[1085] Anglerfisch [Angelique, Harl]

[Harl]

Eine Geste, die Harl erwiderte, während sein Blick einmal an dem Mann herab und wieder herauf glitt. Hier und da blieb er hängen, dieser Blick. An den Händen mit ihren Schwielen, an der Panzerung, an den Handschuhen. An seinem Stand, seiner Waffe, seinem Gürtel.
“Danke”, sagte er dann erst einmal, denn ein ‘Willkommen’ ist wertvoll und verdient jeden Dank. Er kratzte sich etwas an der nackten Brust und meinte dann: “Hätte mir denken können, dass ein Turm wie dieser starke Bewacher hat.”
Schwer zu sagen, ob er damit den Mann meinte oder auch Angelique. “Aber keiner, der vom Meer her kommt, kann ihn übersehen. Also kam ich.” Er machte eine Geste zu Angelique hin. “Hätte auch nicht gedacht, auf die Weise …hn.. Familie zu finden. Unsereins hat immer sehr eigene Wege.”

[Angelique]

"Seltsam, das sagt man auch von mir und normalerweise halte ich unsere Familie so weit von mir, wie nur möglich.
Aber einem jungen Neuankömmling muss ich einfach helfen. Ich kann nicht anders.
Ihr beide seid auch interessant, also du und Roya, die zweite Neue."

Sie hüpfte die steile Leiter hinauf und von dort die Treppen hoch zu den oberen Ebenen und dann zum Flachdach mit den Zinnen und dem Eisenkäfig mit dem Feuer.
Es fiel auf, dass sie zwar kurz gebannt von den Flammen war, aber dann so weit wie möglich von ihnen fern blieb.

"Schau", rief sie stolz und breitete die Arme aus. Sie wirkte wie eine jungfräuliche Priesterin aus den vorsintfutlichen Tagen auf der Spitze eines Zikkurats, die dem Mond huldigte, hoch über den Dächern der ersten Städte.

"Genua. Das Piratennest, das bestimmt ist, ein Imperium zu gründen!"

[Harl]

“Pffsshh…”, machte Harl verächtlich zu der Aussage, was andere über Angelique oder Malkavs Erben sagten. Aber er beließ es dabei, war ohnehin zu sehr damit beschäftigt, Angelique zu folgen und den Turm zu bestaunen.

Ähnlich wie Angelique jedoch drückte er sich auf der Spitze des Turms lieber fort von den Flammen. Stattdessen folgte er ihrer Aufforderung und sah hinaus auf Genua und das ligurische Meer.
“Ein Imperium kann ich noch nicht sehen”, meinte er dann bedächtig. “Doch es ist gewachsen, mit dieser principessa alba.”

[Angelique]

"Ja, ich bemühe mich. Hier eine Innovation aus Spanien, da eine Erfindung der Franken, dort ein Schiffstyp der Normannen. Und immer muss es so aussehen, als wäre es die eigene Idee dieser Kretins oder dass sie es mir unbedingt abjagen müssten.

Sehr anstrengend, sage ich dir! Aber ich tue alles für meine Vision der Zukunft und ich ruhe nicht eher, bis die Stahlvögel von Nubis über die Glastürme der letzten Nächte fliegen."

Alles in allem eine völlig normale Unterhaltung unter Malkavianern.

"Aber was führt dich hierher? Außer Neugier natürlich? Was ist des Engels Malkav Plan für dich hier?"

[Harl]

Harls vernarbtes und wenig ansehnliches Gesicht zeigte ein Grinsen, das einem in einer dunklen Gasse oder auf der offenen Straße von jemandem wie ihm wohl Sorgen bereitet hätte. Hier aber war es wohl eben einfach wie er Angeliques Worten lauschte. Das Grinsen wurde blasser als sie nicht länger von ihren Taten für Genua sprach sondern von Stahlvögeln und Glastürmen. Sein Blick ging weiter in die Nacht, in die Ferne, als er versuchte, diesen Worten zu folgen und sie sich auszumalen.

“Ich folge den Launen der See. Der Tiefe”, sagte er dann leise. “Manchmal spuckt sie mich aus, an irgendeinen Strand. Manchmal ruft sie mich zu sich, hinab in die Schwärze.”
Er zeigte hinaus aufs Meer als könnte er diesen Ruf zeigen, als wäre dieser ebenso sichtbar wie Mondlicht und Wellen.

“Ich komme von Korsika. Stell’ dir eine Insel vor, die keiner beherrschen kann. Ein paar Gangrel, die sich behaupten. Ein paar Ventrue, die sich aus dem Norden dahin verirrt haben, um sich auf einen eingebildeten Thron zu setzen. Die dann davon herunter gestoßen wurden von Lasombra aus Pisa. Und einer wie ich. Strandläufer. Nachtfahrer. Geliebter der Tiefe. Treibgut.”
Er gab ein kleines, kehliges Geräusch von sich, ein ‘chrrhh..’ oder ‘ggrrghh..’. Vielleicht eine Art Kichern oder Lachen.

[Angelique]

"Wie aufregend", schwärmte sie. "Ich bin eher gezielt unterwegs und lasse mich nicht treiben. Zu Fuß oder auf dem Schiff. Ich höre von fernen Orten und will sie kennenlernen. Immer wieder hat diese Stadt versucht, mich zu fangen und durch Verpflichtungen in ein unsichtbares Netz zu binden, aber ich bin frei und zahle den Preis der Freiheit, Außenseiterin zu sein.

