[1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

[Oktober '23]
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Agnellina
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[1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Agnellina »

Im gesamten Dorf lag Fischgeruch in der Luft. Es waren die Duftnoten von gekochtem Fisch, der sich mit dem Geruch der Feuerstellen mischte. So viele Hochtage im Jahr hatten ihren ganz eigenen Geruch, aber dieser Geruch nach Fischsuppe war für sie der Auftakt der Fastenzeit. Der Geruch hatte ihre Schritte zögerlich zum Gotteshaus gelenkt.
Länger hatte sie gezögert. Mehrere Menschen, wach und rege. Vielleicht jemand mit scharfem Blick. In solchen Momenten raunten warnende Stimmen von erzählten Geschichten in ihrem Geist. Erzählungen der Älteren, der Verwegenen und der Streuner und Wanderer. Schaurig und spannend, unterhaltsam und lehrreich, wenn man achtsam lauschte. Ein Gebäude, noch dazu ein Gotteshaus, mit Mauern und Türen, konnte eine Mausefalle werden, wie sie in verschiedenen, ausgeschmückten Varianten gehört hatte. Sie beruhigte sich innerlich. Weder hatte sie wilde Augen noch sah man es ihr an der Nasenspitze an. Sie durchforstete ihre Erinnerungen. Fremde Gesichter im Gottesdienst, wie genau hatte sie diese betrachtet? Wie hatten andere darauf reagiert? Agnellina nahm ihren Mut zusammen und mischte sich unter die Sterblichen. Das Verlangen nach vertrauten Ritualen, nach dem Ablass war größer als die Bedenken.

****

„Quia pulvis es et in pulverem reverteris.“

Langsam kam er näher. Sie beobachtete den Priester. Dabei hielt sie konzentriert ihr Mantra ein.
Atmen. Ruhig und gleichmäßig. Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Konzentriert.

Der Daumen wurde in das Schälchen gedrückt.
Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Ein. Halten. Aus. Blinzeln.
Worte begleiteten die Bewegung des Daumens auf der Stirn des Menschen neben ihr.

„Quia pulvis es et in pulverem reverteris.“

Dann stand der Priester direkt vor ihr.
Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Ein. Halten. Aus. Blinzeln.
Langsam, nicht hektisch werden, ermahnte sie sich. Der Mensch neben ihr roch. Der Priester roch nach der Wolke aus Weihrauch, die in sein Gewand gezogen war.
Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Ein. Halten. Aus. Blinzeln.
Sie fühlte die Nervosität in sich. Der Daumen senkte sich in die Schale, drückte sich in die heilige Asche.
Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Ein. Halten. Aus. Blinzeln.
Sie fühlte, wie der warme Finger sich auf ihre Stirn setzte.
Ein. Halten. Aus. Blinzeln. Ein. Halten. Aus. Blinzeln.
Er zeichnete sie und sprach die Worte: „Quia pulvis es et in pulverem reverteris.“ und mit jedem vertrauten Wort in der fremden Sprache breitete sich Erleichterung in ihr aus.
Ein gewispertes „Danke.“ entfleuchte ihr aus tiefem Herzen und der Priester ging weiter.

****

Freiheit. Kaum aus der Tür, unter dem offenen Himmel und befreit von den Schatten der dicken Mauern der Kirche, atmete Agnellina tief und befreit durch. Sie fühlte sich gut. Hungrig, aber gut.
Sie entfernte sich rasch von der kleinen Kirche und schlug den südlichen Weg zur Flussquelle ein, der vom Dorf weg führen würde. Im nächstgelegenen Schatten wartete sie. Sie wusste, es würden noch Häuser kommen und demnach kamen auch noch Leute. Leute, die eilig zu ihrem ersten Fastenmahl kommen wollten, welches auf den heimischen Herden warm stand. Das Glück war ihr in dieser Nacht hold und Agnellina handelte schnell. Sie sprang die vorauseilende Frau von hinten an, riss sie um und versenkte sofort die Zähne in ihrem Hals. Gierig trank sie mit kräftigen, saugenden Schlucken, keine Zeit zum Genießen. Sie trank, bis der Körper in ihren Armen in der Bewusstlosigkeit erschlaffte und riss sich dann los. Innerlich zu wenig, wie immer gierte der Hunger nach mehr. Das Zügeln war schwer, doch sie wollte das Leben in dem schlaffen Leib in ihren Armen erhalten. Sorgfältig leckte sie über die Bisswunde, bis sie sich völlig geschlossen hatte und auch der letzte verschmierte Blutstropfen herum abgeleckt war. Agnellina lauschte kurz in die Dunkelheit, dann zerrte sie ihre Beute zurück auf die Straße. ‚Gestolpert.‘, überlegte sie und begann breitere Äste zu Füßen der Frau als Stolperfalle zu drapieren.
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Roya
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Roya »

