[1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

[Oktober '23]
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Harl
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[1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Harl »

Es war mitten in der heißen Jahreszeit, in der die Nächte kurz und ihre Kühle so flüchtig schien, dass Harl sich am Leuchtturm Genuas wieder zeigte. Dieses Mal schlich er sich nicht an, denn er hatte die geheime Herrin jenes Turmes kennen gelernt. Doch er kam auch nicht ganz offen, denn die meisten Menschen, die ihn sahen, hielten ihn eben einfach für einen dahergelaufenen Tagedieb, abgehalfterten Matrosen oder Schauerer.

Er sprach dort am Turm vor, bei dem Erstbesten, der ihn nicht sogleich fortjagte und der bereit war, eine Nachricht entgegen zu nehmen. Vielleicht hatte er auch mit etwas Geduld das Glück, an denselben Gerüsteten zu geraten, zu dem Angelique selbst schon gesprochen hatte, als Harl dabei gewesen war. Er hielt jedenfalls nach diesem Ausschau.

Die Nachricht lautete jedenfalls ungefähr so:
“Ich würde gern sprechen. Mit …der Kleinen.” Dazu würde er ungefähr mit einer Hand Angeliques Größe anzeigen. “Wenn Sie Zeit hat, soll sie ein kleines Licht raushängen. Wasserseits. Wo sonst keine kleinen Lichter hängen.”

Falls das so ungefähr gelang, würde Harl sich auch wieder trollen, jedoch von da ab an regelmäßig nach so einem kleinen Licht Ausschau halten. Das würde nicht jede Nacht gelingen, aber doch wenigstens alle paar Nächte.
“We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far.” - Lovecraft (The Call of Cthulhu)

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Angelique
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Angelique »

Ein Wächter öffnete. Ein anderer als das letzte Mal. Er trug eine Armbrust und einen Helm mit breiter Eisenkrempe. Ein zweiter stand weiter hinten im Turm.

Der Kriegsmann wirkte etwas überrumpelt. "Was? Wer?"

Der andere Mann lachte. "Er meint den kleinen Schreiber der Sergeanten, wenn du verstehst, Junge."
Dabei betonte er das Wort "Schreiber" sehr gedehnt.

"In Ordnung, Fremder. Ich werde das ausrichten. Ich kann aber nicht versprechen, dass die Sergeanten der Nachtwache das mit dem Licht dulden werden. Der Turm der Nacht ist ja schließlich kein Hurenhaus, wo man Lichtzeichen gibt."

Er stockte kurz und griff neben die Tür. "Hier", sagte er und gab dem abgehalftert wirkenden Mann ein Kanten Brot. "Wir sind angehalten, Bedürftigen zu helfen, aber sag es nicht weiter, sonst rennen uns die Berufsbettler die Tür ein."

Wie auch immer, tatsächlich brannte schon in der nächsten Nacht eine kleine Laterne auf der genannten Seite. Nicht zu übersehen für Kinder des Mondes.
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Harl
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Harl »

Harl dankte für das Brot, denn so waren die Masken gewoben, die sie alle trugen und zu tragen hatten. Und eine freundliche Geste war zu allen Zeiten etwas Seltenes. Er nahm den Kanten und trollte sich, um ihn bei der nächsten Gelegenheit einem der Straßenkinder zuzuwerfen oder ihn einem dösenden Bettler zuzustecken. Er verschwendete nicht gern etwas, nicht einmal einen Kanten Brot.

Sobald er die Laterne sah, kam er zurück. Nicht eben früh in der Nacht, doch mit ein paar Fischen in den Armen, die er am Hafen auch wieder an den einen oder die andere verteilte. Und wenn es die Möwen oder Katzen waren, war es auch recht. Keine Verschwendung.

In dieser Nacht trug er wieder eine Art von Hüftwickel - gut möglich, dass das irgendwann mal jemandes Schürze oder Überwurf oder einfach ein größeres Tuch gewesen war. Aber immerhin trug er etwas, was wohl auch schon etwas für sich hatte. Er versuchte, sich die silbrig glänzenden Fischschuppen von den Armen zu wischen, jedoch mit eher mäßigem Erfolg.

So oder so, er zeigte sich wieder am Turm. Er wollte sich nicht einschleichen, denn das wäre im Haus eines anderen ein Grund für Kampf und Blut. Also kam er ganz ähnlich wie zuvor zum Turm und bat um Einlass.
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Angelique
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Angelique »

Einer von Angeliques Vasallen machte dieses Mal die Tür auf und ließ ihn ein.
Angelique wartete an der Leiter nach oben und führte ihn hinauf in ihr kleines Kämmerchen.

"Ungewöhnlich, aber nicht unerwartet bei dir, diese Art der Kontaktaufnahme, Bruder im Blute. Da dies ein Ort der Stille ist, war es gerade so im Rahmen, selbst wenn es für etwas Gerede bei den Uneingeweihten sorgte.
Willkommen im Turm der Nacht. Was führt dich her?"
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Harl
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Harl »

Er neigte einmal den Kopf zu diesem Willkommen. “Danke.”
Dann erst nickte er vage. “Ja, gefährlich. Wie läuft’s besser?”, fragte er. “Dein Haus, dein Wort.”

