[1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

[September '23]
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Harl
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

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Harl gluckste etwas, zuckte mit den Schultern, rieb sich die eine Schulter mit der anderen Hand und setzte sich dann in den Sand.
“Korsika”, begann er. “‘s ist eine wilde Insel. Ich bin von da. Da geboren. Gestorben. Wieder aufgestanden.”

Er zeigte locker mit einer Hand und dem langen Arm über das Meer hinaus nach Süden. “Dort liegt es.”

“‘s ist eine Insel, die sich kaum ändert. Berge. Schluchten. Felsen. Kluften. Strand. Meer.”
Einen Moment lang hielt er hier an mit dieser Beschreibung und ließ sie klingen. Mit einer Hand strich er über den Sand und sah aufs Meer hinaus.

“Doch es kommen immer Fremde. Vom Festland”, fuhr er dann leise fort. “Erobern sie voneinander, bekriegen sich gegenseitig. Als ich gestorben und wieder geboren wurde, war in der Nacht einer an der Macht, der vom Clan der Könige war. Nh… . Tedesci, von irgendwo aus dem Norden. Saß in seiner Burg. Schätze, er hat auch geherrscht.. aber das kümmert die Wilde Insel nicht.”

Harl runzelte die Stirn und kramte den Namen dann wohl recht mühselig aus seiner Erinnerung hervor: “Markus von Ansbach, Ancilla des Clans der Könige, nun nicht mehr und vielleicht auch vorher nicht recht der Fürst auf Korsika, Kind des Manfred von Ulm, Ahn des Clans der Könige und Prinz von Tübingen.” Die deutschen Namen und Silben klangen merkwürdig, als er sie aussprach.
“Er hat mich freigesprochen, wahrscheinlich weil meine Erzeugerin einen Handel mit ihm gemacht hat.” Wieder zuckte er mit den Schultern.
“Also war ich da, habe die Traditionen aufgesagt, kniete wie der dämliche Fischer, der ich war, in seinem Thronsaal.” Er grinste kurz, zähnezeigend, doch es fehlte scharfe Biss. Er hielt es wohl nicht für seine beste Stunde.

“Aber ‘s hat nicht viel zu sagen, wer behauptet, gerade Korsika zu beherrschen. In den Schluchten und Pinienwäldern und Felsen und Kluften sind’s Gangrel. Kann er wenig gegen tun, dieser Ventrue. Das Land ist zu unwegsam, zerklüftet. Jetzt gerade sitzt schon der nächste in der Burg da, einer aus Pisa. Hat die Ventrue fortgescheucht oder umgebracht.”
Harl schniefte einmal und winkte ab.

“Doch wenn man da überdauern will.. und sein will, auf Korsika und darum her, dann sind’s die Gangrel. ‘s hat ein paar andere noch, aber hauptsächlich ist es dein Blut, was dort ist. Also habe ich von ihnen gelernt. Meine Erzeugerin… nh. Sie hat ihre eigenen Angelegenheiten mit ihnen. Geht auf ähnlichen Pfaden wie sie, ist eine Jägerin. Dort hat’s Bestienherzen, also auch ein paar Jäger. Und so habe ich auch mit ihnen gejagt, war auch bei mehr als einer Wilden Jagd dabei.” Sachte tippte er sich an eine seiner Narben, dann eine andere als wären das Beweise oder Zeugen dieser Jagden.

“Und ich habe überlebt. Und wurde von den Älteren dort freigesprochen, denn sie kümmern sich nicht um einen Freispruch von dem einen oder anderen Edlen auf dem fremden Thron. Darum habe ich …den Geruch. Darum… kann ich gut hier mit dir sitzen und sprechen. Auch nach all der Zeit in der Tiefe. Ist weniger fremd.”
“We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far.” - Lovecraft (The Call of Cthulhu)

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Agnellina
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Agnellina »