Sie war über die Brücke geschlichen, oder vielmehr gehuscht, und hatte das kurze Zeitfenster genutzt, in der die Menschen des Dorfes ihrem Glauben nachhingen. Als sich die Pforten der Kirchen nun aber öffneten, hatte Roya sich zügig zurückgezogen. Es war ihr Zeichen gewesen zu gehen. Sie in Frieden zurückzulassen. Die Malkavianerin wollte keine Gerüchte über eine in dunkle Kleider gehüllte, dunkelhäutigere Frau aufkeimen haben, die durch ihr Dorf schlich und die Menschen mit ihrer Anwesenheit in Angst und Schrecken versetzte. Zumal Roya bereits gesehen hatte, was sie sehen wollte. Sie hatte Orte und Versteckmöglichkeiten ausmachen können, an denen Fremde sich verkriechen mochten, den Tag überdauernd, um bei Nacht weiterzuziehen. Dies genügte ihr vorerst.

Insbesondere, nachdem es in den letzten Jahren wiederholt Gerüchte gegeben hatte. Waldgeister, blasse Personen und sonstige Schauergeschichten über die Jäger der Nacht ließen die Menschen nicht zur Ruhe kommen. Und mit ihnen war jeder Schritt den Roya machte zu einer echten Gefahr geworden. Nicht nur für die Stille, sondern auch für sich selbst, auch wenn sie im Gegensatz zu manch anderem, die Sterblichen eher mied, denn sie bewusst aufsuchte. So bewegte sie sich bereits in den Schatten der Häuser, in Richtung Brücke, als sie die schnellen Schritte aus der Ferne hinter ihr vernahm, die in ihre Richtung eilten.*

Instinktiv war Roya hinter eines der Fässer gehuscht, die zum Sammeln von Wasser dienten, während sie sich eng an die Hauswand presste.** Sie lauschte starr verharrend, ob noch weitere Schritte folgen würden, verwirrt als diese jedoch plötzlich verstummten, anstatt an ihr weiter vorbei zu rennen. Vorsichtig blickte sie entsprechend aus ihrem Versteck heraus auf das Ganze, die schmale Ritze zwischen Haus und Fass dabei als Sichtschlitz nutzend, ihren Kopf dabei nachdenklich zur Seite geneigt, als sie das krude Schauspiel im Schein des Mondlichts in einigen Metern betrachtete, während ihre Zunge über ihre Lippen leckte.

Dann huschten ihre grauen Augen jedoch weiter in Richtung der Kirche, aus der immer mehr Dorfbewohner strömten, sich das Gesicht, die Statur, gar die komplette Erscheinung der Fremden einprägend, bevor Roya sich auf den Weg machte. Erneut verschwand sie in den Schatten, einen weiten Bogen um das Haus und den Ort des Geschehens dabei schlagend, das Dorf letztlich über die Brücke schleichend verlassend. Was auch immer in dem Dorf vorgefallen war, sie wollte kein Teil dessen sein. Vielmehr zog sie sich bewusst an den Strand zurück, während sie aus der Ferne, etwaigen Geräuschen im Dorf lauschte.

