sie sich auch anschrien, als sie danach plötzlich gelöster schienen und mit einem Mal, war die alte Arroganz wieder da. Die Selbstsicherheit.

Sie waren zurück.

Doch es war nicht das letzte Mal, dass sie unterlagen. Dass sie verschwanden und sogar in Gefangenschaft gerieten. Ich erwähnte es bei Martha bereits. Es geschah dann schon beinahe regelmäßig. Wir wussten irgendwann damit umzugehen.

Die Gesellschaft der Vampire ist eine Schlangengrube und es geschieht schnell, dass sie einander an die Gurgel gehen und wenn Vampire kämpfen, dann bis zum Tod oder in ihrem Fall: eine Starre. Manchmal auch bis zur Vernichtung. Sie können sich nicht immer kontrollieren. Es ist ihre Gier nach Blut und Grausamkeit. Es ist wie eine Manifestation. Wenn sie richtig wütend oder ängstlich sind, dann lassen sie das alles zurück, was noch irgendwie menschlich an ihnen ist und werden zu Tieren. Im Verhalten, nicht optisch, obwohl auch das nicht immer ausgeschlossen ist. Man kann sie dann kaum noch aufhalten, außer ihnen einen Pflock durchs Herz zu jagen.

Es ist also nicht so einfach. Die Vampire sind keine Monster per se aber auch keine Machthaber. Sie sind Opfer ihrer Väter und Mütter, ihres Schicksals, ihres Fluches oder Segens, wie auch immer man es nennen mag. Sie kämpfen jede Nacht ums Überleben, so wie wir am Tag. Und nicht jeder hat eine Wahl. Sie werden auserwählt, so wie wir zu Ghulen auserwählt werden. Sie werden in ein neues Leben geboren, wie ein Neugeborenes, nur dass sie schon viele Jahrzehnte alt sind mitunter.
Sie haben Erzeuger, die sie Väter und Mütter nennen, obschon sie nie von ihnen wirklich geboren wurden. Ich weiss gar nicht, wie die Beziehungen zu einander sind. Lieben sie sich? Oder haben die Kinder einfach nur einem Zweck zu folgen. Einem Befehl?
Ist es bei den Menschen denn anders? Manche Kinder sind dazu da, zu arbeiten, das Geschäft fortzuführen und den Erwartungen der Eltern zu entsprechen.
Ich war ein Vater einst und doch keiner.


David
Es war ein monatelanger Prozess gewesen. Toma hatte zwei Frauen entführt gehabt und wies mich, Vater, die Ursii und Cerb...ich bin mir nicht mehr sicher, wer alles dabei war, aber wir wurden dazu angehalten, die Frauen zu schwängern. Toma wollte, dass ein Kind entstand, dass sogleich vom Blute auf zu ihnen gehören würde, an sie gebunden sei.

Vater und Mutter hatten nach uns nie wieder Kinder bekommen, das war ihnen wohl aufgefallen, Wie sich durch das Ganze herausstellte, waren Ghule unfruchtbar, sowohl die Männer als auch die Frauen.

Ich jedoch, war kein vollwertiger Ghul zu diesem Zeitpunkt und so zeugte ich mit einer der gefangenen Frauen einen Sohn. David.

Ich konnte mit ihm damals nichts anfangen. Ich hatte das nicht gewollt. Ihn nicht gewollt. Ich wollte keine dieser Frauen schwängern und schon gar nicht es bei meiner Mutter und Schwester versuchen. Aber es war wie es war und am Ende gab es David.
Seine Mutter wurde zu einer Blutgeberin in Tomas Herde. Ihr restliches Leben festgekettet in einem Raum lebend, der von fünf anderen ebenso bewohnt wurde. Ich kümmerte mich um sie, um sie alle. Wusch sie, reinigte ihre Lager und Eimer. Sie starb, wie sie alle irgendwann am ständigen Blutmangel starben.
Spüre ich Reue deswegen? Nein. Ich hatte keine Wahl. Ich tat, was mir befohlen wurde.
Für mich war sie auch nicht mehr als eine fremde Frau gewesen..

