[1085] Anglerfisch [Angelique, Harl]

[Harl]

Über dem Hafen von Genua gab es ein Licht. Das Licht hatte Harl genau hierher geführt, von weiter her, von der See her, von wo aus man die Küste in der Nacht nur als dunkle Schlieren sah. Ein Licht wie dieses leuchtete weit.

Also war er gekommen, um es sich anzusehen. Er war auf einen der Fischerkais geklettert, zwischen Booten und aufgehängten Netzen. Er hatte kein Geschrei gewollt, also hatte er sich in sich selbst zurückgezogen, still und in sich gekehrt, verborgen und versunken*. Sollten die Menschen ihre Dinge tun und er seine.

Als er letztlich beim Leuchtturm angekommen war, hatte er ein grobes Stück Tuch um die Hüften geschlugen, zusammen gehalten von einem aufgespleisten Stück Seil, das nun wohl nie mehr zurück in ein echtes Tau finden würde. Es war weniger auffällig als nichts, falls doch einer hinsehen wollte.

Nun jedenfalls begann er, sich dem Turm zu nähern, um zu sehen, wie er gemacht war und was und wer ihn so hell leuchten ließ.

—
*Verdunkelung 2

[Angelique]

"Hallo du", ertönte eine helle Kinderstimme nicht weit von ihm entfernt.

Ein neugieriges Paar großer Kinderaugen starrte aus einem von dunklen Löckchen umrahmten blassen Gesicht direkt auf seine verdunkelte Gestalt.

Das Licht des Leuchtfeuers schien ein Halo um das Haupt des Mädchens zu bilden und der Mond schien die Augen leuchten zu lassen wie bei einem Tier der Nacht.

"Was machst du hier? Und warum bist du halb nackelig?"

Das Mädchen legte den Kopf schief und wippte barfuß und mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt, als betrachtete es eine staunenswerte Kuriosität.

*Auspex 4 schlägt Verdunkelung 2

[Harl]

Harl fror in seinen Bewegungen ein. Für einen Moment war er einfach und wortwörtlich totenstill. Die Jäger im Wasser, die mit Strömung und Bewegung jagten, wurden getäuscht, wenn er das tat. An Land ergab es wenig Sinn und darum begann er auch, sich sehr plötzlich und schnell wieder zu bewegen. Einmal herum, ihr zugewandt, mit bleichem Blick unter strähnigen, nassen, grauen Haaren hervor.

Sie war so klein. Er wollte sich nicht täuschen lassen. Um ihn zu sehen, brauchte man etwas anderes als scharfe Augen. Man brauchte einen offenen Geist. Es gab wenig in der Welt, das so gefährlich war wie ein offener Geist.

“Ich habe keine Kleider”, antwortete er ihr also. Sein Dialekt klang wahrscheinlich merkwürdig und der Rhythmus, in dem er sprach war noch merkwürdiger. Auf und ab wie Wellen gegen die Hafenmauer.
“Ich habe das Licht gesehen. Es ruft hierher.” Und damit machte er ein knappes Kopfnicken in Richtung jenes Leuchtturms, der sein Ziel gewesen war.

[Angelique]

""Hmhmhm", summte die Kleine melodisch, während sie um den Neuankömmling einen Bogen schlug und ihn betrachtete.

Dabei bildete sie mit Zeigefinger und Daumen beider Hände ein kleines Quadrat und schaute hindurch. Die Ahnung alter Steine mit Löchern, durch die man die Anderswelt schauen konnte, mochten einem abergläubischen Betrachter dabei in den Sinn kommen.

"Oh, wie blass du bist! Bist du ein Gangrel des Meeres oder nur jemand, der an Herold und Liktoren vorbei nach Genua schleicht und den Weg durch das Hafenbecken nimmt?"

Die Kleine machte einen artigen Knicks. "Ich jedenfalls bin Angelique aus dem Hause Malkavs und das lockende Licht da ist meins, das andere das Auge des Engels Malkavs selbst. Willkommen in Genua, Fremder! Du bist definitiv interessant!"