Dieser Turm ist eine Illusion, der den zu Statuen erstarrten Älteren und nach Zielen hungrigen Jungen suggeriert, ich sei hier verwachsen und angreifbar, kontrollierbar. Niemand kann ein Kind Malkavs kontrollieren, wenn es das nicht selber so möchten. Das werden sie nie lernen und das ist auch gut so.

Korsika hat gute Krieger, hörte ich, die so wild und stolz sind, dass sie selbst die finsteren Schwaben beeindrucken, die mit ihnen die Garden des Bischofs von Rom stellen. Hast du Verbindungen dorthin? Ich vermittle gerne Söldner und ..."

Ihr Blick ging von Kopf bis Fuß über Harl und sie lächelte leise, "... was ich selber nun sehe, gefällt mir."

[Harl]

Da legte Harl den Kopf in den Nacken und lachte ein ziemlich schamloses und sehr vergnügtes Lachen.
“Ahh, Freiheit, hu? Und Söldner und all das… .” Er gluckste noch etwas und wenn Angelique nicht einen Schritt zur Seite machte, dann knuffte er sie einmal mit den Fingerknöcheln gegen die Schulter.
“Ich bin an kein Land mehr gebunden. Danke für’s Angebot, schätze ich, aber die Tiefe ist meine echte Heimat geworden. Ich brauche keine Söldner. Hölle, ich habe nich’ mal ein Hosen!” Was auch zu stimmen schien, denn er trug tatsächlich einfach nur dieses …Tuch, das er irgendwie um seine Hüften gebunden hatte.

“Erzähl’ mir stattdessen von dir und deiner Stadt hier. Von dem, was du siehst. Von dem, was passiert ist. Als ich das letzte Mal nach Genua geschaut habe, war ein anderer auf dem Thron und die Stadt war ..heh… naja. Kleiner war sie jedenfalls.”

[Angelique]

Sie ließ das Knuffen natürlich geschehen und schnurrte wieder wie ein Kätzchen, bei der rauen Berührung.

"Ach, ich bin seit über hundert Jahren hier und habe eigentlich nichts mit der Vampirpolitik zu schaffen. Ich sorge lieber dafür, dass aus dem ausgeplünderten Fischerdorf eine echte Stadt wird, die für Mensch und Vampir sicher ist und Wohlstand hat.

Oh, und ich bin Orakel und manchmal erinnern sich manche daran und holen sich Rat. Manche benutzen mich aber eher als Unterhaltungsprogramm.

Wenn du selber so alt bist, wie du andeutest, solltest du vielleicht der Älteste unserer Linie hier werden und Ferrucios Vormachtstellung ablösen."

[Harl]

“Wozu…?” Er hockte da, die Ellenbogen locker auf den Oberschenkeln, die mit dem Tuch, das er anhatte, so halb und halb bedeckt waren.
Er verengte die Augen etwas und versuchte, sich ihre Worte in einer Realität vorzustellen, die es noch nicht gab, die es vielleicht nie geben würde oder vielleicht eben doch.
“Ich kenne ‘Ferrucio’ nicht und auch nicht ‘Roya’”, sagte er dann und griff die Namen von zuvor auf. “Doch unsereins.. Wir geben Macht nie her, wenn wir sie einmal haben. Außer, wir haben verstanden, dass sie nichts ist als eine weitere Kette um deinen Hals. Doch wer solche Dinge versteht, der hat ganz andere Sorgen.”

Er rieb sich einmal den Hals und Nacken als würde er sich tatsächlich an eine Kette erinnern, die er dort trug oder getragen hatte oder vielleicht tragen würde, irgendwann.

“Ich wäre kein beschissener Ältester”, stellte er mehr für sich fest. “Ich würde unser Blut seine eigenen Wege finden lassen. ‘s ist, was wir machen müssen, damit …alle Dinge ihre Wege finden wie es sein soll.” Mit diesen Worten rang er offensichtlich in dem vagen Versuch, ein so vages, fremdartiges, den Verstand ankratzendes Konzept zu verstehen oder in Worte zu pressen, die dafür nicht gemacht waren.

“Aber wer weiß. Vielleicht wäre genau das beschissen. Ein paar von uns brauchen… hn. Das Feuer. Den Hass. Das Gejagt-Sein. Das Jagen. Tausend andere Sachen. Keine. Heh.” Er machte eine Geste mit beiden Händen, legte die Handflächen nebeneinander und spreizte die Finger ab wie um zu zeigen, wie sich all die Implikationen, Folgen und Nachfolgen ausbreiteten.

Er sah Angelique nun forschend an. “Suchst du einen neuen Ältesten, kleiner Feuerkäfer? Hast du einen Streit mit diesem …Ferrucio? Willst du mir eine Kette umlegen, damit ich sie für dich klirren lasse?”

[Angelique]

"Gott sei Dank!", meinte Angelique erleichtert, "ich gebe zu, das war ein Test. Nein und nochmals nein, ich will nicht noch einen Idioten, der nach unsichtbaren Ketten giert, selbst du nicht beschissener als Bossvampir sein könntest als Flackerjockel. Der hemmt unsere Stadt wirklich, da er sie spaltet."

Sie schaute über die Zinnen in die Ferne. "Freiheit! Dass ich noch mal so was hören würde. Hier sind selbst die Gangrel Kettenhunde, die im Kreis laufen und Männchen für ein bisschen Leckerli machen."

Sie seufzte und lächelte zynisch. "Meine Freiheit hole ich mir durch Bücher. Bis jetzt ist mein Geist noch nicht an die Schädeldecke geknallt, obwohl ich ihn immer erweitere."