[1086] Vorbereitung [Arash, Harl]

[Harl]

Votori war ein im Grunde sehr beschauliches Dörfchen. Oder wäre, läge da nicht der Schatten eines Krieges in der Nacht über den Dingen. Für die Menschen unsichtbar und nur in seinen hässlichen Folgen zu bemerken.

Vielleicht war er selbst eine dieser Folgen? Harl hatte die Dörfler bislang gemieden. Er sah sich bei Nacht um, kroch in der Nähe aus dem Wasser und suchte sich vom Strand her einen Weg ins Landesinnere. Er sah sich Felder und Höfe an, Fischerhütten mit ihren zum Trocknen aufgespannten Netzen, Kirche und Friedhof. Einmal hatte er sich bis auf den Dorfplatz gewagt, in einer dunklen, verregneten Nacht, in der nicht einmal ein Hund vor die Tür gewollt hatte. Ihm war Regen willkommen, wie ein Tuch der Liebsten, das er um die Schultern trug und das ihn an ihre Umarmung erinnerte.

Heute Nacht war ein Scheidepunkt in seinen Streifzügen. Heute Nacht bereitete er sich darauf vor, sich ein Stück weiter vorzuwagen. Er kauerte im Schutz einer Pinie mit ausladenden Ästen. Der Grund war hier mit braunen Nadeln bedeckt und nun auch mit verschiedenen, mehr oder weniger intakten Kleidungsstücken, die er um sich ausgebreitet hatte als wäre dies das Zimmer eines Mädchens vor dem Dorffest und nicht ein halbgezähmter Hain in der Nähe eines Küstendorfes.
Harl strich mit den Fingern über den rauen Stoff eines groben Überwurfs. Schafwolle, früher einmal weich, nach zahllosen Wäschen mittlerweile ausgeblichen und rauh. Da war noch ein dunkler Blutfleck an diesem Überwurf und Harl beugte sich mißbilligend darüber, sog tief die Luft ein, spürte dem verblassenden Geruch des alten Blutes nach.

[Arash]

Tatsächlich war Votori in dieser Nacht gar nicht ganz still. Eine Gruppe von drei Menschen schien zwischen den Häusern auf und ab zu gehen. Fast als würden sie patrouillieren. Sie trugen dunkelgrüne wollene Umhänge, um sich vor der Kälte zu schützen. Die beiden Männer der Gruppe waren mit Speeren bewaffnet, während die Dritte im Bunde, eine Frau mit schwarzen Haaren, einen Bogen führte und auch einen vollen Köcher an der Seite trug.

Bei längerer Beobachtung konnte man herauslesen, dass die Frau vermutlich die Anführerin der Drei war. Ihre Augen glitten unaufhörlich durch die Dunkelheit und schien jedes Detail in sich aufzunehmen. Ihr Gesicht war hart, aber auch auf gewisse weise schön. Die Härte des Lebens und der Natur hatte sich in diesem Gesicht verewigt. Schätzte man das Alter konnte man gut und gerne Anfang bis Ende 30 sagen, aber nichts genaues.

Schließlich traten die Drei auf den Dorfplatz und fächerten von dort aus auf. Jeder ging in eine andere Richtung.

[Harl]

Da war etwas. Er merkte auf, für den Moment waren Kleider und Stoff vergessen. Für einen Augenblick kauerte er vollständig still in der Nacht, das Gesicht halb in den Wind gehoben. Er atmete. Schmeckte die Luft. Lauschte.

Langsam griff er seine Sachen. Überwurf, anziehen. Tuch? Um die Schultern. Hose, keine Zeit, er rollte sie ein, zusammen mit einem Hemd und einer Weste. Würden sie hier herauskommen? Vielleicht. Wie viele? Schwer zu sagen. Wächter? Vielleicht.