David war für mich jedoch auch nicht mehr als dieses Kind, das entstanden war. Er wuchs bei meinen Eltern auf und ich sah ihn nur einmal die Woche.
Er stieß mich irgendwie ab. Ich konnte ihn nicht hoch nehmen oder mit ihm spielen. Sohn bedeutete nichts für mich. Erst später, erst als er ein junger Erwachsener war, intelligent und ambitioniert, verspürte ich Stolz. Doch welchen Anteil hatte ich schon daran? Ich hatte ihn nicht so erzogen. Vater und Mutter waren das gewesen. Ich hatte ihm einst mal ein Spielzeugtier geschnitzt und das ist das einzige, was ich noch von ihm habe. Was ich retten konnte aus den Trümmern unseres alten Hauses, nachdem sie alle verbrannt worden waren.
Er hatte das nicht verdient, keiner von ihnen hatte das verdient, aber er besonders nicht. Er war ein unschuldiges Kind gewesen, ein wissbegieriger Jugendlicher und ein guter Medicus als Erwachsener.

Warum hatte ich nie etwas für ihn gefühlt vorher? Warum erst dann, als ich ihn verlor? Dann, wenn es zu spät war?
War es das Blut? Machte mich Toma so? So kalt? Oder bin das einfach ich?
Ich weiss, dass auch Toma Gefühle hat.
Allen voran Hass und Arroganz, aber auch Schmerz und Reue. Aber sicher auch so etwas wie ein Familiengefühl. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie hätten es vermutlich Besitz genannt.
Doch am Ende bedeutete das, dass niemand uns etwas tun durfte, ohne ihren Zorn zu wecken.
Die Menschen, die meine Familie verbrannten, sind nun alle tot, auch getötet von Toma, auch wenn sie nicht alle erwischen konnten.

Das war auch etwas, was sie waren. Nicht nur grausam, arrogant und von Hass gegen Menschen erfüllt. Sondern auch gerecht. Jedoch waren sie nicht nett. Menschenleben bedeuten ihnen einfach nichts. Dafür waren sie schon zu lange ein Vampir vermutlich.

Und so bin ich auch. So lange habe ich mit kaltem Blick auf die Menschen unter meinem Schutz geblickt. Die Herde, die Sklaven, die Wachen, die anderen Ghule. Sie waren alle nur Werkzeuge, so wie ich eines bin. Das ist unser Leben.

Doch es ist kein schlechtes Leben. Nicht für mich zumindest. Gandac hätte sicher widersprochen, die Ursii vielleicht. Mama sicher. Doch Martha, Vater, Rinaldo, Filip, Nevio, sie vergötterten und vergöttern noch immer Toma. Sie alle haben ein Leben erhalten, das sie ohne sie nie hätten haben können.

Filip war stumm gewesen. Ihm wurde von einem Kriminellen die Zunge herausgeschnitten. Rinaldo war ein verkrüppelter Holzfäller gewesen. Toma hatte ihm wieder das Laufen ermöglicht, Filip bekam wieder eine Zunge. Es waren Wunder, die kein Mensch vollbringen konnte. Sie hatten sie auch aus der Armut geholt. Wie könnten sie also nicht glauben, dass sie ihr Erlöser sei.
Ich weiss jedoch, dass Toma nie aus Nettigkeit handelt. Sie gaben Filip keine Stimme, weil er darunter litt, sondern weil sie sich damit seiner Dankbarkeit und Loyalität sicher waren.

Verachte ich Toma deswegen? Wegen allem? Ich sollte es vermutlich, doch ich tue es nicht. Ich weiss nicht. Vielleicht bin ich schon zu lange dabei. Zu lange gebunden gewesen. Doch ich hatte mich einfach mit meinem Leben arrangiert und hatte es zu schätzen gelernt.

Wenn ich sah, wie die Menschen in Clavicula lebten…da war es gut, wie es für mich war.
Und Toma war einfach kein Mensch. Sie waren, was sie waren und wie könnte ich mich dagegen stellen? Könnte ich das?


