[1085] Bald mag kommen der Wellenmann, zu schaffen uns Seetang und Tinnef und Blut heran [Harl, Allegra]

[Allegra Aldighieri]

Leise fluchend schlich sich Allegra an die Klippe. Aber besonders leise müsste sie eigentlich nicht sein, denn es wurde leicht von dem Hundegebell übertönt, das das Fischerdörfchen zu dieser nachtschlafenden Zeit aufstörte. Warum musste sie ausgerechnet ein Haus erwischen, wo sie einen Köter hielten? Es war eigentlich alles gut gelaufen, und sie war den schmackhaften Hälsen schon nah, bis dieses Mistvieh sie erschnüffelt hatte und durchgedreht war.

Sie lässt sich im Gras nieder und betrachtet mißmutig die Häuser von Flussmund. Das Hungergefühl stört sie. Die Verkleidung als ärmliches Fischermädchen stört sie. Ihre Lockenpracht zu Zöpfen binden zu müssen stört sie. Aber vielleicht noch schlimmer als der schleichende Hunger ist es, hier rumsitzen zu müssen und sich zu laaaangweilen, bis wieder genug Ruhe in den Ort eingekehrt ist um einen neuen Versuch zu machen zu jagen.

Allegra greift unter ihre fischfleckige Schürze und holt eines der bunten Tücher hervor, von denen sie sich auch verkleidet nie vollständig trennen will. Rot. Die Farbe der Liebe.
So verstohlen, wie sie an diesem einsamen Ort ausharrt, hat sie etwas von einem Liebchen, das auf ein heimliches Stelldichein mit ihrem Traumprinzen wartet. Vielleicht um sie aus ihrem ärmlichen Dasein zu entführen, mit schönen Kleidern zu überhäufen... Diese eskapistische Fantasie gefällt ihr sehr viel besser als die langweilige Realität des Wartens. So nachtträumt sie ein wenig vor sich hin und summt die Melodie einer Liebesballade, die sie auf dem Hof der Wunder aufgeschnappt hat, während sie das rote Tüchlein wie einen Gunstbeweis an sich drückt...

[Harl]

Das Bellen des Hundes wurde nur heftiger, erst wütend, dann panisch und dann brach es in einem jähen Jaulen ab. Selige Stille kehrte ein.
Einige Momente später konnte Allegra Schritte hören und vielleicht auch die Silhouette einer nun zwangsläufig sehr unförmigen Gestalt erkennen: Ein Mann, mit dem schlaffen Körper eines Hofhundes über den Schultern. Er ging flink, doch relativ leise und es sah so aus als folgte er demselben Fluchtweg, den Allegra selbst auch genommen hatte.

In der Dunkelheit und auf die Entfernung war nicht viel mehr von ihm zu erkennen. Graues Haar - aber das konnte auch das Fell des Hundes sein - und eine drahtige Gestalt.

[Allegra Aldighieri]

Mia, das arme Fischermädchen (das eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Allegra besitzt, auch wenn sie lebt und atmet) verliert sich in den blauen Augen ihres Traumprinzen Grimaldo. Sie leistet keine Widerwehr, als er sie stürmisch in das Gras herabdrückt. Mias Atem beschleunigt sich, und ihre Brust hebt und senkt sich immer schneller, als Grimaldo ihren Kopf mit beiden Händen ergreift. In freudiger Erwartung fährt Mia mit ihrer Zungenspitze über ihre Lippen, als sie auch schon überwältigt wird und ihr Traumprinz ihr einen leidenschaftlichen Ku

Ein lautes Jaulen reißt Allegra aus ihrer Nachtträumerei. Im ersten Moment ist sie etwas desorientiert, da sie tatsächlich im Gras liegt und sich die gespitzten Lippen leckt. Im nächsten verärgert darüber, ausgerechnet an der besten Stelle gestört worden zu sein. Aber im übernächsten Moment ist sie wieder voll im hier und jetzt. Was war mit dem Köter passiert?

Eine unbekannte Gestalt nähert sich. Wohl die gleiche Gestalt, die den Hund auf dem Gewissen hat.
Ein anderer Vampir? Nein, das war ausgesprochen unwahrscheinlich, ein Kainit der so ausgehungert ist dass er so etwas dreckiges wie Hundeblut auch nur in Erwägung ziehen würde hätte nicht mehr die Selbstkontrolle, um den Kadaver zu verschleppen.
Vielleicht ein Landstreicher oder Tagelöhner, der so magere Zeiten durchmachte dass er auch abgekochten Hund nicht verschmähte? Das war schon wahrscheinlicher, ähnliches hatte sie bei der Hungersnot '55 gesehen.
Landstreicherblut war nicht ihre erste Wahl, aber es wäre ein Ausgleich für die entgangene Beute. So bleibt sie tief im Gras, rollt sich in die Deckung eines Krüppelbäumchens und von da zum besseren Schutz einiger kleiner Felsen. So verborgen beobachtet sie, was der Ankömmling vor hat.*

Spoiler!