„Und doch sind deine Ohren und Augen kaputt.“, schlug sie den Bogen der Erkenntnis zurück, als hätte er es ihr nicht begreiflich machen können.
„Kaputt wie dein Fleisch.“
Sie blieb fern, fasste nicht an, obwohl die Augen die Narben genau abtasteten und die Finger wie als Ersatz die Muschel befühlten.
„Deine Kratzer verschwinden nicht wie bei mir.“
Gangrel zogen ihre Welpen mit einer zärtlichen Grobheit auf, die zwangsweise ihre Spuren hinterließ. Agnellinas sichtbare Haut war ohne Spuren dieser pädagogischen Zärtlichkeiten ihres Erzeugers oder Rudels, doch ihre Augen verrieten die Erinnerung daran. Es war nicht der leidvolle Blick eines geprügelten Hundes, der unter Schlägen oder Misshandlung gelitten hat. Es war eher der Ausdruck eines Kind, welches mit aufgeschlagenen Knien aufsteht, allenfalls den Dreck mit Spucke verreibt, und einfach weiterläuft.
„Dennoch sitzt du hier. Hast die Jagd hinter dir und“ scharf und hörbar sog sie Luft ein, witterte demonstrativ und hob dabei ein wenig den Kopf, reckte das Kinn etwas vor, “hast Beute gemacht und bist mehr als eine Nacht mit ihnen an der Seite gelaufen. Dein Leib ist in einem Stück. Deine Ohren können hören, deine Augen können sehen. Ich weiß nicht wie, aber es reicht für die Jagd und es reicht für die Nacht. Kein Gangrel-Blut und doch gehts irgendwie. Ich habe ihnen zugehört, was sie erzählt haben. Auch von den anderen. Gerade von den anderen. Von den Älteren. Sie haben gewarnt, mir was drauf einzubilden oder stolz zu werden. Alles, was ich kann, können andere auch. Und mehr, viel mehr. Je älter sie werden, desto mehr beherrschen sie Körper, Geist und Blut. Du sagst Gangrel-Blut ist anders als deins. Aber am Ende ist alles rot.“
Sie behielt ihn im Blick, forderte ihn heraus ihr zu widersprechen, den Worten der anderen zu widersprechen.
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Harl
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

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“Am Ende ist alles rot”, bestätigte er jedoch. “Am Anfang kam alles vom Ersten. Von Kain, dem Vater.”
“Doch jetzt ist es nicht mehr ein Blut. Jetzt sind es Dreizehn. Sieh sie dir an, wenn du ihnen begegnest. Manchmal sind die Unterschiede klar und einfach. Manchmal sind sie verborgen.”

“Sieh dir die Nosferatu an”, schlug er dann also auch wie als Anfang vor. “Die Erben von Absimiliard. Das ist einfach zu erkennen. Auch bei euch, Gangrel-Blut: Der Clan des Tiers. Der Clan der Bestien. Ihr könnt die Zeichen der Bestien tragen. An Arash siehst du es, riechst du es, fühlst du es. Auch an anderen, nh?”
Er legte seine Finger an seinen Kopf wie um Arashs Hörner damit nachzumachen.

“‘s ist weniger klar an der Oberfläche bei den anderen. Der Clan des Todes vielleicht noch, denn ihre Leiber verfallen langsam als würde der Tod sie langsam einholen. Vielleicht liegt’s daran, dass sie mit ihm sprechen können. Oder dass sie Leichen fressen… nh. Nicht nur Blut.” Er zuckte mit den Schultern. “Habe ich gehört.”
“Der Clan der Schatten… heh. Hn. Manchmal kann man’s sehen. Wenn du ihre Schatten siehst und sie bewegen sich falsch, dann hau ab. Lass dich nicht davon berühren.” Er kratzte sich nachdenklich im Bart.
“Der Rest… was weiß ich. Schwerer auszumachen. ‘s gibt Gerüchte, aber ich hab’s dir gesagt: Die Ältesten halten ihre Sachen lieber geheim.”

“Und ich? Mein Fleisch ist nicht …kaputt. ‘ch bin nicht der schlechteste Jäger. Heh.” Harl zog den einen Mundwinkel hoch, was ihm ein schiefes, lässiges Lächeln gab.

“Du hast noch viel Mensch in dir, ‘lina. Dein Denken. Wie du dich an… …deine alte Muhme erinnerst. Wie du die Welt siehst. Und andere. Doch es gibt andere Weisen, durch die Nacht zu gehen. Am Ende muss man’s mit sich selbst ausmachen, mit dem Roten Hunger, mit der eigenen Seele, mit dem grauen Zahn der Zeit. Mit Gott.”
Er neigte den Kopf etwas auf die Seite und zuckte mit den Schultern. Wenn er so saß wie jetzt, dann wirkte es immer, als würde er auf irgend etwas lauschen.