Das Mädchen grinste fröhlich und schien nicht im mindesten Angst vor dem bedrohlichen Vampir zu haben, der sich im Schutze der Nacht in die Stadt schlich.



Wahrnehmung + Empathie 1 WP
— heute um 21:27 Uhr
Olol Request: [6d10] Roll: [8, 6, 4, 4, 4, 3] Result: 29 2 Erfolge Erkennen der fahlen Aura der Vampire und Grundfarbe. Natürlich hatte Angelique ihn bereits minutenlang verdunkelt betrachtet, um es jetzt schnell und mächtig aussehen zu lassen"

[Harl]

Harl besah sich diese Art der Betrachtung mit einer Mischung aus Argwohn und gesunder Wachsamkeit. Er kam ein wenig näher wie um Angelique besser zu hören. Oder besser zu sehen, zu riechen. Nicht nah genug, um zu schmecken, zu fühlen.

Dort ging er vor ihr in die Hocke, so dass sie ungefähr auf Augenhöhe waren, sie und er. Harl roch nach dem Meer, Salz und Seetang. “Blass”, raunte er. “Hu.” Es schien ihn zu verblüffen.

Dann jedoch sagte er: “Harl.” Ein Wort wie ein Wassergurgeln und Wellenrollen. “Ich bin kein Gangrel. Doch ich bin Gangrel-freigesprochen. Doch ich bin vom Meer. Mein Blut ist wie dein Blut, neu geboren, mondgezogen, mondgelassen.” Er machte eine Geste mit beiden Händen als wäre er der Mond, der die Wasser zu sich zieht und dann löste er sie wieder auf als würde er alle Wasser wieder entlassen. Offenbar fand er das auch lustig, denn er grinste einmal und zwinkerte Angelique zu als wäre er ein netter Onkel und sie eine kleine Nichte. Dann hörte er damit wieder auf. Der Übergang war abrupt und aufgrund dieser Abruptheit seltsam, vielleicht unheimlich.

“Warum bin ich blass oder dumpf oder gedeckt? Warum bist du es?” Er machte wieder eine Geste zu ihr hin. “Warum sind es die Menschen nicht? Warum ist ein Fisch gar nichts außer… hn.. Lebendig?”
Harls eines Auge sah aus als wäre es blind, doch in diesem Augenblick war sehr deutlich, dass dies nicht so war. Es war etwas in der Art, wie das Licht sich darin spiegelte, wie er Angelique damit ansah als wäre es nicht blind sondern im Gegenteil sichtig geworden für irgend etwas anderes als ausgerechnet Farben oder Formen.

[Angelique]

Angelique hob eine Braue. "Mondkalb wie ich also ...", sinnierte sie ernst. "Und mit vielen wichtigen Fragen nach der Natur von Mensch, Tier und Untotem."

Sie beugte sich auch vor und schnupperte mit ihrem kleinen Näschen auch an ihm. "Die See, die Ferne, der Hauch der untergegangenen Sonne und ihre Erinnerung im Widerschein des Mondes. Das Salz weinender Haifische und das nasse Grün des Tangs."

Dann wurde sie wieder fröhlich. "Willkommen in Genua, Harl! Hast du dich schon einem der Großkotze und Wichtigtuer vorgestellt? Das solltest du dringend tun.
Es wimmelt hier nämlich nur so vor tentakligen Schatten, staubiger Ventrue und knochiger Kappadokier, alle mit Stock im Arsch und Größenwahn, die gerne mit Etikette über den Fakt hinwegtäuschen, dass sie alle von einem mörderischen Bauerntölpel abstammen.
Also, Etikette und Gekrieche solltest du schnell lernen, wenn du hier was werden willst.

Soll ich dich einigen Leute vorstellen, die weniger auf Getue wert legen? Hast du Kontakte in der Stadt? Wohl nicht, sonst würdest du hier nicht hineinschleichen."