Eine gottgegebene Ordnung
Es gab eine Zeit, als die Menschen sich den Vampiren entgegenstellten. Die Vampirjäger waren eine Gruppe aus ehemaligen Ghulen gewesen, die nicht wie ich oder Martha ihrem Herren stets treu waren. Sie verachteten die Vampire für ihr tun, für ihren Zwang, doch sie nahmen gern die Unsterblichkeit von ihnen. Drehten den Spieß um. Nahmen die Vampire gefangen und lebten von ihrem Blut. Waren sie nun besser als die Vampire? Waren sie nicht genauso? Oder war es Gerechtigkeit? Gleiches Leid für alle? Auge um Auge, Zahn um Zahn?
Was war besser?
Ich kann ihren Wunsch verstehen, frei zu sein, doch wer ist wahrlich wirklich frei?
Wie ich bereits schrieb, sind sie mittlerweile tot. Es hatte ihnen also nichts gebracht.
Wenn ich eines seit klein auf gelernt hatte, dann dass es eine gottgegebene Ordnung gibt.
Die Könige und Grafen stehen über dem Pöbel und innerhalb des Pöbels stehen die Händler über den Arbeitern und die Handwerker und Kleinhändler über den Tagelöhnern.
Und am untersten Ende sind die Armen. Die, die nicht arbeiten können oder wollten.
Kriminelle, aber auch Krüppel und Waise.
Immerhin kümmert sich die Kirche um sie. Alle Menschen sind Gottes Geschöpfe, aber doch vergisst man die Untersten zu gern.
Und die Vampire, sie sind auch Gottes Geschöpfe und sie stehen über allen. Könige sind ihre Puppen und selbst unter den Vampiren gibt es eine Ordnung. die höchsten und die niedersten und sie ist so komplex, dass ich mir nicht mal sicher bin, sie völlig verstanden zu haben. Toma war im oberen Mittelfeld der Domäne. Ein angesehener Neugeborener, doch über ihnen gab es noch die Ancillae, über denen die Ahnen, über denen die Prinzen. und alle von ihnen sind eingeteilt in niedere und hohe Blutlinien.
Es gehört sich also nicht, sich zu erheben, wo man nicht hingehört. Ein Bettler ist kein König, ein König kein Bettler.
Ich habe den Zenit erreicht den ich erreichen konnte, ebenso wie Filip und die anderen. Dass ein Holzfäller Abt eines Klosters wurde, das war möglich, normalerweise mit viel Zeit und Arbeit im Kloster. Toma hatte die Zeit abgekürzt, bzw ihre Zeiten verlängert. Doch größer können wir nicht werden. So wie wir keine Vampire sein werden. Selbst Filip nicht. Wir sind Ghule, das ist unser Zweck, unsere Bestimmung.


Das Ende
Das war mein Leben, zumindest ein Teil davon. Viel ist noch geschehen und vieles in Vergessenheit geraten und heute sitze ich hier in einer kleinen Kammer, weit entfernt von der Stadt und weiss, dass ich mein restliches Leben verlieren werde. Hier werde ich sterben.
Mein Körper, mein Inneres hat bereits aufgehört zu leben. Kein Herz schlägt mehr in meiner Brust, keine Lunge zieht den Atem, kein Essen kann ich mehr zu mir nehmen. Ich sehne mich nach gutem Käse und einem herzhaften Eintopf. Ein Bier oder Wein. Doch egal was ich zu mir nehme, ich würge es wieder hervor. Mein Magen gehört nicht mehr mir. Er gehört jetzt Toma und sie lechzt es allein nach Blut.
So muss ich es nun trinken. Ich trinke es schon lange. Erst Ratten, dann Menschen…doch nebenbei konnte ich immer noch essen. Nun gibt es nur noch Blut und ich kann keinen Geschmack daran finden, außer Filips…die Vitae der Kainiten ist leider so genüsslich, wie kaum etwas, dass auf der Erde wächst oder wandelt. Das Blut einer Ratte hingegen…widerwärtig.
So geht mein Leben in Blut zu Ende.