“Ich jage schon viele Jahre. Habe schon gesehen, wie die zugrunde gingen, die ihren Weg nicht gefunden haben. ‘s ist ein schlimmer, schrecklicher Anblick. Etwas in ihnen ist für immer ausgelöscht. Und doch hungern sie und tun alles für diesen Hunger.”

Darauf dann nickte er ihr zu: “Darum ist wichtig, dass du solche Sachen weißt. Über das Blut. Über die Ersten Gesetze. Und über dich selbst. Wie du deine Schritte setzen willst. Was du tun willst mit deiner Scherbe Ewigkeit.”
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Agnellina
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Agnellina »

Ein leises Fauchen lud den Frust sich nicht ganz verstanden zu fühlen beim Ausatmen ab. Es fauchte ein „Chach“ über ihren Gaumen, nicht katzengleich, nicht schlangenähnlich, doch ein für sie wirksames Ventil. Geschmeidig ging sie dabei in die Hocke, steckte ihren Finger in den Sand. Kratzte mit schnellen Bewegungen eine einfache Figur in den Boden, ein Stichmännchen. „Kain. Der erste. Von ihm gehts aus.“ Ihre Finger kratzten von diesem ausgehend Striche in den Boden. Zwei raumgreifende Züge mit allen fünf Fingern, zehn grobe Linien in einem Schwung. „Dreizehn. Du. Ich. Die anderen. Dreizehn.“ Ihre flache Hand verwischte die Ausgänge zehn Furchen zu einem glatten Sandbecken und tippte wie auch einer Klaviertastatur viele kleine Punkte hinein. „Am Ende ist alles rotes Blut. Von einem zu allen und von dem herum in einen. Ich weiß, was du meinst. Aber ich glaube auch, was sie gesagt haben.“
Sie suchte kurz nach Worten, wie sie ihren Gedanken verständlich machen konnte.
„Es geht am Ende immer ums Blut. Bekommen, beschützen, bewahren. Zähne zum Beißen wachsen noch vor dem ersten eigenen Schluck.“
Sie hockte wie ein Frosch am Boden, die nackten Füße und die Hände in den Sand gepresst.
„Doch dann kommt das andere. Manches fällt uns leicht. Fällt uns zu. Liegt uns im Blut.“, gab sie seiner Formulierung Platz. „Manches müssen wir erlernen und unseren eigenen Weg finden. Liegt uns angeblich auch im Blut, aber es ist schwer, fällt uns nicht zu. Alles dient am Ende dazu, das Blut zu bekommen oder es und uns zu bewahren, uns und die Beute zu beschützen. Bei allen. Besser sehen, besser hören, besser packen. Sie trafen ne Wahl.“
Sie deutete auf die Furchen, nahe zu ihrem Kainmännchen. „Nahmen nicht jeden, nahmen diejenigen, die bereits unter der Sonne hatten, was sie richtig fanden, lehrten ihre Kinder weise und klug zu wählen. Nicht leichtfertig zu sein. Einige wählen so wie die meinen. Vielleicht liegt es an der Wahl, dass es so verschieden scheint. Wie wir leben.“, sie sann kurz nach, schien den Faden aus den Augen zu verlieren und brauchte etwas, wieder richtig anzuknüpfen.

„Ich weiß, was du meinst mit angucken und diesen Zeichen.“ Sie knibbelte mit einer Hand an ihrem Ohr herum. „Sind alle verschieden, das ist klar, hab ich verstanden. Doch das ist noch was anderes. Warum soll ich annehmen, dass du was nicht kannst, was ich schaffe? Ich hab auch nicht alles gleich gekonnt. Irgendwann du vielleicht auch und dann kann ich auch was anderes. Gibt so viele Geschichten, bei denen es knapp wurde, weil sie den anderen unterschätzt haben. Weil sie glaubten, nur sie können was besonderes. Ich soll aufpassen, wenn der Schatten von den Lasombra komisch wird. Aber wenn dein Schatten komisch wird, soll ich ruhig stehen bleiben und zuschauen? Nein, da renne ich auch und überlege mir hinterher, ob das jetzt feige war und du das gar nicht können darfst.“
Sie wischte über ihre Striche im Sand, verwischte sie.
„Geheim kann es bleiben. Aber ich will lieber mit allem rechnen, als mich böse überraschen zu lassen.“
Agnellina verzog den Mund, drückte den Rücken durch, straffte sich.
„Deine Worte habe ich auch von anderen gehört. Wie ich es mache, ist meine Sache, aber klar kommen ist Pflicht, sonst reißt es einen weg.“
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Harl
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Harl »