Er benutzte die Stoffrolle, um hier und da die Abdrücke in den Piniennadeln zu verwischen. Nadelboden gab nicht viel her, was Spuren anging. Es würde reichen müssen. Leise, leise glitt er über die federnde Decke aus braunen Nadeln, hin zum Rand des Hains. Dort duckte er sich tief, um herauszufinden, wer dort ging.
Er blieb dort hocken, tief geduckt unter den ausladenden Ästen eines Baumes. Wer sollte einen wie ihn schon hier beachten? Doch mit diesem Wollüberwurf blieb er in genau diesen Zweigen über ihm hängen. Als er sich noch ein Stück tiefer duckte und die Hände behutsam auf den Waldboden legte, bog sich der Ast, in den sich die Wolle verfangen hatte, ein Stück weit zu sehr. Der Überwurf zog Harl nach hinten, der Ast federte wieder zurück in seine natürliche Position und nichts davon war lautlos.

Immerhin, Harl fluchte nicht. Er hatte die Worte dafür ohnehin nicht. Er rollte sich herum und ließ den verdammten Überwurf eben im Geäst hängen. Eilig zog er sich zurück, wieder tiefer in den Hain hinein, weg vom Dorf.

Spoiler!

Wahrnehmung+Aufmerksamkeit (erleichtert): 5 Erfolge
Geschick+Heimlichkeit (mit Spezi): Patzer

[Arash]

Fast hätte man meinen können, dass das Geräusch niemand bemerkt hätte, aber dann traten doch die Bogenschützin und ein Speerträger aus der Dunkelheit zwischen den Häusern und machten sich langsam auf den Weg in Richtung des Hains. Wer sie dabei beobachtete konnte sehen, dass sie sich mit Handzeichen verständigten, ohne Worte, so dass niemand Stimmen hören würde. Auch blieb die Bogenschützin etwas zurück und nur der Speerträger näherte sich Vorsichtig den Bäumen. Dabei hielt er den Speer stoßbereit vor sich und versuchte dabei immer einen sicheren Stand zu haben. Währenddessen legte die Bogenschützin einen dunkel gefiederten Pfeil auf die Sehne und behielt alles mit etwas Abstand im Auge. Wo der zweite Speerträger war, konnte Harl zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

[Harl]

Harl ließ sich tragen. Er hatte kein anderes Wort dafür: Dieses Gefühl, wenn man sich den Eindrücken der Welt öffnete und damit eins wurde. Ein Einzelner ist nur ein Ton in der großen Symphonie des Seins. Und sein Ton? Er wurde nun ein wenig leiser. Andere spielten im Vordergrund*.

Langsam und leise schob er sich seitwärts. Er wusste nichts von einem dritten Jäger, doch er wollte und er musste nicht bleiben, wo diese zwei suchten. Manchmal wartend, manchmal langsam Schritt für Schritt, glitt er in etwas Abstand an ihnen vorbei. Er tarnte seine Schritte in ihren, denn er kannte den Rhythmus ihrer Musik.

Wenn sie hielten, hielt auch er. Wenn sie spähten, spähte auch er. Wo sie lauschten, lauschte auch er. Lag da eine Ahnung ihres Geruchs im Wind? Leder und Schweiß. Holz. Essen. Er wollte die Luft tiefer einziehen, den Geruch aufnehmen. Doch für den Moment hielt er sich zurück. Geduld, Geduld.

So schlich er um sie herum, um eben dorthin zu gelangen, von wo diese beiden wohl kamen.

—

Spoiler!

*Verdunkelung 2
Geschick + Heimlichkeit: 3 8 7 10 6 5 6

[Arash]

Die beiden Menschen schienen Harl nicht zu bemerken. Der Speerträger blickte aufmerksam in das Dickicht und die Bogenschützin versuchte ihn so gut es eben ging im Auge zu behalten und die Umgebung abzusichern. Allerdings blieb ihnen der Malkavianer verborgen. Der Speerträger untersuchte auch den Boden schien aber nichts zu finden und drehte sich so dann auch herum und zuckte mit den Schultern. Daraufhin nahm die Bogenschützing den Pfeil von der Sehne und machte eine winkende Geste. Sodann gingen die Beiden zurück in Richtung der Häuser. Immerhin erwarteten sie jemanden.