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*Vernehmen der Schritte: 2 Erfolge
**Verstecken/Heimlichkeit: 6 Erfolge
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Agnellina
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Agnellina »

Roya konnte die Erscheinung klar als weiblich ausmachen. Rock und Hemd waren von schlichter, praktischer Machart, soweit das durch die Bewegungen unter dem wärmenden Umhang zu sehen war. Die Haut war hell - bis auf das sich dunkel abzeichnende, frische Aschekreuz auf der Stirn - und die waren Haare dunkel, lang und offen. Das helle Tuch, welches in der Kirche zuvor als Kopftuch gedient hatte, war in dem um die Taille drapierten Wolltuch verschwunden, und nun fielen die dunklen Locken bis in den Rücken. Die Frau war verhältnismäßig durchschnittlich gebaut. Keine sonderlich auffallende Erscheinung, eine Magd, wie es sie in der Gegend vermutlich zahlreich gab. Vom klaren Jagdgebahren eines Kainiten für die geübten Augen abgesehen. Doch zumindest bemühte sie sich, ihre Spuren zu verwischen.

Agnellina gab nach der Inszenierung zügig Fersengeld, überließ es den bald folgenden Menschen sich um ihr Abendessen zu kümmern und es aus der Ohnmacht nach dem unglücklichen Sturz zu holen. Sie selbst strebte gen Süden, dem Strand zu. Dort wurde sie langsamer, verfiel wieder in ein ruhiges Gehtempo. Sie orientierte sich und überlegte, zu welcher Seite hin Genua liegen musste. Unentschlossen, wohin sie gehen wollte, betrachtete sie den Strand zu beiden Seiten hin.
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Roya
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Roya »

In einigen Metern Entfernung konnte Agnellina etwas erspähen, was auf den ersten Blick wie ein größerer Stein am Strand wirken mochte. Dunkel hob es sich von dort ab in Farben von grau, braun, ocker, während die Kämme der Wellen silbern im Mondlicht glitzerten, die ruhig angespült und mit einem leisen Rauschen ins Meer zurückgezogen wurden. In Richtung Osten konnte sie in der Ferne schwach die Lichter der Leuchthäuser zwischen Genua und Quinto al Mare ausmachen, die ihr den Weg zurückzeigen mochten, während gehen Westen und Norden das Dorf selbst lag und im Süden das Meer.

So Agnellina den Weg entlang des Strandes gen Osten wählte, erhielt der Stein mehr und mehr die Konturen eines Menschen. Ein braunes, wenn auch von Dreck und Schmutz gezeichnetes, mondgeküsstes Gesicht, welches die südländischen Wurzeln nicht verheimlichen konnte wurde mit jedem ihrer Schritte klarer. Ebenso wie die Kleidung, mit welcher der Körper vollständig bedeckt war, als dieser in der Hocke saß, Hände und Füße verborgen, so dass es wie ein einziger Stoffball wirkte.

Der Kopf der Fremden neigte sich zur Seite, als graue Augen die Gangrel von unten herauf musterten, bevor sich ihre Lippen öffneten. „Wohin des Weges, Kindchen?“ Die Stimme der Ende Zwanzigjährigen klang rau wie das Waschbrett auf dem die Frauen am Flussufer des Tages ihrer Wäsche reinigten. Dennoch war sie durchzogen von einer mütterlichen Wärme. Unbewegt hockte sie da, ihr Gegenüber schweigsam musternd.
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Agnellina
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Agnellina »

Eine Weile blieb sie stehen und wandte sich in keine besondere Richtung. Oder war bereits entschlossen, wohin ihr Weg führen sollte, vertrödelte aber Zeit mit dem Betrachten des Meeres. Sie ließ den Blick schweifen. Das leise Rauschen und Wogen der Wellen, die glitzernden Lichtpunkte der Nacht in der Ferne, die schroffen Formen der Felsen, welche den Strand umgaben. Ihre gesamte Körperhaltung wirkte von der Ferne her entspannt. Frei und sorglos, so allein außerhalb der Stadt und im Frühlingswind stehend.