Harl verfolgte ihre Zeichen und diese schienen zu helfen. Er beugte sich etwas vor, fuhr selbst mit den Fingerspitzen darüber, tastend, suchend.

Dann meinte er: “Aye. Heh. Nhh… deine Sache. Auch wenn’s welche gibt, die das anders sehen. Die ihre Weisen und Wege für die Einzigen halten. Die denken, alle müssen so gehen wie sie.” Er verzog etwas das Gesicht.

“Doch das sind nur zusätzliche Gefahren, eh. Am Ende zählt nur dies: dass du und der Rote Hunger in dir einen Weg findet. Ohne dass du dich selbst zur Beute machst und alle anderen um dich her.” Auf einmal lächelte Harl. Es war nur kurz, aber es war erstaunlich sanft für ihn und man könnte es fast für ein ganz gewöhnliches Menschenlächeln halten.

“Und zum Blut…”, er schnaufte selbst einmal. “...von meiner Art in der Nacht, meinem Weg, dem Weg der Jagd, Jäger und Beute, habe ich gelernt, wie alles verbunden ist. Auch das Blut. Es ist… nh. Es ist nicht unmöglich, dass ich lerne, was du mir zeigst. Ich habe so bereits gelernt. Gejagt.”
Er verengte die Augen ein wenig. Es war gefährlicher Grund, auf dem er hier ging und Agnellina konnte wahrscheinlich seine Vorsicht spüren. Oder war es Angst?
“Doch heute Nacht bist du Lehrerin und Schülerin. Gefährtin-in-der-Jagd… .” Er machte eine Geste dahin, wo die Möwe gefressen hatte. “...in der Jagd nach Wissen. Wir beide haben bereits Beute geschlagen.”
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Agnellina »

„Er sagte, ich muss meinen Weg allein finden.“, erzählte sie leise und umriss genauer, was sie mit ihren vorherigen Worten von wegen meine Sache meinte. Ihre Haltung wurde dabei kleiner. Ihr Rücken rundete sich wieder, sie zog die Arme an sich. „Das sei alles, was am Ende zählt. Es würde nichts bringen, wenn ich anderen nacheifere, aber es nicht wirklich fühlen und verstehen kann. Es sei nur wichtig, dass ich klar komme. Und wie das geht, das würde ich nur allein merken können. Ihm sei’s recht, solange Agnellina übrig bleibt. Und er hat mir gezeigt, was passiert, wenn ich nicht auf den Hunger aufpasse. Ich habs gefühlt. Ich habs gesehen. Das will ich nicht noch einmal.“

Sie drehte den Kopf ein wenig, sah ihn mit gezügelter Sehnsucht im Blick an und war doch etwas zu vertraut in diesem Moment mit ihm.

„Ich weiß, wovon du sprichst, wenn du mich Gefährtin-in-der-Jagd nennst. Vieles davon ist mir sehr vertraut. Ich liebe die Gefühle dabei, die Vorfreude, die Aufregung, das Kitzeln innen drin. Wenn es ganz still wird und wenn alles gespannt ist. Wenn es in einem jubelt und trommelt, wenn jeder Schritt ein Ton ist, ein Tanz. Sich selbst fühlen oder sogar sich eins mit den anderen fühlen. Wenn es laut und leise zugleich im Kopf ist und in den Ohren rauscht, man Körper und Sinne ist. Und doch kann ich es nicht, kann ich dem nicht vollkommen folgen. Denn ich liebe nicht alle die Gefühle, die danach kommen.“

Ihre Stimme malte mit den Gefühlen darin das, was sie ansprach. Freude und Sehnsucht, Vertrautes und zugleich eine kalte Grenze, eine Mauer, die zu hoch zum Überspringen war.