[Harl]

“Ja”, meinte Harl. Er grinste und das war ein Lächeln so plötzlich und so scharf wie ein Klappmesser. Hauptsächlich tat er das aber wohl, weil das “ja” eine Antwort auf jede ihrer Fragen sein konnte oder eine Zustimmung zu allen ihren Aussagen.

Doch er gab sich dann einen Ruck und löste ein wenig auf: “Ich habe im Gästehaus vorgesprochen. A Tarda Ora.”

“Etikette und Kriechen. Ja. Ich bin ein Bote, oft. Irgendwer muss am Strand laufen.” Sein Lächeln war mittlerweile sanfter geworden. “Doch den Turm wollte ich sehen. Ich wollte wissen, wie er so hell ist. Wie all das Zeug hinaufkommt, das ständig verbrennt. Ob es Platten gibt, die Licht zurückwerfen.”
Er hob einen Zeigefinger und auch wenn dieser schwielenbewehrt und eher schmutzig war und der ganze Mann ziemlich genau so aussah als wäre er erst vor kurzem aus der ligurischen See gekrochen, schien er diese Fragen vollkommen ernst zu meinen.

“Keine Kontakte. Nicht.. Jetzt. Ein paar alte Namen habe ich, deren Träger ich suche. Doch neue sind ebenso gut. Alles ist ständig im Wandel.” Das unterstrich er mit einer sachten, wellenförmigen Bewegung seiner Hand.

[Angelique]

Die Kleine wirkte kurz, als würden ihr Worten fehlen.

"Du meinst Spiegel aus Bronze, wie Archimedes sie verwendet hat bei der Belagerung von Syrakus? Könnte man damit tatsächlich die Wirkung des Leuchtfeuers verstärken? Was für eine faszinierende Idee! Da muss ich Berechnungen zu machen!"

Sie holte eine Wachstäfelchen und einen Stylus hervor und begann sich Notizen zu machen.

"Wenn du willst, führe ich dich herum im Turm. Aber wir müssen leise und ungesehen sein. Manche der Sterblichen dort wissen nichts von uns.
Oder du kommst in einer anderen Nacht, die wir ausmachen, dann können wir ungestört sein."

[Harl]

“Wer ist Archimedes?” Harl zuckte mit den Schultern, tippte sich dann einmal an die Nase und sah zum Turm hinauf, wahrscheinlich nachdenklich.

“Ich habe so einen Turm noch nie gesehen. Strandfeuer, ja. Hafenlichter, ja. So einen Turm? Nein.” Er nickte dann. “Zeig ihn mir.”

[Angelique]

"Na, dann mal los! Um die Zeit ist die Nachtwache von meinen Leuten gestellt, also kein Problem."

Sie hüpfte den steilen Weg durch die schroffen Felsen hoch zum aufragenden Turm. Aus der Nähe sah er viel wuchtiger mit seinen dicken Grundmauern aus, als die schlanke Nadel es aus der Ferne vermuten ließ.
Die schmale Treppe, die zur massiven Tür hochführte, wies inzwischen erste Mulden nach vielen Jahrzehnten der Begehung auf.

Schon von hier aus war der Ausblick über das Lichtermeer der Stadt und den Hafen atemberaubend.

Das Mädchen klopfte in einem komplizierten Rhythmus an das eisenbeschlagene Turmtor und sogleich wurde aufgetan.
Ein gepanzerter Mann zog seinen Handschuh aus und wuschelte der Kleinen durchs Haar.
"Schon zurück, mon Ange? Ich sehe, du hast den Tarnkappenmann gefunden, den du suchtest. Einer, der besondere Höflichkeit verlangt?"

Angelique lachte hell, nachdem sie wie ein Kätzchen geschnurrt hatte, als die starken Hände durch ihr Haar gefahren waren.
"Nein, nein, er ist kein Charraira wie die meisten. Er ist Familha ."

"Familie ist nicht immer gut, besonders nicht deine, kleines Kätzchen ...", murmelte der erfahrene Mann und musterte den Neuankömmling. "Willkommen im Turm der Nacht!", sagte er aber schließlich und neigte sein Haupt vor dem wilden Mann.