[1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

[Oktober '23]
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Ilario
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[1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Der Lasombra stand nah am Abgrund, die Klippen hinter San Nazareth dienten ihm einmal mehr als Ausblick. Mit Blick auf die See wanderten seine Gedanken über die Bucht von Genua, zu den Küsten der schattigen See, weiter die Adria hinauf und zu den tiefsten Schatten.

Genua, Aurore, Lydiadas... dieses neue Amt. Die Ahnen hielten die Ancilla beschäftigt, so war es seit jeher. Doch würde er diese Pflicht am liebsten los sein und in Stille seinen eigenen Weg gehen. Grübelnd blickte Ilario auf das Meer hinaus. Zu exponiert... das Amt des Blutvogts. Er würde sich dieser Pflicht annehmen und damit der Sicherheitsarchitektur und generellen Strukturen der Domäne, doch auf seine Weise. Ja, Lydiadas würde sich noch wundern. Sacht streichelte seine Rechte den rubinbesetzten Knauf des Schwertes.
Die Nächte lehren viel, was die Tage niemals wissen.
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Harl
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Harl »

Er ging hier nicht oft an Land. Das Wasser hier war trübe von all dem Abfall des eigenen Lebens, das die Menschen hinein gossen. Der Unrat aus ihren eigenen Leibern, von Tieren, von ihren Kochfeuern, Werkstätten, Tagwerken, von ihrer gesammelten Dichtgedrängtheit. Sie veränderten alles um sich her und gaben ihm neue Gesichter: Der Wind trug den Geruch ihrer Feuer, ihrer Leiber. Das Land formten sie neu, gruben oder schichteten es neu auf bis alles wieder in sich zusammen fiel. Das Wasser trug ihr Schlimmstes fort, wusch und wusch und wusch, doch sie pressten ständig etwas Neues hervor.

Es faszinierte ihn ebenso wie es ihn erschreckte. Menschen waren eine Naturgewalt. Sie waren die gefährlichsten Jäger in dieser Welt, allein durch ihre schiere Masse, ihre Schläue, ihre Fähigkeit, sich an nahezu alles anzupassen.

Er kroch durch ihre Stadt, weil er aussah wie einer von ihnen, zumindest solange sie nicht zu genau hinsehen wollten. Die meisten wollten es nicht. Die meisten waren so viel besser dran, wenn sie einfach in ihren Häusern und Betten blieben, mit geschlossenen Augen und verflochtenen Träumen.

Heute Nacht war er hierher gekommen, weil es beinahe der höchste Punkt innerhalb dieser Mauern war, die sie um ihre Stadt herum errichtet hatten. Wenn man hier saß, dann breitete die See ihren glänzenden, schwarzen Leib vor einem aus. Ihr Lockruf war fern und nah zugleich und die Sehnsucht konnte einem das Herz brechen.

Es gab eine Stelle hier oben, eine einzelne, perfekte Stelle. Es gibt solche Orte. Vielleicht beißt der Wind dort etwas weniger, weil das Land genau so oder so geschwungen ist. Vielleicht ist der Boden etwas sanfter, fallen die Schatten diese eine Spur günstiger. Vielleicht ist der Fluss der Kräfte hier am Klarsten oder genau über diesem einen, perfekten Ort steht ein Stern in perfektem Gleichgewicht.
Er wusste nichts über das ‘warum’, doch er wusste, dass es solche Orte gab. Katzen fanden sie zielsicher. Selbst Menschen konnten es spüren, wenn sie ihr Gespür nur zuließen.

Einen solchen Ort gab es hier oben und er hatte ihn kennen gelernt, als er das letzte Mal hier herauf gekrochen war. Und dorthin wollte er zurückkehren, als er durch die Nacht strich, ungesehen von den Menschen und ihrer Stadt.
Doch als er ihn endlich erreichte, war dort bereits ein anderer. Er hielt an. Der andere stand dort aus demselben Grunde wie dem, der Harl selbst hierhin gezogen hatte. Er stand dort in selbstversunkener Gewohnheit. Vielleicht hatte er schon oft hier gestanden.

