[1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

[November '23]
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Harl
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[1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Tief in der Nacht. Er ließ sich treiben. Hafenbecken, schmierig vom Treiben der Stadt. Menschen, Möwen, Aasfresser und Hungrige aller Arten. Er behielt ein Fischerboot im Blick, dessen Fischer wohl schon seit einer Weile versuchten, es noch irgendwie zu dichten. Doch es war alt. Es würde den nächsten Sturm nicht überstehen. Nicht ohne Werft, ohne neuen Kiel, ohne einen neuen Mast, neues Ruder. Er behielt es im Blick, weil er ihm folgen wollte, in den nächsten Sturm. Vielleicht würde es gelingen. Vielleicht nicht. Stürme hielten sich nicht an Grenzen von Tag und Nacht, die für ihn unumstößlich galte— .

PLATSCH!

Jemand strampelte, panisch, ruderte mit den Armen, kämpfte mit dem Wasser und den eigenen Kleidern. Harl konnte seine Panik riechen, irgendwie. Er wusste nicht, wie, aber er war war auf einmal nahe bei der Beute, wollte zupacken.

Etwas anderes war schneller, schwarz und kalt. Tödlich. Er wich instinktiv zurück, wollte nicht berühren, was ins Wasser griff, was die Beute griff und herauszog. Harl starrte in einen Alptraum in der Nacht, dort oben. Schattenarme griffen, da war eine bleiche Frau, selbst voller Schatten. Sie zog den Mann zurück in ihr Reich, im Trockenen, an Bord eines Schiffes. Eines dieser Schiffe, die groß waren, mit Männern wie eiserne Zähne, ein Ding aus Holz, Teer und Eisen, das dazu gemacht war, Krieg zu führen. Nicht nur zu kämpfen oder zu jagen oder zu segeln. Nein, um Krieg zu führen.

Harl sah zu, dass er davonkam, unter dem Schiff hindurch, tiefer, in der dunstigen Strömung von der Stadt weg, hinaus in die See, tiefer, bis das Ligurische Meer keine Spur mehr von Genuas Dunst kannte. Tief, tiefer, er hatte hier Verstecke. Keines war sicher von den Schatten und die Tiefe selbst war ein pulsierendes Herz jener Schwärze. Das wusste er, das kannte er, doch solche wie er… ja, solche wie er konnten meist davonkommen, zu klein, zu blass, kleine Fische am Rand des Allgewaltigen Sogs, der die Tiefe war. Heimat. Geliebte. Gefürchtete Tiefe voller Schatten.

Oh ja, Harl wusste und erinnerte sich und kannte jene Schwärze. Und solange dort oben eine war, die im Zorn klebrige Fäden aus Schatten wob, würde er sich verstecken.



Das war eine Weile her gewesen. Er hatte nie herausgefunden, was genau in jener Nacht passiert war, aber er wollte wissen, ob die Gefahr vorüber war. Oder ob jener Zorn noch schwärte wie eine entzündete Wunde. Ob dieses Schiff zu meiden war wie eine Pest, wie ein Schwelbrand, wie Menschen, die zu viel wussten.

Also näherte er sich nun vorsichtig, seeseitig. Das Schiff war vertäut, lag sicher im Wasser. Er tauchte einmal darum herum, suchte nach Anzeichen der Gewalt, Blut im Wasser, Leichen. Nichts davon. Nicht mehr als sonst in diesem Hafen von Genua. Er hatte seine Besonderheiten, seine Orte, seine Geheimnisse, wie alle Häfen. Aber nicht hier.

Leise tauchte Harl neben der Kaimauer auf, die zu diesem Schiff gehörte. Leise, ohne große Wellen. Langsam, behutsam, so wie man die Hand einer Geliebten nicht mit abrupter Gewalt abstreift. Er ließ sie zurück, die geliebte See, als er sich hinauf ins Trockene zog. Für eine Weile kauerte er nun da, tropfend, still, wartend. Es brauchte immer ein wenig Zeit, wenn man von einer Welt in die andere wechselte. Geräusche waren anders, ebenso wie die Gerüche, die Sicht, jede Bewegung. Luftzug auf seiner nackten Haut, scharf und trocken gegen den weichen Druck und Sog der Strömung.

Vielleicht würde es ihm etwas zeigen, dieses Schiff? Er begann, die Deckwachen zu zählen. Die Segel. Die Ruder. Wie tief es im Wasser lag, stolz und stark. Es konnte Feuer speien wie alle Kriegsschiffe. Und Schatten, wie kaum eines. Nur die gefährlichsten.
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Drita
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Niemand hatte an jenen Tag bemerkt, dass da ein Beobachter war. Zu sehr lag die Aufmerksamkeit auf der Beute, die strampelte, weg wollte... aber seltsam still war. Selbst als die Schwärze den Mann gepackt hatte, schrie er nicht, stöhnte nicht einmal bei dem festen Griff der Dunkelheit.