Ihre spazierenden Schritte gen Osten wandeln sich in pirschende Bewegungen, als sie den Körper ausmacht. Vorsichtig nähert sie sich dem Stoffklumpen, betrachtet die deutlicher werdenden Konturen. Ihre dunklen Augen bildeten im Mondlicht einen deutlichen Kontrast zur winterlich blassen Haut und den gräulichen Aschespuren auf der Stirn, welche sie nicht fortgewischt hatte.
„Zurück zur Herde, Mütterchen.“, antwortete sie artig. „Ist Euch nicht wohl?“
In der Sicherheit einiger Schritte Entfernung blieb sie stehen, aber ihre neugierigen Augen lagen genau auf der seltsam dunklen Frau.
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Roya
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Roya »

„Ich jage.“ Für einen Moment schwieg Roya, als sie nach dem passenden Wort suchte. Dann löste sich ihre Hand und sie deutete mit ihren verschmierten Fingern weit hinter sich auf den Sand, wo schnelle Bewegungen in der Dunkelheit auszumachen waren. „Krebse.“ Dann legte sie ihre Hand auf ihren Knien ab. „Bist ein ziemlich mutiges Kindchen, hm?“ Ihre grauen Augen lachten vergnügt auf. „So ganz allein. Mit einer Dunkelhäutigen in der Nacht am Sprechen. Ohne Stab. Ohne Hund. Ohne Licht.“ Ihre Finger bewegten sich aufzählend, derweil Roya noch immer auf dem Boden hockte und keinerlei Anstalten machte sich zu bewegen, während sie ihr Gegenüber mit schief gelegtem Kopf betrachtete. „Sag, wie heißt du, Kindchen? Und zu wem gehörst du?“ Sie machte eine kurze Pause, bevor sie eine weitere Frage nachschob. „Und zu wessen Herde willst du?“
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Agnellina
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Agnellina »

Der neugierige Blick ruhte weiter auf der Fremden. Die Augen tanzten über die Gestalt, erforschten die seltsame Verhüllung und das fremdländische Aussehen. Zwar durch Neugier aufgeschlossen, doch nicht zutraulich dumm, dass sie näher kam. Sie behielt den Abstand bei, betrachtete die Frau und ließ sich Zeit mit den Antworten.
„Wir haben diesen Mut wohl gemeinsam. Ihr beim Jagen nach den schnappenden Viechern im Mondlicht und ich gehe unter den Augen des Herrn von seinem Haus zu meinen Tieren.“, stellte sie schließlich fest.
Die erhobenen Finger kommentierte sie gar nicht oder fand an der Aufzählung nichts, was sie irgendwie korrigieren oder erläutern müsste. Sie sah einfach zu, was die andere tat, als würde diese einer spannenden Tätigkeit nachgehen. Schließlich umfasste sie mit der rechten Hand ihr Ohr und kratzte mit dem Daumen am äußeren Teil der Ohrmuschel, als würde es dort jucken oder wie eine unbewusste Geste der Verlegenheit.
„Dann eine gute Jagd und reiche Beute.“
Sie schickte sich an ihren Weg fortzusetzen und nicht weiter beim Krebse fangen stören zu wollen.
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Roya
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Roya »

Roya stieß einen dumpfen Hm-Laut aus, doch sagte nichts weiter dazu. „Einen sicheren Weg, Kindchen ohne Namen und Erzeuger.“ Ihre grauen Augen folgten der Aufbrechenden nach. „Gib Acht, dass du nicht im Dunklen stolperst.“
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Agnellina
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Agnellina »