Harl kauerte sich hin. Er konnte hören, wie der Leib der See sich wälzte, Auf und Ab. Die Sterne sangen ihr kaltes, fernes Lied. Der Wind trug die Geräusche mit sich, doch in dieser Nacht war er leise, als wollte er nicht mehr sein als ein Bote für andere, deren Laute er weitertrug. Nichts flüsterte er über den anderen, der dort stand.
Das Schwert war schön, musste Harl anerkennen. Schwerter wie dieses wurden nicht nur zum Töten gemacht. Ein Schwert wie dieses trug eine eigene Botschaft.

Und so hielt er für diesen Moment an und inne, um dieser Botschaft zu lauschen. Vielleicht würde sie ihm entschlüsseln, wer der andere war.
“We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far.” - Lovecraft (The Call of Cthulhu)

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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Die Botschaft blieb zunächst unklar, sie stammte von jenseits des Meeres, das Harl kannte. Das Schwert war anders, aus dem Westen, noch weiter als die Inseln die er kannte. Dennoch blieb es ein Schwert, ein Symbol für Herrschaft, Macht und manchmal auch Gerechtigkeit.

Sein Träger blickte weiterhin still und starr hinaus auf die See. Wind und Wetter zerrten an seiner Kleidung, seiner schlanken Gestalt. Dennoch blieb er regungslos, beinahe unmenschlich, wie eine bleiche Statue.
Aus dem Augenwinkel wurde er dann doch der Gestalt des abgerissenen Stadtstreichers gewahr.* Langsam wandte Ilario sich diesem zu, Argwohn im Blick. Ein Bettler? Ein Bote? Beute? Für letzteres sah er nicht besonders schmackhaft aus und so hungrig war er im Augenblick nicht.

"Guten Abend...?!"

* Wahrnehmung und Aufmerksamkeit: <@227889195333451776> I rolled 7d10 for you which resulted in **46**.
Results: 8 8 2 5 9 5 9.
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Harl
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Harl »

Harl konnte es bewundern, so ein Schwert und wofür es stand. Er wollte darin versinken, doch der Schwertträger sah ihn an. Harl sah zurück, musterte die bleichen Züge, sah ihn an jenem Ort stehen.

Vielleicht war dieser andere wie er selbst, kein Mensch mehr, mit einem Gespür für den Ort, für die Zeit, für die Nacht. Er versuchte, genauer hin zu sehen, auf die Anzeichen von Atem oder Wärme, von Blinzeln oder Schweiß, Puls unter der Haut an der Schläfe oder Kehle, Zeichen von Müdigkeit oder Ewigkeit.

So reagierte er auch eine Spur zu spät auf Ilarios Frage, legte den Kopf nur etwas auf die Seite und starrte einen Moment - oder vielleicht lauschte er?
Es war eine närrische Situation und er hatte sich in sie hinein gebracht, weil er sich von Gedanken und Ideen hatte tragen lassen. Eine würdige Jagd auf verschlungenen Pfaden, doch wie jede einzelne Jagd gefährlich, wenn man sich von ihr vereinnahmen ließ. Dann wurde man unvorsichtig, dann geschahen Fehler.

Doch Harl hatte für diesen Fall geplant, hatte seine Übung und seine Wege. Er duckte sich etwas, buckelte vor dem Fremden, der offenbar reich war und sein Schwert trug wie ein Symbol von Stand und Status, Geld und Macht.
“Verzeiht, Herr”, raunte er heiser und trat etwas näher. Tief sog er die Luft dabei ein, versuchte, etwas von dem Geruch des anderen zu erhaschen. Oder dem Fehlen eines solchen Geruchs, weil Tote nicht schwitzen und keine Spuren in ihren eigenen Kleidern ließen außer denen der Abnutzung.

Für einen Moment ließ er seine eigenen Sinne die Welt durchdringen, wie sie war. Die schlanke Gestalt seines Gegenübers wurde gestochen scharf und Gerüche blühten um ihn her auf. Er wagte nicht, seine Gehör zu öffnen, denn das ferne Rauschen der Wellen würde ein Donnern werden, das Wispern des Windes eine scharfe Kakophonie, die ihm alle Wachsamkeit zerschlagen würde.