So muss es auch sein oder? Wie sollte das Leben eines Dieners eines Vampires sonst aussehen, als in Blut getränkt?
Immerhin fühlte ich mich ihnen nun näher. Näher als je einer von uns je war.
Sie sind ein Teil von mir und ich von ihnen. Wir teilen uns ein Blut. Einen Körper und bald vielleicht einen Geist.
Dennoch habe ich Angst davor. Denn ich möchte noch nicht sterben. Wir könnten so viel wieder aufbauen und neu machen…doch ich werde nun kein Teil mehr davon sein. Nicht richtig.


Ich versuche jeden Tag meinen rechten Arm wieder zu bewegen, doch es tut sich nichts. Warum nicht? Wir teilen uns ein Blut, wir teilen uns diesen Körper, warum kann ich meinen eigenen Körper nicht mehr fühlen?
Ich hatte schon einmal versucht ihn abzuschneiden. Als ich merkte, dass ich ihn nicht mehr fühlen konnte, und die Angst immer mehr wuchs, dass es so weiter gehen würde. Ich hatte Toma gefragt, was mit mir geschieht. Sie sagten, nur dass sie mein Blut bräuchten und einen Teil meines Körpers. Einen Teil. Doch das war eine Lüge und ich versuchte sie los zu werden. Ich weiss nicht was ich mir wirklich dabei dachte. Wäre Toma davon gestorben? Was hätte dann Filip gesagt oder mit mir gemacht? Er wollte nicht, dass Toma starb. Wollte ich das denn? Nicht wirklich, aber ich wollte auch nicht sterben. Ich schnitt mir unterhalb der Schulter in den Arm. Ich konnte keinen Schmerz spüren, das machte es leicht, doch Toma musste es spüren und sie ließen es nicht zu. Obwohl es Tag war, waren sie erwacht und ihr Arm, mein rechter Arm packte meinen linken und brach ihn. Ich wusste gar nicht, dass ich eine solche Kraft hatte, aber es war ja auch nicht mehr mein Arm. Das war es dann. Ich konnte nichts mehr tun. Die Heilung dauerte Wochen und Filip ließ nicht zu, dass ich die Blutzufuhr unterband. So spürte ich schon wie immer mehr von mir starb. Wie Toma wie Eiseskälte durch meine Adern und Muskeln kroch. Näher zu meinem Herzen und Körpermitte. Wenn ich es noch einmal versucht hätte. Ich hätte mich nur selbst getötet und das...das war ja nicht der Sinn des Ganzen. Ich wollte Toma auch nicht aus Rache töten...ich will einfach nur nicht sterben.
Doch nun ist mein ganzer Rumpf bereits verloren…
Ich muss damit abschließen. Ich muss es akzeptieren, aber es fällt mir so schwer. Habe ich nicht lang genug gelebt?. Soll ich meinen Tod nun einfach so akzeptieren?

Ich dachte schon einmal ich würde nun sterben. Als sie meinen Rumpf übernahmen. Ein furchtbarer krampfhafter Schmerz überfiel mich, als mein Gekröse seine Funktion einstellte. Immerhin hielt er nicht lange, nur ein paar Wochen, aber danach ging es auf die anderen Organe über.
Der Magen ging schnell, hatte ich doch auch schon wegen den Schmerzen zuvor aufgehört zu essen und nur Flüssigkeiten zu mir genommen. Als es vorrüber war, blieb mir wie gesagt nur Blut.
Als sie mir mein Herz nahmen, dachte ich bereits, dass es das nun war. Doch nein. Ich bin immer noch da. Hier in diesem Kopf. Ich kann noch denken, sehen, riechen, schmecken, fühlen, hören…mehr als sie. Ich glaube Toma kann nur fühlen, mit meiner Hand.
Sie berühren mich oft. Es ist ein absonderliches Gefühl, wie die Hand eines Fremden, nur dass sie an meinem Körper hängt.