Agnellina hatte sich bereits umgedreht und die ersten Schritte gemacht, als sie Royas Abschiedsworte hörte. Etwas darin, eines der Worte, ließ sie ein wenig zusammenzucken. Sie brauchte einige Schritte, bis sie innehielt. In den grauen Zellen arbeitete es eine Weile, dann kehrte sie um, kam zurück und trat dieses Mal näher an Roya heran.
„Wie fängt man Krebse, Mütterchen?“, sagte sie, als sie sich näherte. „Darf ich zusehen, wie man das macht?“
Sie blieb recht nahe bei Roya stehen und sah auf die Hockende hinab. Ihre Augen wanderten über die bedeckende Verhüllung und suchten nach einem Fixpunkt. Die Sitzhaltung und der Stoff machte es schwer, die Brust sich heben und senken und so Atemzüge zu sehen. Die exotische Gesichtsfarbe irritierte Agnellina und wich vom gewohnten ab, sodass sie unsicher war, ob das nun winterlich blass oder leblos fahl war, wenn es doch eigentlich gebräunt auf sie wirkte.
„Es ist spät, die Herde ist müde und träge und heute Nacht wird keine der Tragenden lammen. Die Hunde werden sie wohl ein Stündchen länger allein beieinander halten können.“, sagte sie erklärend, noch immer mit den Augen auf der Suche nach verräterischen Anzeichen. Das Wort klang ihr nach, dieses eine, dass sie stutzen ließ. Wie ruhig die Frau hockte. Ob es nicht zu kalt war? Wie warm war wohl dieses Gewand für eine Sterbliche war? Sie waren am Meer, die Wellen rauschten und trugen auch die Luft mit sich. Agnellina versuchte zu spüren, ob es kalt sein könnte. Doch ihr war einfach nicht kalt. Die Frühlingssonne war am Tage noch blass und hatte wenig Kraft, die Nacht war noch von Wintertemperaturen erfüllt und der Wind ging leicht.
„Frierst du wohl, Mütterchen?“, fragte sie tumb.
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Roya
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Re: [1086] Frühling in Genua [Agnellina, Roya]

Beitrag von Roya »

„Ich schätze nicht mehr als du, Kindchen.“ Roya schmunzelte leicht, dann deutete sie einladend auf die Stelle unweit vor sich. „Setz dich. Ich zeige dir wie es geht.“ Sie wartete, bis die Fremde sich gesetzt hatte und blickte sie aus grauen Augen an, bevor sie die Unterweisung begann. „So es gibt zwei Möglichkeiten Krebse mit der Hand zu fangen.“ Ihre dunkle Hand hob sich, gemeinsam mit einem Finger. Sie war bedeckt mit mehreren Schichten von Schlamm, während darunter dunkle Linien auszumachen waren.

„Die eine ist, du sitzt einfach nur da. Ganz ruhig und wartest. Dann sie kommen aus ihren Verstecken und rennen über den Strand. Dann musst du schnell und geschickt sein. Mit zwei Fingern packst du sie hinter ihren Zangen.“ Ihr Daumen und Zeigefinger machten eine zupackende Bewegung in der Luft. „Und schon hast du einen gefangen.“ Ihrer rauen Stimme wog eine hörbare Leichtigkeit inne, während sie ihren Zeigefinger weiter erhoben hielt.

„Aber es muss Nacht sein dafür. Krebse kommen nur bei Nacht heraus. Denn dann schlafen ihre Jäger. So sie fühlen sich sicher.“ Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen Royas. „Zu sicher.“ Dann deutete sie auf einen größeren Stein zwischen ihnen. „Oder du suchst eine Stelle mit ruhigem Wasser. Sie verstecken sich dort unter den Steinen. Du musst dich ganz langsam im Wasser bewegen. Als wärst du ein Teil des Wassers. Dann hebst du ganz langsam den Stein an.“

Mit einer bedächtigen Bewegung zeigte sie ihrem Gegenüber, wie vorsichtig sie dabei vorgehen musste. „So du zu schnell bist, erschreckst du den Krebs. So er wirbelt Schlamm auf und du siehst ihn nicht mehr. Dann ist er weg.“ Roya wog den Kopf hin und her, während sie den Stein drehte, so dass er offen in ihrer Handfläche lag. „So du es richtig machst, sitzt er vor dir und du kannst ihn mit deinen Händen umschließen, so er klein ist. Oder du packst ihn hinter den Zangen, so er größer ist.“

Dann hielt sie der Fremden den Stein auf ihrer offenen Handfläche entgegen. „Hier, für dich, Kindchen. Als Andenken und Erinnerung, dass man beim Jagen immer vorsichtig sein muss.“ Ihr Blick aus grauen Augen lag unbewegt auf ihr und Agnellina mochte sich fragen, wann das letzte Mal gewesen war, dass ihr Gegenüber geblinzelt hatte, bevor in ihr Bewusstsein drang, dass Roya es während der ganzen Zeit nicht getan hatte. „Man weiß nie, wer einen dabei beobachtet.“ Ein zartes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Oder was sich daraus entwickeln mag.“
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