“Verzeiht…”, murmelte er noch einmal, weil das ein guter, einstudierter Text war. “‘ch habe keinen hier erwartet. Der Ort, Herr.” Kurz sah er den Fremden direkt an, aber senkte dann doch besser den Blick. Er war hier nur ein Bettler, ein Stadtstreicher, nicht gern gesehen. “‘s ist ein guter Ort”, raunte er.
“Der Ausblick ist ohne gleichen.”

Spoiler!
Auspex 1 -> Wahrnehmung + Aufmerksamkeit mit erleichtertem SG: 8, 8, 7, 6, 5, 4, 1, 1 (4 Erfolge gegen SG 3)
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Ilario »

Da war nichts, kein Blinzeln, kein Atmen, keine Regung ob des kalten Windes. Weder roch die Gestalt nach Schweiß oder sonstigen menschlichen Ausdünstungen, doch am auffälligsten für die geschärften Sinne Harls waren die Augen. Jedem anderen wäre in der Nacht verborgen geblieben, dass Ilarios Augen nicht einfach nur dunkel waren. Nein, sie waren erfüllt von absoluter Finsternis.

Der abbyssale Blick lag auf Harl als dieser sprach und sich näherte. Die Stimme trug einen Hauch Melancholie in sich als Ilario die Worte des anderen erwiderte.


"Es gibt nichts zu verzeihen, zumindest im Augenblick. Das habt ihr trefflich erkannt, ein guter Ort. Ein guter Ausblick. Die See verheißt Kommendes und trägt zugleich Vergangenes mit sich."
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Harl »

Einer wie er und gleichzeitig nicht. Augen wie diese ließen etwas in Harl erstarren. Er hob die Hand wie einer, der die Augen gegen das gleißende Stechen von Sonnenstrahlen abschirmt. Doch es war das Gegenteil, der kalte Sog tiefster Schwärze in einem Blick wie diesem.
Etwas in ihm wollte sich niederkauern und verstecken, doch der Blick lag längst auf ihm. Etwas in ihm wollte rennen, doch er konnte nicht vor Schatten davonlaufen. Keiner konnte das.
Doch nichts geschah, so wie er sich duckte. Die Worte waren wie ein schwerer Nebel, der liegen bleiben wollte, feucht und schwer. Traurig. Schön. Feucht. Kühl.

Er wagte, die Hand wieder zu senken. Konnte etwas klarer denken. Wäre dies irgendeine Stadt an der Küste, er hätte sich nun verdrückt, wäre ein Bettler geblieben und verschwunden für ein paar Jahre oder Jahrzehnte. Doch dies war eine Stadt, bei der er bleiben wollte.

Also erhob er sich und ließ etwas von seiner Maskerade, von der Mimikry, die er für die Lebenden trug, dort am Boden zurück. Trotzdem wollte und konnte er dem anderen nicht in diese Augen sehen, als er sich aufrichtete. Er war halbnackt, aber das kümmerte ihn nicht. Es waren die Narben, die er trug und die er zeigte, blass, gezackt und hässlich, einige wulstig, andere seicht. Er ließ den anderen all das sehen, die strähnigen, langen Haare, den halbblind wirkenden Blick, das Gesicht, von dem er selbst wusste, dass dagegen das des Fremden edel und rein scheinen musste.

“Ihr seid aus der Nacht”, stellte er leise fest, gerade laut genug für Wind, Wellen und den anderen. “Wie ich.”


