[1087] Besucher [Angelique, Vincente]

[Vincente Carlos]

Der Hoftag lag nun schon etwas zurück, dennoch hatte Vincente die Ereignisse – insbesondere auch die um seine Fürsprecherin - nicht vergessen. Als es seine Termine und Verpflichtungen zuließen, nahm er sich daher kurzerhand den Abend frei und beschloss, ihr einen Besuch abzustatten.

Seine Füße leisteten ihm wie immer treue Dienste, fanden sie doch auch nach all den Jahren noch den Weg zum Leuchtturm...

[Angelique]

Er hatte Glück. Angelique war tatsächlich da und führte ihn in die kleine Kammer im Turm.
Ihre Blutskrieger standen in Hörweite.

Die Kammer war viel leerer als sonst. All die teuren Bücher waren fort oder in Kisten mit Holzwolle verpackt, so als warteten sie auf auf einen Abtransport.
Die Kammer wirkte nun wirklich eher wie ein Schreiberzimmer, selbst wenn der unordentliche, chaotische Touch immer noch auf Angeliques wirres Sortiersystem hinwies.

"Schiavo, was kann ich für Euch tun?"

[Vincente Carlos]

Vincente folgte ihr in den Turm und konnte nicht umhin sich in dem Zimmer, in das er geführt wurde, erstaunt umzusehen. Der Kontrast zu seinem letzten Besuch, bei dem auch Liviu anwesend gewesen war, war einfach zu stark.

Schnell faste er sich wieder und konzentrierte sich auf seine Gastgeberin. Dabei achtete er auf eine entspannte, freundliche Körpersprache. Er war hier zum Plaudern, nicht um die vermeintlich Geächtete anzugreifen. Dennoch konnte er die Vorsichtsmaßnahmen Angeliques verstehen. Er hätte wahrscheinlich ähnlich gehandelt.

„Die Nacht zum Gruße, werte Angelique.“ Er deutete auf die verschiedenen Kisten. „Ich hoffe ich störe nicht?“ So sie ihm einen Platz anbot, würde er sich ihr gegenüber niederlassen, bevor er fortfuhr. „Ich wollte mich nach eurem Wohlergehen erkundigen, wir hatten uns seit dem Hoftag nicht mehr gesehen.“ Er lächelte kurz, als er hinzufügte: „Auch habe ich mich gefragt, ob ihr mir in Sachen...Bildung weiterhelfen könntet. Viel zu lernen gibt es schließlich immer.“

[Angelique]

Schiavo! Schön Euch zu sehen! Setzt Euch."

Sie seufzte. "Ja, der Hoftag war wild. Aber er lief für mich aber ganz gut. Nachdem ich mich gegen meine Ahnen gestellt hatte und nicht für sie lügen wollte, hatte ich mit Schlimmerem gerechnet."

Sie lächelte. "Autarkis. Wenige haben diesen Titel. Die meisten sind eigentlich uralte und mächtige Vampire, die nichts mit den Intrigen der neuen Zeiten anfangen können. Ich sollte mich also geschmeichelt fühlen. Besonders, da die Princeps mich immer noch schützen will."

Für jemanden, der sozial tot war, wirkte Angelique recht gelassen. Und naja, es gab halt immer noch welche, die sich mit ihr abgaben, wie Vincente selbst gerade bewies.

"Bildung sucht Ihr. Die kann ich Euch gerne geben, wenn Ihr wollt und Zeit habt. Was genau wollt Ihr lernen?"

[Vincente Carlos]

Vincente folgte der Aufforderung und machte es sich in dem Zimmer bequem. „Es gibt alte, die man aus einem Clan...“, er suchte nach einem diplomatischen Wort, „entlassen hat? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Alte und Mächtige mit sich machen ließen … oder danach noch lange überleben. Das der Prinz euch unter ihren Schutz stellte scheint ja doch zu bedeuten, dass dies ein recht gefahrvoller … Zustand ist?“ Er fragte sich unweigerlich was für Alte ebenfalls Autarkis sein mochten und wie diese trotz dessen überleben konnten. Ihm schien, als musste man dazu besonders fies und wendig sein – von dem, der den Rauswurf aussprach ganz zu schweigen...Und gab es vielleicht auch Kainiten, die danach wieder mit offenen Armen in einem – oder einem anderen Clan empfangen wurden? Dieses Thema alleine warf so unglaublich viele Fragen auf!