__

Spoiler!

Wahrnehmung + Aufmerksamkeit:
6,5,5,3 (1 Erfolg)

[Harl]

Harl bewegte sich weiter mit ihnen. Wenn sie gingen, ging auch er. Ihre Bewegungen wurden zur Hülle für seine, ihre Geräusche und Laute zum Deckmantel für seine eigenen.

Er wusste nicht, wer sie waren. Sie waren hier nicht fremd, doch das konnte so vieles heißen, dass das Raten ihn nirgendwohin führte. Und so riet er nicht und machte seinen Verstand still, sich selbst still, die Seele still. Nur wer schweigt, kann auch tatsächlich zuhören, also schwieg er und lauschte ihren Klängen. Ihr Geruch vermischte sich mit dem des Dorfes, Dung, Tiere, Menschen, Abfall, Essen, Staub und Schlamm, Wasser und Wind, Rauch und Pisse.

Alles, was sie taten und nicht taten, was sie sprachen oder dass sie nicht sprachen, wie sie miteinander gingen und sich trennen konnten, wie sie gingen und wohin... all das und mehr würde schon ganz eigene Antworten bringen.

[Arash]

Die beiden Menschen verschmolzen wieder mit dem Dorf, während sie zwischen die Häuser eintauchten. Kurz darauf war auch der Dritte wieder bei ihnen. Allerdings war er nicht allein gewesen. Ein Vierter hatte sich zu Ihnen gesellt. Ebenfalls in einem Kapuzenumhang gekleidet. Dieser war allerdings in ein dunkles blau getaucht und schien eine bessere Qualität zu haben, als die der drei Anderen.

Es dauerte auch nicht lange bis Harl der Geruch nach Wildnis, Tannenadeln und Moschus in die Nase wehte. Wo dieser herkam, war erst einmal schwer zu sagen. Vielleicht von dem Neuankömmling. Die drei Anderen hatten nicht so gerochen. Nun schienen sie kurz miteinander zu sprechen, bevor der Neue sich anschickte das Dorf wieder zu verlassen. In Harls Richtung.

[Harl]

Harl lauschte. Er konnte ahnen, wer der vierte war und das war eine beruhigendere Erklärung für die drei als irgendeine Dorfmiliz, die für gewöhnlich einen guten Grund für dauerhafte nächtliche Patroullien brauchte, oder die Präsenz von weiteren, die er nicht kannte.

Dennoch hörte er hin. Es sagte viel über die drei und über den vierten, wie sie miteinander sprachen. Was. Worüber. Wenn nur er selbst der Grund gewesen war, taten sie wohl nichts als ihre Aufgabe? Gehörten sie dem vierten? Blut und Treue, Gedeih und Verderb?

So hörte er hin und lauschte diesem Auf und Ab ihrer Stimmen.

—

Spoiler!

Harl lauscht den gewechselten Worten (SG erleichtert um 3): 4 6 8 1 10 6 6 4 (6 Erfolge)

[Arash]

Harl lauschte den Stimmen und dem auf und ab des Gesprächs. Eine der Stimmen kannte er. Die hatte er bereits gehört. Die Stimmen der Anderen waren für ihn unbekannt. Aber er konnte nur hören das etwas gesprochen wurde. Was gesprochen wurde, konnte Harl nicht verstehen, denn die Sprache war hier nicht heimisch. Sie klang anders als das Italienische. Härter in manchen lagen und weicher in anderen. Die Worte ergaben keinen Sinn für ihn und doch war der Klang der Sprache schön.

Der Gang des Neuen, welcher weiterhin in Harls Richtung ging war geschmeidig und Leise. Die Bewegungen durch den Umhang kaschiert, aber ein geübter Jäger konnte erkennen, dass dieser wusste wie man sich bewegt.

Erst, als er weit genug von den Häusern entfernt war, so dass niemand ihn sehen oder hören konnte knurrte er ein: "Zeig dich!" und wartete.