Doch die weichen Nebel-Worte, die der andere gesprochen hatte, verdienten auch eine Antwort, denn sie handelten von ihr: “Die See. Sie lässt etwas los, dann und wann. Es findet ans Land zurück”, sagte er und versuchte, den ewigen Austausch zu beschreiben. Wandel. Gleichgewicht. Auf und ab. “Sie holt sich anderes, nimmt es zu sich. Es sinkt hinab.”
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Ilario »

"Aus der Nacht, in der Tat... Doch sind wir uns noch nicht begegnet. Ich nehme an ihr seid noch neu in Genua und habt bereits mit den Herolden Bekanntschaft gemacht?"
Kurz wartete er die Antwort des anderen ab, nickte knapp und sprach dann weiter. "Man kennt mich als Ilario Contarini, Blutvogt und Hüter der genuesischen Elysien, Zeichner der Wege, Wandler auf der Via Regalis, Ancilla im Blut der Schatten, Kind des Lucius Valerius Galba, Ahn der Schatten zu Venedig, Kind des Magnus Sertorius Mamercus, Ahn im Blut der Schatten, Kind des Eremiten, Ahn im Blut der Schatten." Kritisch betrachtete er die abgerissene Gestalt vor sich, doch solche Äußerlichkeiten bedeuteten in der kainitischen Welt abseits der Höfe nicht viel. "Mit wem habe ich das Vergnügen?" Die Frage schien eher formal, denn er hatte eine Ahnung, einen Verdacht. So viele Kainiten waren nun auch nicht eingereist in den letzten Jahren.
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Harl
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Harl »

Die Frage nach dem Herold und seiner kurzen Zeit in Genua bejahte Harl kurz und das war genug.
Er lauschte den klangvollen Silben nach, den alten und älteren Namen, einer dunkler als der andere. Etwas daran ließ ihn lächeln. Es klang alles so …wahr. Dieser, der vor ihm stand, war mit dem Klang im Reinen. Dem Schönen darin, den Dissonanzen, der Stille zwischen den Namen, den Schatten, die sie warfen, allem.

Harls Lächeln war nicht unbedingt schön und es musste für jemanden von außen auch keinen Sinn ergeben. Doch für diesen Mann hatte er nun die Mimikry fallen lassen und er wollte ihm Klänge zurückgeben, mit denen er im Reinen war, dem Schönen, den Dissonanzen und sogar den schwarzen Tiefen dahinter.

“Ich bin Harl”, raunte er und verneigte sich. Wenn man sich unter Wasser verneigt, dann lässt man sich sinken, vielleicht bietet man die offene Flanke dar, man kreuzt die Arme oder zeigt anderweitig, dass man zumindest jetzt die Waffen vor dem anderen streckt. An Land fehlte Harl die schwebende Grazie, die er im Wasser besaß, und es ergab keinen Sinn, die offene Flanke zu zeigen. Wenn überhaupt, dann bot man den ungeschützten Nacken dar oder die Schultern. Harls Verbeugung an Land war einfach etwas ungelenk und ungeübt.

Er richtete sich langsam wieder auf. “...neugeboren in den Clan von Mond und Gezeiten, Verfluchter und Geliebter der Tiefe, Kind von Kirke, der Zauberin, Ahnin im Clan von Mond und Gezeiten.” Selbst Kirkes Name konnte sowohl ein Segen sein wie auch ein Fluch. Sie hatte Unzählige auf dem Gewissen. Unzählige andere waren ihr zu tiefster Dankbarkeit verpflichtet. Und tausend Dinge dazwischen, so wie man sie ansammelt in einem viel zu langen Dasein. Ob Kirke jemals die Pfade der Ahnen von Ilario Contarini gekreuzt hatte? Wahrscheinlich ja. Nur sie allein wussten wohl, auf welche Weise. Ihren Namen zu nennen, war jedes Mal wie ein Münzwurf, ein Runenwurf.

“Was für Wege zeichnet Ihr?”, fragte er.
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Ilario »

"Harl..." Ilario nickt dem Neugeborenen, immerhin eine Ahnenkind, respektvoll zu. "Kind der sehr verehrten Kirke, der Zauberin, seid gegrüßt." Über das abgerissene Erscheinungsbild des Malkavianers sah er hinweg, versuchte dahinterzublicken. Der Nachkomme einer Ahnin, noch dazu einer die man Zauberin hieß, stellte ausgerechnet jene Frage nach dem Titel. "Jene Wege die ich zeichne... eröffneten einen solchen zur Bannung, Festsetzung und Transport einer Wesenheit die sich hier in Genua manifestiert hatte. Damit eröffnete ich ihrer höchstverehrten Majestät die Möglichkeit eines Handels mit den höchsten Mystikern Mailands."