Vor allem als mein Rumpf noch meiner war, als mein Herz noch Blut hindurch pumpte, lag meine rechte Hand, also Tomas Hand, oft auf meinem Bauch und Brust. Sie fühlten gern die Wärme, sagten sie…Nun schrieben. Toma konnte nur schreiben in eine Wachstafel und es über das eingedrückte Relief lesen, was ich ihnen antwortete. Ich kann es immer noch nicht ganz fassen, meinen Körper mit ihnen zu teilen.

Mit Toma. Ob sie das eigentlich verabscheuen? In einem Menschen zu stecken? Ich schrieb bereits über Tomas Problemen mit Hilflosigkeit. Ich weiss nur nicht ob sie es wirklich mittlerweile überwunden haben.

—-
Ich habe Kopfschmerzen. Schon seit zwei Tagen. Ich glaube es beginnt. Toma bemächtigt sich meines Kopfes. Was ist darin? Was wird geschehen, was aus mir werden?

Ich möchte sie nicht mehr haben. Es zerreisst mich wahrlich innerlich. Sie fressen mich. Es schmerzt und ich verabscheue sie.

Ich dachte ich wäre in Ordnung damit mein Leben zu geben. Ich hatte es nie als etwas besonderes empfunden, doch je mehr mein Leben stirbt, desto mehr erkenne ich, dass ich dafür noch nicht bereit bin.

___
Heute habe ich Toma geschrieben, dass ich Angst habe zu sterben. Sie schrieben, dass das nicht sein muss. Dass meine Seele in meinem Blut wäre und nun also auch Teil von ihnen. Dass ich vielleicht nicht verschwinden werde…aber was wenn doch? Und was wenn nicht? Möchte ich für alle Ewigkeit in Tomas Körper leben? In einem Körper, den ich selbst nicht kontrollieren kann? Als Zuschauer? Bewegungslos und hilflos auf etwas zu reagieren? Warum sollte ich das wollen? Ich fühle bereits wie es ist. Langsam werden meine Beine taub. In wenigen Wochen werde ich nicht mehr laufen können, doch dafür Toma. Ein Geist der nicht sieht, wohin er geht und einer, der alles sieht, aber sich nicht bewegen kann.

Wir könnten eins sein, aber ist das nicht genauso wie tot zu sein? Wäre es nicht besser tot zu sein? Zu verschwinden? Aus diesem Leben und dieser Qual? Vielleicht wird mich der HERR im Himmel willkommen heißen. Da wäre es doch besser. Aber ach…was wenn mich doch die Hölle erwartet, wie Mutter immer gesagt hat?
Ich kann nicht mal in die Kirche gehen am Tage. Ohne ein Gefühl in meinem Rumpf, sacke ich immer zusammen. Selbst wenn ich meine Beine noch bewegen kann, so kann ich mich nicht aufrecht halten.
Nur nachts, wenn Toma mit wach ist, können wir gemeinsam gehen. Dann fühlt es sich fast normal an.

Wir gehen dann oft hinaus und Toma berührt die Erde und das Gras und eigentlich alles Mögliche, was sich um uns befindet. Sie haben keine andere Möglichkeit, mit der Welt zu interagieren.
Sie berühren auch gern Filip. schon beinahe zärtlich möchte ich meinen. Es macht mir nichts aus. Wir haben dasselbe Gefühl. Zumindest ich verehre Filip plötzlich auf dieselbe Weise wie ich früher Toma verehrt habe. Ich bin ihm gerne nah und es mag Toma auch genauso gehen, auch wenn sie nicht gern darüber sprechen. Immer wenn ich nach Filip frage, schweigt sich Toma aus. Ich weiss jedoch, dass sie auch von dem Blutsband beeinflusst sein müsste und er ist ihr Kind.Sie fühlen etwas für ihn und das wollen sie vermutlich nicht.

Wenn Filip meinen Arm streichelt, der nicht der meine ist, dann fühle ich sogar etwas wie Eifersucht. Es bin nicht ich, nachdem sich Filip sehnt, es ist Toma und wenn ich Filip berühre, dann reagiert er nicht wirklich. Nicht so wie auf Toma.