„Ich bin nicht so stark, wie ich gern wäre. Mein Fell ist zu dünn. Und ich will sehen und wissen, was andere belächeln oder verteufeln. Du hast gesagt, du vergisst das Land und bist deshalb hier. Um es nicht zu vergessen. Um zu sehen, was die Menschen machen. Ich muss es erst einmal kennen lernen. Verstehen und begreifen. Was die anderen machen. Vielleicht macht mich das nicht stärker. Vielleicht macht mich das sogar schwach. Aber diese Jagd nach Verstehen muss ich für mich machen. Diesen Weg muss ich gerade gehen. Irgendwann weiß ich dann vielleicht, welchen Weg und welchen Regeln ich folgen muss, um die guten Gefühle zu behalten.“

Agnellina wurde still, bemaß sein Gesicht und lächelte schließlich schief.

„Und nichts davon wolltest du wissen. Ich plappere schon wieder zu viel. Ich versuche keine Beute zu sein. Nicht für andere, nicht für mich selbst. Und dich will ich auch nicht fressen. Es sei denn, du versuchst es heute doch noch mit den Seelenvögeln.“
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

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“Kein Plappern”, meinte Harl, der Agnellinas Beschreibung der Jagd-Gefühle intensiv verfolgt hatte. “Ich lerne Agnellina kennen.” Unter Menschen wäre nun normal gewesen, zu lächeln, doch Harl hatte das wohl vergessen. Er starrte nur, doch wirkte dabei recht entspannt und saß auch dort im Sand wie einer, der gerade nicht kämpfen oder fliehen muss.
“Der Rausch. Der Hunger. Die Jagd. Triumph, Beute, Blut an den Zähnen und auf der Zunge. ‘s gehört zu dir. ‘s kann dich frei machen, wenn du das …annimmst. Ab’r… mh. Nicht alle können das. Wagen das. Wollen das. ‘s verändert einen, für immer. Man verliert das …Menschsein, glaube ich. Wie man mal war. Hätte sein wollen.”

“Schätze, das ist die Entscheidung. Wie man durch die Nacht geht, meine ich. Wofür. Wohin. Doch du bist nicht blind. Nur unerfahren. Ich war genau so, früher. Bin nicht so dumm oder stolz, das abzustreiten. War vielleicht unerfahrener als du, denn ich wusste nichtmal, wie blind und jung ich war.”

“‘s waren ein paar harte Lehren für ..nh.” Er brach das ab und zuckte mit den Schultern. “Für mich war’s so. Nach meiner ersten Zeit bin ich los. Sardinien. Sehen, was andere so machen. ‘s hat mehr als einen Hof auf Sardinien… und immer Kämpfe. Kleine Kriege.”

Nun lächelte er, doch es war mehr ein Zähneblecken. “Ein paar bittere Lehren, wie ich sagte. All die Sachen bei Hof. Wie man wen anspricht. Ob überhaupt. Wer zuerst. Wann. Wer wen hasst. Warum. Was das heißt. Und jeder wollte eine unerfahrene Kaulquappe wie mich einspannen. Gebrauchen, wie ein Werkzeug. Waffe. Ein paar hatten Schiss, wegen meinem Blut. Aber nicht viele, denn ich war jung und hatte keine Ahnung. Das ist Schwäche.”

Er schnaufte einmal. “Und Schwäche riechen sie. Wie Haie das Blut im Wasser riechen.” Er nickte Agnellina zu. “‘s ist verdammt viel wert, dass du das bereits über dich weißt. Macht dich …nh. Macht dich wachsamer. Weniger blind, vielleicht. Irgendwas, irgendwer kriegt dich trotzdem. Gilt für jeden. Immer. Solange wir sind. Doch wenn man sich seine Kämpfe aussuchen kann, weil man weniger blöd ist, vorher… heh. Ja. Dann hat man… eine bessere Chance.”

Er verzog etwas das Gesicht. “Das lässt mich mich selbst fragen, warum ich überhaupt wieder rauf bin. Aber …nh. Wir haben alle unsere Gründe.”
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Agnellina »

So sehr sie selbst normalsterblichen Gebräuchen und Gepflogenheiten gewohnheitsmäßig folgte, so wenig schien es sie zu stören, dass es bei ihm mangelhaft ausfiel. Agnellina handelte nach Bauchgefühl und dieses vermittelte ihr im Moment keine Gefahr, die eine über das Normalmaß hinausgehende Anspannung erforderte.