Sacht lächelte Ilario, doch es war ein Lächeln kalt wie die Tiefe See. Freudlos und ohne jede Wärme dachte er an jene abbyssale Kreatur. Doch auch im Namen des Anderen hatte er etwas von speziellem Interesse ausgemacht.

"Nun, im Gegenzug erzählt mir was es mit dem Beinamen der sehr verehrten Kirke auf sich hat. Was denkt ihr, als ihr direkter Nachkomme, darüber?"
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Re: [1086] Tiefe Brandung [Harl, Ilario]

Beitrag von Harl »

Für einen kurzen Moment berührte Harl seine Stirn. Er wollte der abgrundtiefen Kälte von Ilarios Lächeln nicht begegnen, wenn er es nicht musste. Doch es war auch eine Geste des Respekts für die Taten, die Ilario beschrieb und die ihm seinen Namen gaben. Harl wusste, dass es in dieser Welt mehr gab als die einfache Oberfläche aller Dinge. Dahinter konnten sich lichtlose Untiefen und Schrecken verbergen, ebenso wie Höllenfeuer, Engelsschwingen - oder die Natur von solchen wie ihnen beiden.
Und so wägte er seine Antwort für Ilario dann auch mit Sorgfalt ab. Sie war nicht einfach, denn Kirke war nicht einfach:

“Ich kenne …wenigstens zwei Seiten jenes Beinamens”, antwortete er Ilario. “Eine ist die von alten Geschichten. Wie die der Argonauten, die von Odysseus, die der Insel Aiaia, von Medea und ihrer Blutschuld und Ariadnes blutrotem Faden.”
Es gab noch hunderte mehr Geschichten mit der Zauberin, doch diese waren immer im Kern, in Abwandlungen, mal so und mal anders ausgeschmückt. Es gab alte Wandbilder, Reliefs, Mosaike, in denen Harl ihre Spuren wiedergefunden hatte. Versunkene Statuen, Bilderfetzen, Träume.
“In den alten Geschichten war die Zauberin immer dort und die Geschichten konnten weitergehen. Oder sie fanden mit ihr ein Ende.” Harl machte eine abwägende, vorsichtige Geste. “So sprechen andere von ihr. In Erinnerungen, Echos und Ahnungen.”

“Die andere ist eine, die sie mich selbst gelehrt hat. Sie sagte: ‘Magie ist das Wissen der wahren Natur aller Dinge. Wer diese kennt, kennt die Wahren Namen der Dinge. Und wer die Macht der Namen zu gebrauchen weiß, kann durch sie die Welt nach seinem Willen verändern. Magie.’” Die Lehre von einst klang an ihrer Oberfläche lächerlich simpel, doch in ihr lagen eine fundamentale Wahrheit und ein halsbrecherischer Mut.

Wie um das zu achten, machte Harl hier eine kleine Pause. In seinem letzten Teil der Antwort mischte sich Ehrfurcht in seinen Tonfall. “Ich selbst denke, dass sie Magierin ist, in diesem alten Sinne. Ich habe es selbst bezeugt: sie hat auch mich angeschaut, erkannt und für immer verändert. Und ich habe es auch in anderen Dingen gesehen, die größer sind.”

Mehr konnte oder wollte er nicht sagen. Doch es war genug als eine Antwort.

“Ich weiß, dass Ihr… hn. Dass Ihr in diesem edlen Mascharana ein Jagdgebiet habt”, sagte er dann vorsichtig. Fragen der Jagd waren wichtig, ebenso wie Fragen von Revier, Territorium, Macht. “Ich kam nicht her, um zu jagen”, versicherte er also mit sorgfältigem Nachdruck. “Ich kam, um Genua zu kennen. Wie sie auf das Meer blickt. Wie ihr Haupt sich hier erhebt.”
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