Dann hasse ich sie noch mehr.
Sie nehmen mir alles. Mein Leben, mein Körper, meine wenigen Freuden eines Menschen und die Möglichkeit auf Liebe und Zuneigung.


Ianos - der Zweigesichtige
Es gibt eine Legende über einen römischen Gott. Janus, der Zweigesichtige. Noch nie war Tomas gewählter Name so passend wie heute.

Ich bin auf einem Auge blind geworden, dafür können sie nun sehen. Sie sind zurück aus der Dunkelheit, wie sie mir sagten und mit einem Mal wurde die Gefahr meines Ablebens noch realer. Ich weiss, es passiert die ganze Zeit, doch nun brauchen sie mich nicht mehr. Das ist der Moment, an dem ich unwichtig werde.Sie können nun selbst überleben. Sich bewegen, greifen, schreiben, lesen…Oh, ich muss dies verstecken…

Nicht gut genug.
Ach Johann. Es tut uns Leid ob deines Schmerzes. Du glaubst wir verspüren kein Mitleid, doch gerade jetzt, wo wir eins sind, wo wir die Seiten tauschen, verstehen wir besser als jeder andere, was dich erwartet. Ewige Dunkelheit und Stille und sie ist erdrückend, sie ist überall. Du weisst nicht mehr wo die Zeit ist. Wie lange du schon so lebst. Es ist als wäre die Welt zusammengeschrumpft. Es gibt nicht mehr als das was du berühren kannst. Und das wird dann alles für dich. Glaube uns, wenn wir dir sagen, dass wir wissen, wie du dich fühlst. Dass wir deine Angst verstehen. Und wenn wir es ändern könnten, wenn wir beide überleben könnten, würden wir es tun.
Glaubst du, wir verlieren dich gern?


Ich sagte dir, dass du nicht sterben musst. Du kannst bei uns bleiben. Ein Teil von uns sein. Vielleicht wirst du wieder sehen können.


Vielleicht…ist nicht gut genug. Vielleicht bedeutete nichts. Vielleicht kann auch eine Ewigkeit in Dunkelheit bedeuten. Ich habe bereits eine Ewigkeit in der Nacht für euch gedient…Einmal, nur einmal in meinem Leben will ich es selbst bestimmen…Ihr wollt mich nur behalten, weil ich euch diene.

Diese Wahl hast du nicht. Wir wissen, dass wir dein Leben bestimmen, dass wir dich zwangen. Doch hast du nicht auch länger gelebt dadurch? Besser? hast du nicht Geld, Frauen, Luxus und Gesundheit erlebt?
Es ist den Menschen nicht vergönnt, für ewig zu leben.
Deine Zeit kommt nun.


Meine Zeit kommt, weil ihr…weil Laszlo es so entschieden hat. Ihr benutzt uns nur.

Natürlich. Ist das nun überraschend für dich? Du wusstest es schon immer. Du hast es geschrieben. Du hast es verstanden. Was hat sich geändert?

Was hat sich geändert, Johann?!

Ich weiss es nicht. Vielleicht ist es der nahende Tod. Ich…ich habe das Gefühl etwas verpasst zu haben. Etwas nicht getan zu haben in meinem Leben. Ich bin noch nicht bereit, mein Leben zu verlieren.

Du hast womöglich nur diese eine Wahl. Bleibe als ein Teil von uns oder verschwinde für immer. Ziehe ein, ins Himmelreich, willst du das nicht?

Aber was…was wenn ich nicht dorthin komme?

Zweifelst du daran, Gottes Werk getan zu haben?

Ich…ja…wenn ich ehrlich bin, ja. Ihr habt grausame Dinge getan…was ist, wenn Mutter recht hatte. Was, wenn ihr der Teufel seid?

Unsinn! Doch selbst wenn…dann hast du auch keine Wahl. Dann ist dein Schicksal bereits besiegelt. Dann kannst du daran nichts mehr ändern. Willst du dich gegen uns aufbäumen, Johann? Willst du kämpfen? Glaubst du wirklich, du könntest deinen Körper wieder zurück nehmen?
Du hast Filip geschworen, dass du uns beschützt, du kannst dich nicht gegen uns stellen.