Byzantisch war die Bauart des Schiffes, nun, da Harl es genauer betrachten konnte. Wenn er sich auskannte: Eine Dromone. Es lag nicht direkt an einem Pier, zu groß - an die 50 Meter lang - und tief im Wasser war das Schiff. Oder man wollte nicht, dass man direkt an Bord kommen konnte, ohne Boot, ohne zu klettern. 'Liridona' war auf den Rumpf geschrieben. Und bewacht war es. 10 Mann patrouillierten auf dem Deck, doch hin und wieder wechselten die Gesichter. Schwer zu sagen, wie viele Männer wirklich gerade Wache hielten... wie viele von den Ruderern - geschätzt waren es 50 zu jeder Seite in 2 Reihen übereinander - und den restlichen Soldaten wach waren. Ein massives Heckkastel rundete, gemeinsam mit dem Rammsporn das Bild des Dreimasters ab.

Bild

Schritte waren zu hören. Aus der Stadt kommend, näherten sie sich dem Pier, an dem ein Ruderboot anlag. Als man Harl erkannte hielten die Bewegungen an, setzten sich dann fort. Leiser. Aber nicht leise genug.

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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Harl kauerte da. Er konnte ein abgeranzter, alter Seeveteran sein, der auf ein Handgeld hofft. Vielleicht auch einer von den Schauerleuten vom Hafen oder ein unglückseliger Fischer, der ein beeindruckendes Schiff beglotzt. Und natürlich wie einer, der unglücklich ins Hafenbecken gefallen und vor nicht allzu langer Zeit wieder heraus gekrochen ist.

Vorsichtig spähte er dorthin herüber, wo die Schritte näher kamen. Wäre es Glück oder Pech, wenn die schöne Frau käme, mit dem schattenverbrannten Gesicht? Er machte sich jedenfalls bereit für den Sprung zurück ins Wasser, falls es ärgerliche Soldaten waren. Oder für das kleine Schauspiel von Bettelei und Unterwürfigkeit, das ihn meist unter der Schwelle echter Aufmerksamkeit behielt.
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Ob es Glück war oder Pech würde sich noch zeigen. Die Frau, die neben dem dunkelhäutigen Seefahrer heran kam, passte jedenfalls zu der Gestallt, die damals auf dem Schiff in ihrer dunklen Pracht stand. Auch heute war sie wieder schwarz gekleidet, ihr Gesicht jedoch war verdeckt von einem Stoffschleier.

Der Mann an ihrer Seite - Seemann durch und durch - ging auffällig immer einen halben Schritt hinter ihr. Doch als er den Fremden am Pier entdeckte, änderte sich dies und er setzte sich halb vor Drita, welche nun langsamer wurde. Sie runzelte die Stirn unter dem Stoff und wendete den Blick ab, als sie seine Nacktheit endeckte. Der Seefahrer war es, der ihn dann ansprach. "Guter Mann, seid ihr überfallen worden?"

Trotzdem legte sich Nijaz Hand auf den Schwertgriff - sicher ist sicher.
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Da war sie. Harl kämpfte mit dem Impuls, zu flüchten. Doch sie sah nicht zornig aus. Sie hatte einen Mann, der für sie zornig aussehen konnte. Das war ihre Maske. Doch solange der Mann zornig war, war es nicht ihr Zorn sondern nur Masken-Zorn und das war …sicher genug. Für den Moment.

Harl stand halb auf, tropfend und nass, und sprach zu dem Mann, den sie als Maske trug, weil sie durch ihn gesprochen hatte. Er war noch nicht ganz in dieser trockenen Welt an Land, war noch im Wechsel, folgte seinen eingeübten Bahnen.
“Nein”, sagte er. “Ich bin gekommen… um die Herrin zu finden.”Seine Sprechweise war ein wenig seltsam, folgte demselben Auf und Ab, mit dem die Wellen an Steg, Kaimauer und Schiffsbauch schwappten. Auf und Ab. Er machte eine Geste an ihm vorbei zu ihr hin, die er meinte.
“Ich habe ihr…”, auf. “Gesicht gesehen.” Ab. “Ihren Zorn. Er hat …Wellen geworfen. Ich will …wissen, ob die Wasser wieder still sind. Wer sie ist.” Der Rhythmus wurde flüssiger und unauffälliger, je mehr Übung er bekam.

Man konnte ihn ohne weiteres für einen verwirrten Brabbler halten, jemanden, der sich auf der Suche nach Almosen verlaufen hatte.
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Und wie sie ihre Maske trug... ihr Menschsein spielte, wenngleich nur der Schleier verbarg, dass da nichts Menschliches mehr in ihrem Ausdruck lag. Als Harl sich erhob und seine Männlichkeit präsentierte, wendete Drita brüskiert den Blick ab. Sie japste nach Luft.