*Geschick+Heimlichkeit: 6 Erfolge Link

[Harl]

Harl hielt dies für keine zu schlechte Nacht. Er hatte keine Ahnung, was den verdammten Hund so aufgescheucht hatte, aber er hatte aus der Not eine Tugend und dem Tier kurzerhand den garaus gemacht. Blut ist Blut, was? Und nicht nur Blut sondern auch Fell und Fleisch und Knochen, ein paar brauchbare Krallen, vielleicht waren die Zähne auch noch für etwas gut. Guter Dinge hielt Harl auf den Fluss zu, der wohl der Grund für Flussmunds Namen geworden war.

An einem seichten Flecken dort wollte er seine Beute abladen und sehen, was noch zu gebrauchen war und was er dem Wasser übergeben wollte.



Allegra könnte sich so wohl ein etwas besseres Bild von dem Mann machen: Er war nicht allzu groß, drahtig und seine Hose und die Lederweste sahen aus als wären sie von der letzten Wäscheleine geklaut worden - jedenfalls passten sie nicht sonderlich gut.

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Wahrnehmung + Aufmerksamkeit, 2 Erfolge

[Allegra Aldighieri]

Mhm, Allegras erste Vermutung hatte sich bestätigt. Ein Landstreicher also. Nicht erste Wahl, aber dafür könnte sie ihn vielleicht leertrinken und seine Leiche ins Meer werfen - vermissen würde ihn wohl niemand. Dieser Gedanke stimmt Allegra sehr, sehr fröhlich. Einen Moment spürt sie völlige Harmonie mit der Bestie in ihrem Herzen, den Gleichklang von bewusstem Gedanken und tierischem Trieb. Ein Gleichklang, der ihr einmal mehr zeigt wie stark sie ihr untotes Wesen gemeistert hat, und wie weit sie den Narren voraus war die auf irgendwelchen Irrpfaden herumstolperten und dieses Gefühl niemals verspüren würden.

Leise und immer näher kommend pirscht sie Harl hinterher, bedacht aus seinem Blickfeld zu bleiben. Waffen hat sie keine gezogen - wenn alles läuft wie sie es sich denkt, wäre das bloße Vergeudung kostbaren Bluts.

Spoiler!

Geschick+Heimlichkeit (Spezialisierung: Lautlos): 3 Erfolge Link

[Harl]

Harl suchte sich ein ruhiges Plätzchen direkt am Flussufer. Der Hund hatte bereits keine nennenswerte Menge an Blut mehr in sich, aber trotzdem war es meist besser, wenn sich die hässlichen Spuren von Messerarbeit gleich fortspülen ließen. Oder zumindest war das Harls Philosophie, auch wenn diese bereits daran scheiterte, dass er kein Messer besaß.

Was sich allerdings recht geübt zusammensuchte, waren ein paar schärfere Steine, jedenfalls genug, um dem Tier am Fluss die Zähne auszuschlagen und zu schauen, was davon brauchbar war. Mit gesplitterten Kieferknochen oder Zähnen würde sich der Bauch aufschlitzen lassen und dann würde er die Haut abziehen k—

Er hatte etwas gehört. Kein Kleintier in der Nacht. Kein flüchtendes, großes Tier. Größer. Langsamer. Im Geiste ging er die Jäger an Land vor, die er aus Gegenden wie dieser kannte: Wölfe? Jagten anders. Lauerjäger? Große Katzen, vielleicht? Bären? Nein, wohl nicht hier. Das ließ Menschen übrig, die gefährlichsten Raubtiere der Welt. Oder seinesgleichen, die sich wenigstens dafür hielten.

Und obwohl er so dachte, ging er erst einmal weiter. Stehenbleiben heißt, die eigene Flanke zu präsentieren. Er tat so als wäre gar nichts und ließ dann eben etwas weiter vorn am Fluss die Hundeleiche zu Boden gehen - doch so, dass er den Rücken zum Wasser hatte.

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Spoiler!

+2 BP für einen Hund, +1 für effiziente Verdauung
Wahrnehmung + Aufmerksamkeit: 4 Erfolge
Manipulation + Ausflüchte um so zu tun als hätte er nichts bemerkt: 0 Erfolge

[Allegra Aldighieri]

Allegra erstarrt plötzlich, als sie sich gewahr wird, dass sie entdeckt wurde.* Angespannt erwartet sie bereits, dass sich der Fremde plötzlich umdreht und sie angreift, aber stattdessen geht er weiter.