Einmal. Nur einmal könntet ihr es mit Fürsorge und Liebe versuchen und ich müsste mich nicht aufbäumen. Doch das ist, wer ihr seid. Eine Kreatur, die sich alles unter die Klauen reißt, was sie haben will und dabei keine Gnade kennt. Nicht mal für jene, die immer treu waren. Ihr habt auch Martha einfach verbrennen lassen. Martha…sie, hat euch geliebt.
Andere habt ihr versteckt…aber Martha musste sterben?

Ja besser wäre es gewesen du wärst dabei gewesen, das sehen wir nun auch. Du hast recht. Martha hätte nie gezweifelt und gezögert in dieser heutigen Situation. Das bereuen wir. Sie an Lydiadas übergeben zu haben…das bereuen wir. Wir haben zu wenig gesehen, wer sie wirklich ist und dir zu viel zugetraut.

Nur weil ich kein blinder Diener mehr bin. Ach…was bringt es darüber zu streiten. Ich weiss doch mit wem ich es hier zu tun habe. Aber versteht ihr nicht. Versteht ihr nicht meinen Schmerz? Ist euch das wirklich so fremd? So egal?

Nicht fremd, aber egal, ja.
Wir könnten nicht tun was wir tun, wenn wir für jeden Menschen Mitleid empfinden würden, wenn wir danach handeln würden…Opfer müssen gebracht werden.
Du weisst das!


Ich weiss das…



Ich glaube ich werde verrückt…die Wand der Hütte hat sich bewegt, dann ist grünes Wasser daran heruntergeflossen.

Es ist dein Geist. Wir übernehmen deinen Geist. Du verstehst nicht mehr, was deine Augen sehen und malst es in deinem Kopf falsch.
Uns geht es genauso.


Ihr habt es auch gesehen?

Nicht die Wand, aber kleine Tierchen die über den Boden krabbeln.


Ah, deshalb habt ihr den Boden berührt.

Ja.

Wird es vorbei gehen?

Wissen wir nicht.



Heute morgen hat sich das Gras wie Rasierklingen angefühlt und ich dachte Mutter ruft mich.
Sie hat gesagt, dass ihr mich verschlingt…und das tut ihr…

Es ist eine Erinnerung. Das weisst du.

Vielleicht ist es aber auch ihr Geist.


Ich würde gern malen. Lasst uns Farbe kaufen.


Das sieht nach Wahnsinn aus, Johann.Das ist kein Abbild der Realitiät.

Es ist ja auch Wahnsinn. ich bin wahnsinnig. Ich verliere meinen Verstand…an euch.

Hilft dir das malen?

Nein. Aber es gibt mir etwas zu tun. Ich kann nicht herumsitzen und auf mein Ende warten. Zu wissen, dass es geschehen wird, ist schon schlimm genug.

Du warst immer sehr gewissenhaft und arbeitswütig. Du warst ein guter Mann, Johann. Glaube nicht, dass du den Himmel nicht verdient hast, nur weil du uns als Monster siehst.

… das ist das Netteste, was ihr seit Langem zu mir gesagt habt…

Wir sagten doch, dass wir Mitleid kennen. Du siehst jedoch nur das Schlechteste in uns. Oder anders, glaubst du, dass unsere Kälte ein Nachteil wäre. Dabei hilft sie uns schwierige Entscheidungen zu treffen.
Warum glaubst du plötzlich dahingehend anders zu sein? Du kennst die Kälte, die Abwehr. Du hast selbst geschrieben, dass dir das Leid anderer Menschen egal ist. Nun stelle dich nicht her und denke du wärst uns moralisch überlegen. Nicht du. Nicht ihr Menschen. Wir waren immer grausam, wie du es nennst, wir waren es als Mensch. Grausamkeit ist nicht durch uns Kainiten entstanden, auch wenn Kain der erste Mörder gewesen sein soll. Grausamkeit war immer Teil der Menschheit.
Dich kümmern andere Menschen nicht, du bist nicht nett und einfühlsam, Du zeigst Emotionen ebenso wenig wie wir. Doch plötzlich ist es anders, weil es dich selbst trifft.