Er fingerte dabei jedoch auch schon an dem Tuch herum, das er um die Hüften geschlungen hatte. Das jedoch nur, um dort eine Kordel loszumachen, die vielleicht von einem alten Netz stammte. An ihrem Ende hing ein Tritonshorn, gelb und braun gemasert und kühn geschwungen.

“Ein Haus von einer anderen”, sagte er und hielt Angelique das Schneckenhaus hin. “Von einer Jägerin, die mit ihrem Haus Sterne jagt.”
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Angelique »

"Oh, hübsch. Man hört das Meer darin, selbst wenn es fern ist." Sie wirkte ganz vernarrt in diese wunderschöne Schöpfung und lauschte daran.
"Sie jagt Sterne, ja? Asteroidea also ... Du weißt so viel über das Meer und seine Bewohner. Ich wünschte, das beibringen, dort zu pilgern, die Schöpfung zu erfahren."

Sie schrak aus ihrer Träumerei auf und widmete sich seiner Frage.

"Es ist eigentlich einfach. Wir machen ein Tag im Monat aus, an dem ich mit großer Sicherheit hier bin. Wenn du willst, komm dann vorbei.
Und wenn es dringend ist, dann machen wir es wie heute und du meldest dich an. Aber nicht mit Formalitäten. Ist ja nicht das Elysium hier."

Sie lächelte und streichelte die Tritonsmuschel, um ihre Textur zu erfahren. "Du kommst, um mir das Meer zu lehren, aber was kann ich im Gegensatz für dich tun?"
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Harl »

“Ich komme her, um dich nach Erinnerungen zu fragen”, sagte Harl. Er ging ein paar Schritte, doch dann tippte er mit dem Fuß auf den Boden wie um das folgende zu betonen: “Von hier.”

“Du sagst mir, was du dafür willst, dass du sie teilst.” Vorsichtig sah er sie an. “Ich suche einen Namen aus den Gesängen der Jagd: Brimir Bögvisson. Sein Schicksal. Ich weiß, dass er endete. Doch Arash hat nicht viel mehr gesagt als das.”

Er wandte sich ihr zu. “Und ein paar andere. Namen. Fragen. Ich will Ereignisse von früher …wiederfinden. Mich erinnern. Zusammensetzen. Habe viel vergessen. Vielleicht kannst du machen, dass ich mich erinnere.”
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Angelique »

"Bring mir Unterwasserreisen und -überleben bei", meinte sie schlicht.

Dann stellte sie sich hin und begann lieblich ein Lied zu singen, das sie schon einige wenige Male zuvor gesungen hatte.

Es war ein langes Lied und es begann mit dem Leben eines Sterblichen im heidnischen Norden und ging weiter mit dem Unleben, das diesen nach Genua führte.

Es war die Saga von Brimir Bögvisson, von seinem Aufstieg, seinem Fall, seinem Verhängnis und seinem Tod im Kampf.
Von all seinen Taten und Missetaten, von seiner Seele als Bestie, als Vampir und als Mensch.

Er war zwar Asche im Wind nun, doch sein Ruhm hallte in dem Lied wider, wie es das Meeresrauschen in der Muschel tat.


Charisma+ Vortrag Gesang

— heute um 21:45 Uhr
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Harl »

Während sie sang, lauschte er ihr. Es war kein stilles Lauschen wie eine Andacht in der Kirche sondern er wiegte sich mit dem Klang und Takt ihrer Stimme, tat einen Schritt hierhin, einen dorthin. Sobald er den Rhythmus hatte stampfte er ihn dumpf mit, eine Trommel aus Fleisch und Knochen und Stein.

Zum Ende hin ließ er sich gegen die Wand sinken und sah empor, wo Gebälk, Dielen oder Stein ihm den Blick versperrten, hinter denen jedoch die Sterne und der Mond lagen und immer liegen würden. Und hier heulte Harl einmal. Es war kein sehr menschlicher Laut, zu roh und zu zügellos. Doch es hatte auch wenig mit dem Heulen eines Wolfes zu tun, außer, dass es mondgewandt war.
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Re: [1086] Vergangene Zeiten und Leute [Angelique, Harl]

Beitrag von Angelique »

Ohne es zu wollen und ohne darüber nachzudenken, stimmte Angelique in das Heulen mit ein. Das Heulen der Mondsüchtigen. Das Heulen der Wahnsinnigen. Das Heulen der Bestien, selbst wenn sie nur einen Welpenkörper hatte. Auch ihr Schrei war nicht mehr menschlich.

Von isoliert stehenden Turm auf den Felsen war dies von den Sterblichen nicht zu vernehmen, dass die wahren Kinder der Nacht ihr Rudel unter Mond bildeten.

Aber die Hunde Genuas hörten das Geheul natürlich und erst fing einer an und dann fielen andere mit ein und bald heulte jeder Straßenköter und jeder Hofhund mit in diesem schaurigen Gesang.

Vielleicht waren auch die Wahnsinnigen, die Abartigen und die Außenseiter betroffen und vernahmen den psychischen Ruf, ohne zu wissen, woher das kam.

Vielleicht hörten auch einige der Untoten dieses Heulen des Hauses Malkavs und erinnerten sich vage an die Angst, die sie als Sterbliche vor dem unerklärlichen Irrsinn gehabt haben mussten.
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