Nijaz schob sich noch zentraler vor seine Herrin. Der die Hand an der Waffe legte sich nun um den Griff. Ob er ein guter Kämpfer war? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber er war bereit sein Leben zu geben, wenn es sein musste. Doch...

Der Seemann hob eine Braue. Er wog die Worte ab, schien auf etwas zu warten, was nicht kam. Und so nickte er schließlich.

"Habt ihr ein Boot? Sonst müsst ihr warten, bis ich wieder da bin. Ich werde eben meine Begleitung zu unserem Schiff... " dabei deutete er auf das Kriegsschiff im Hafen "... bringen und euch dann abholen, wenn ihr keines habt. Und... ... bitte... zieht euch etwas an. Die Liridona ist eine stolze Herrin des Meeres. Ihr solltet sie nicht nackt betreten." Liridona. Der Name des Schiffes. Nijaz spielte das Spiel des Mannes mit, gab seinem Gebrabbel einen Sinn, falls jemand das Gespräch mitbekam.
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Es ergab nicht viel Sinn, dass jemand wie sie in den Augen der Menschen jemanden wie ihn auf ein Schiff wie dieses holte. Liridona. Er fischte sich etwas Seetang aus seinen strähnigen Haaren. Der Name hatte einen guten Klang für ein solches Schiff. Es klang nach einer Art von Hunger.

Doch für ihre Maske nickte er ergeben, verfiel in die halb geduckte Pose irgendeines armen Schluckers, der hoffte, keine Prügel abzubekommen. “‘ch kann in anderen Nächten wiederkommen”, murmelte er. “Dorthin. Woanders hin.”

Mit etwas Verspätung fügte er an. “Wenn ich was hab. Zum Anziehen.” Irgendwas würde sich sicher finden lassen.
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Da hatte Harl ihn doch gleich ertappt. Natürlich machte es keinen Sinn. Als sich Nijaz nach Harls Angebot umdrehte und ihren Blick dunkel aufblitzen saß, wurde ihm das auch klar.

"Ja. In 3 Nächten. Dorthin." Nijaz Stimme hatte etwas an Boden verloren.

"Ich werde euch zur 10 Stunde hier erwarten und abholen."
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Drei Nächte später steuerte ein altes Fischerboot auf die Liridona zu. Es war erst recht spät zu erkennen, denn es hatte kein Licht und das einzige Segel war hier im Hafen nicht aufgespannt. Zwei einfache Ruder genügten hier jedoch wohl vollauf.

Der Mann, der sich dann dort von der Ruderbank erhob und mit einem kurzen “He!” zur Liridona herüberrief, war erst auf den zweiten Blick als derselbe zu erkennen, der noch vor drei Nächten nackt auf dem Steg gekauert hatte. Er trug einen feinen Überwurf aus grünem und rotem Stoff, so wie ihn reiche Händler tragen, an der Schulter zusammengesteckt mit einer glänzenden Fiebel. Der Überwurf war vielleicht ein wenig zu groß und zu weit, doch mit der Brosche ließ sich einige zusammenreffen. Harl hatte kurzerhand in der Körpermitte alles noch einmal mit einem Seil zusammen gehalten, welches gegen den feinen, dichten Stoff sehr schlicht und grob aussah.

So hielt er dort mit einem der Ruder in der Hand eine Position in gut sichtbarer Reichweite im Schein der Lichter der Liridona bis irgendwer an Bord auf ihn aufmerksam wurde.
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Re: [1087] Futter für die Fische [Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Als von der Backbordseite des Schiffes her ein Ruf erklang, tauchten 2 Männer an der Reling auf und schauten auf die See hinab. Einer der beiden deutete nach Steuerbord, wodrauf der Andere los ging. Es klangen Rufe vom Deck und der Mann, der übrig geblieben war verschwand auch, nachdem er gewunken hatte. Harl wurde gesehen und konnte verfolgen, wie eine Leiter aus Seilen herab geworfen wurde, nachdem der Mann sie befestigt hatte.

Man wartete, dass Harl sein Boot an einem zusätzlich herabgelassenen Seil befestigte und hinauf kam. Etwa zeitgleich mit ihm kletterte an Steuerbord, der fremdländische Begleiter von der dunklen Frau wieder zurück aufs Schiff und schaute Harl an, eine Braue hebend, aber er sagte Nichts. Dann folgte eine leichtes Kopfnicken. Offenbar war man unter Uneingeweihten.

"Ich hätte euch doch am Pier abgeholt. Wie dem auch sei: Schön, dass ihr es einrichten konntet und willkommen auf der Liridona, stolze Herrin des Meeres."

Nijaz deutete in Richtung des Kastel am Heck, wo wahrscheinlich Drita auf die Beiden wartete.
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