Ich denke nicht nur das Schlechteste von euch. Ihr habt mir viel gegeben, das weiss ich…Ich…ich bin nicht undankbar, ich will es nicht sein, aber ich weiss auch, dass ihr es eben nicht aus Gutherzigkeit tatet.

Hättest du das denn?

Vielleicht.

Belüg uns nicht und dich selbst auch nicht.
Jeder nimmt sich in dieser Welt, was er will und kann. Man muss kämpfen, um nicht unterzugehen. Glaubst du die Almosen an die Armen von Clavicula bescheren denen irgendein besseres Leben? Es ist gutherzig, aber es hält sie auch nur geradeso am Leben.
Wenn du mehr sein willst als das, dann muss jemand was dafür geben. Entweder du selbst oder andere.
Doch das hast du nie für dich begriffen. Du hast gut von dem gelebt, was wir dir gegeben haben. Du musstest nie jemanden opfern dafür, außer dich selbst und dein Gewissen.
Das ist nun der Pfad auf dem du gewandelt bist und der dich auch zu deinem Ende führt.
Die Zeit ist vorbei. Du hast keine Wahl mehr.


Ich hatte doch nie eine Wahl. Euer Blut zwang mich zu allem.

Bei uns zu sein, ja. Aber wer du bist, haben wir nicht entschieden. Wir haben dein Aussehen entschieden, doch wie du andere Menschen betrachten sollst, haben wir dir nie vorgeschrieben. Was du schaffen und leisen kannst, kommt ebenfalls allein aus dir.

….

Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich habe gelesen, was ich geschrieben habe und doch kommt es mir nicht mehr wie mein Leben vor. Martha war meine Schwester, mein Sohn David, die Vampire…ich kann mich nicht erinnern. Es ist gut, dass ich es aufgeschrieben habe…aber es ist nicht mehr mein Leben, obwohl es das wohl sein muss.
Wer bin ich? Wer bin ich, wenn ich nicht mehr weiss wer ich einmal war?

Ich bin nur eure Hülle.

Nein. Du warst immer mehr.

Heute bin ich nur noch eine Hülle…
….

Heute bin ich ganz blind. Das Licht ist erloschen. Ich höre noch aus einem Ohr, ich kann unseren Mund ein wenig bewegen…ich kann noch schreiben, aber nicht mehr lesen…

Johann schreibt über die Wachstafel. Kein Pergament. Fühlt die Worte nach, die er so noch wahrnehmen kann.
Es ist vorbei. Wir übertragen hier was er geschrieben hat, aber es wird nicht mehr sein.


Ich habe mich verloren. Das ist das Ende.
Vielleicht ist es besser so.

Vielleicht.

—---

Seine Hand gehört nun uns. Sein letztes Körperteil. Seine linke Hand mit, der er diese Seiten schrieb. Wir haben ihm ab und zu den Griffel in die Hand gedrückt. Er hatte nur noch diese Hand. Doch sie blieb still.
Johann ist nun verschwunden und sein Körper gestorben. Es ist nicht möglich und doch ist es geschehen. Stück für Stück gestorben, um ein Wirt für unser vampirisches Vitae und unsere Seele zu sein.

Wenn wir in den Spiegel blicken, sehen wir den, der er zuletzt war, doch auch das ist nur eine Hülle für ihn gewesen. Johann selbst…ist verschwunden oder er schweigt.

Vielleicht wird er nun im Himmel sein oder der Hölle.

Wir würden es gern wissen.
Doch werden wir es nie erfahren. Bis wir selbst vielleicht einmal sterben.

Und alles, was er hinterlassen hat hier: Sein Leben. Seine Gedanken…werden wir vernichten müssen.

Ruhe in Frieden, Johann.
"Du fügst dich falsch ein! Du bist so fremd hier! Kannst du du selbst sein? Und bist du ganz bei dir!?" - ASP
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