„Es ist deutlich einsamer.“, gab sie leise zu und schwieg dann.

Agnellina blieb einfach in diesem Gedanken und in seiner Gegenwart hocken, ließ den leichten Wind vom Meer über sich blasen und grub die Zehen in den Sand.

Es dauerte, bis sie sich davon befreit hatte. Als es ihr gelang, schüttelte sie den Gedanken wie einen Regenguss ab und streckte den Rücken durch.

„Tanzen sie?“, fragte sie unvermittelt und sah ihm in die Augen. „Tanzen sie in deinem Reich da unten? Das Meervolk? Nixen und Wassergeister? Ist es dort schön?“
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Harl »

Harl antwortete nicht sofort auf die Frage. Er war mit ihr zusammen ein wenig in dem Moment versunken und schien den Wellen zu lauschen. Erst ein Möwenschrei brachte ihn dazu, sich etwas zu regen und dennoch dachte er wohl einen Augenblick lang über ihre Frage nach.

“Ja”, meinte er dann irgendwann. “Sie tanzen.” Er schien noch mehr sagen zu wollen, hatte den Mund halb offen und brachte kein richtiges Wort zustande.

“Die See. Das Meer. Die Tiefe. Schönheit… ja”, stammelte er schließlich. Es klang merkwürdig, als wäre er auf einmal schüchtern geworden. Es klang schrecklich unbeholfen, als wäre er ein unbeholfener junger Bursche, der irgendwie seine Liebe zur Dorfschönheit gesteht.

“Es gibt nichts, das schöner ist als sie”, flüsterte er. “Es gibt nichts, das schrecklicher ist als sie.” Und Agnellina konnte es vielleicht spüren, wie das Echo eines Sogs an der Rückseite ihres Verstandes: Wovon Harl hier sprach, war gewaltiger als er aushalten konnte.
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Re: [1085] Seelenfänger [Agnellina, Harl]

Beitrag von Agnellina »

„Ich möchte es sehen.“, sagte sie bestimmt. „Nicht heute Nacht, nicht morgen. Irgendwann.“, ihre Worte wurden eindringlicher. „Im Moment nicht. Ich mag tanzen und ich rieche es… sie an dir. Das riecht verlockend und irgendwann möchte ich der Fährte in deine Welt folgen und mich dort umsehen. Mit dir an meiner Seite. Sei mein Leitwolf, wenn es soweit ist. Du hast mich das letzte Mal schon gewarnt, dass es nichts leichtes ist, dass es gefährlich ist. Mein Bauch sagt mir, dass der Brocken noch zu groß für mich wäre. Und ich habe meine Jagd hier begonnen. Muss mich erst hier bewähren. Einen Platz in diesem Rudel finden, das gar kein Rudel ist. Verstehen, wie das hier geht, wo sie nicht gemeinsam laufen und doch zusammen sein müssen. Die geforderte Beute bringen und zwei der Platzhirsche dazu bringen, sich vor mich zu stellen. Wenn das nicht klappt, bringt mich der Wind zu einem anderen Ort. Ich werde dazulernen. Kräftiger werden mit der Zeit und besser verstehen, was ich sehe und höre. Ich werde dich dann irgendwann finden und dann sehen wir, ob ich zäh genug geworden bin, um dir zu folgen. Wenn sie mich aufnehmen und ich bleiben darf, werde ich bleiben und hier dafür üben. Du schaust hin und wieder, ob ich näher komme, gibst mir vielleicht einen Fingerzeig. Einverstanden?“

Agnellina fiel während ihres Redens aus ihrer Hockstellung nach vorn, legte die Knie auf dem Boden ab, als sie sich etwas zu ihm vorbeugte dabei, in ihren Worten näher kam. Es war keine Unterwerfungsgeste, dazu hielt sie den Rücken zu gerade, die Brust herausgestreckt. Die junge Gangrel wollte seine Zusage für eine Fährte, die sie gewittert hatte und verlockend fand. Eine Zusage für etwas, was in ihren Augen ihm gehörte, was sein Wort erforderte.
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