Die Kappadozianerin ist nicht so leichtsinnig, dass sie sich einem erwachsenen Mann zum offenen Kampf stellt, noch dazu einem der gewalterfahren und verrückt genug ist, um einen Hund binnen zweier Herzschläge abzumurksen. Und sein Landstreicherblut schmeckt ihr sowieso zu sauer, wie sie und ihre Bestie jetzt übereinstimmend befinden.

Vorsichtig macht sie rückwärtsgehend einen Schritt zurück. Und noch einen. Ihre Hände faltet sie demütig im Schoß, um keinen Angriffswillen auszustrahlen, falls er sie aus den Augenwinkeln beobachtet. Ein Persönchen wie sie ist vom Äußeren her ohnehin nicht besonders furchterregend, selbst wenn sie sich aufplustern würde.

*Wahrnehmung+Ausflüchte: 4 Erfolge Link

[Harl]

Tja, da war es nun. Das große Raubtier Mensch. Harl sah sich das Mädchen an. Was trieb sie hier draußen, allein, im Dunkeln? Keine Ahnung. Diebin, vielleicht? Der Grund, weshalb der Hund das Bellen überhaupt angefangen hatte.
Aber allein? Wäre selten. Meistens tat sich Diebesgesindel zusammen. Das wusste Harl aus erster Hand und eigener Erfahrung. Vielleicht das Stelldichein irgendeines Bauernbengels? Aber warum war sie ihm dann hinterher? Nein, das ergab keinen Sinn.

“Was willst du? Du kommst nich’ für einen toten Köter”, schnarrte er ihr entgegen. “Sonst hättest du ihn selber erschlagen.” Vielleicht hatte sie Kumpane in der Nähe. Argwöhnisch sah er sie sich an und lauschte in die Nacht nach den Geräuschen anderer. Die Nacht entfaltete sich vor ihm in feinen Schattierungen und Melodien, die sonst kaum einer hören konnte. Der Geruch vom Tod des Hundes hing in der Luft, metallisch, herb und beißend über der Kühle des Wassers und dem modrigen, nassen Geruch des Ufersandes.
Aber keine Geräusche von weiteren. Keine Gerüche von ... Schweiß. Fettiger Haut. Verlausten Haaren. Kein Menschengeruch. Wer hätte das gedacht.

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Wahrnehmung + Aufmerksamkeit, erleichtert um 3: 8 4 10 10 4 7 9 10

[Allegra Aldighieri]

Geistesgegenwärtig verfällt Allegra in den verschliffenen bäuerlichen Akzent, den sie sich bei ihren Aufenthalten in Flussmund abgeschaut hatte, und in die Rolle, die sie sich kurz zuvor beim Nachtträumen ausgedacht hatte.

"Warum würd' ich den Hund von Luigi un' Appollonia erschlag'n? Hat mir, der klein'n Mia, nie was getan, der Gude."

Sie schaut ein wenig perplex und verwirrt.

"Aber du, du gehst einfach her un' murkst ihn ab. Luigi und Appollonia sin' gude Leude, die zwei, arbeit'n hard um sich un' die Leude in der Stadt zu ernähr'n. So wie ich, so wie meine Elder'n, so wie mein Geliebder Grismaldo. Den ich eigendlich treff'n wollt', hier am Flussstrand.
Lang mich also ned ah. Sonsd schrei ich ganz laut. Und dann kummt er und prügelt dich grün un' blau."

'Mia' holt betont tief Luft. Das einzige Mal, dass sie in dem ganzen Redeschwall Luft holt. Entweder macht die Lunge den größten Teil des Innenvolumens ihres Persönchens aus - oder sie ist nicht das sterbliche Fischermädchen, das sie vorspielt zu sein.

[Harl]

Harl lauschte. Von außen musste es seltsam aussehen, wie er dastand, mit halb schräg gelegtem Kopf und seinem halbblinden Blick. Doch er lauschte dem Zungenschlag, der an abgeschliffene Flusskiesel erinnerte. Er lauschte ihrem Bravado, der Drohung von Geschrei. Hohl fühlte sie sich an, diese Drohung. Oder doch nicht?

Er sah sie an und wog ab, Gefahr gegen Nervenkitzel, Blut.

„Kannst du schreien, so dass sie schnell genug hier sind, für dich?“, fragte er leise, lauernd. Er kauerte sich hin, eine Hand auf dem toten Tier, ins Fell vergraben, besitzergreifend. Seins.
„Ich glaube nicht“, forderte er sie dann heraus und zugleich auch seine Vermutung, was sie anging.

„Aber ich glaube, du könntest machen, dass nur einer kommt. Und wir sind zwei.“

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Wahrnehmung + Empathie, um Allegras Drohung und Tonfall einzuschätzen:
2 Erfolge (oder 6, wenn Auspex für die Wahrnehmung zählt)