Er zeigte sich sichtlich erfreut: „Es freut mich, dass ihr euch die Zeit für das Unterrichten nehmen könnt und möchtet.“ Er machte eine Geste durch den Raum, der zuvor voller Bücher gewesen war. Vielleicht deutete er hinaus auf die große weite Welt. „Zu lernen gibt es für mich mehr als genug. Ich hatte mich vor Kurzem jedoch gefragt, ob ihr mich nicht … umm … über Länder und Domänen und deren Lage etwas beibringen wollt. Ich weiß nicht viel über die großen Städte, Regionen, Länder oder die Domänen. Wer welchen Fleck regiert, wer mit wem in Allianz steht...“ Er leckte sich über die Lippen und suchte nach den richtigen Worten, aber so richtig zu schmecken schien ihm keines. „Die See der Schatten wäre auch ein Thema. Oder was es mit dem Sklavenprinz auf sich hat? Die Flecken auf meinen kainitischen Kenntnissen sind sehr … ausgeprägt und dunkel. Deckt sich zum Beispiel eine Domäne auch immer mit den Ländergrenzen? Oder gibt es nicht nur die Grenzen der Menschen, sondern zeichnen auch die Kainiten ihre ganz eigenen Linien auf die Welt?“ Sollte Angelique in seine Augen blicken, so würde sie darin noch viel mehr ungestellte Fragen schwirren sehen.

[Angelique]

"Grenzen. Ein interessantes Konzept, das eigentlich nur die Oströmer und Sarazenen kennen, weil sie die Verwaltung des altvorderen Römer übernommen haben. Hier ist es in Vergessenheit geraten, da die Ländereien zerstückelt und ein Flickenteppeich aus Besitzungen der Barbaren geworden sind.
Ich kann Euch dieses wirre Netz aus sterblichen Besitzungen und Herrschaftsansprüchen erklären. In geringerem Maße das der Unsterblichen.

Linien auf Karten wurde nie gezogen, seit es keine Karten mehr gibt. Die alten Römer zogen ihre Grenzen auch nicht auf Karten, sondern in die Landschaft. In Germanien, Britannien, Afrika, Asien und dem Balkan waren ihre Grenzen keine wertlosen Striche auf einem Pergament, sondern echte, steinerne Mauern bis zum Horizont und darüber hinaus, dort, wo ihre Macht und somit die Zivilisation endete."

Sie überlegte kurz. "Was ist Euch mein Wissen wert? Ein Schiff aus Pisa? Egal, ob Ihr es kauft, baut oder stehlt. Das will ich gar wissen, weil das würde nur Fragen aufwerfen und mich angreifbar machen. Gebt mir ein Schiff und Ihr bekommt einen Premium auf mein Wissen."

Sie lächelte füchsich. "Und das beantwortet hoffentlich auch Eure Frage. Warum tötet man keine Ausgestoßenen? Weil sie nützlich sind oder man nicht weiß, für wen sie nützlich sein könnten und wen man ansonsten verärgern würde. Weniger sollte man Sorge haben, vor denen, die offensichtlich Schutz geben, sondern vor den Ungesehenen."

[Vincente Carlos]

Vincente lauschte aufmerksam. Wenn die Welt der Menschen schon so zerstückelt war, wie mochte es da wohl um die Grenzen und Besitztümer der Kainiten stehen, bei denen sich Allianzen zwar langsam, aber doch unaufhaltsam verschoben...

„Das man Karten abgeschafft hat, finde ich furchtbar.“ Er wedelte wage in die Richtung der Stadtmauern. „Sie wären doch unglaublich nützlich. Schon alleine, weil die Grenzen der Domäne Genuas oder aber die Bereiche, die bestimmte Kainiten nur betreten oder bejagen dürfen, so nicht klar erkennbar sind. Und man so stets Gefahr läuft, dass man einem anderen einen unerwünschten Anlass bietet …“

Dann hakte er noch einmal nach: „Ein Schiff aus Pisa?“

[Angelique]

Sie seufzte. "Ach, nur ein Gedanke und eher als Scherz gedacht.

Ja, das ist traurig, dass man keine Karten mehr benutzt. Da muss man dringend in Zukunft Abhilfe schaffen. Schon allein, wenn Genua eine große Handelsmetropole werden will."

Sie lächelte. "Macht Euch das doch zur Aufgabe. Man würde Euch danken oder auch nicht, aber jeden Fall wäre es für alle nützlich."

Sie schaute auf den Stand der Sterne aus dem Fenster hinaus.
"Es wird langsam Zeit, für Euch. Ich weiß nicht, wie lange Euer Weg ist. Aber bald solltet Ihr aufbrechen, um dem Morgen zu entgehen."

[Vincente Carlos]

„Ich habe gerne an euren Gedanken teil“, versuchte er sie aufzumuntern. „Ich wäre durchaus versucht mich dem Thema Karten weiter anzunähern. Nur fürchte ich, dass es doch eine Kunst ist und von der verstehe ich nicht viel. Ich wüsste nicht wo ich anfangen sollte und könnte am Ende wohl nur etwas produzieren, dass vorne und hinten nicht stimmt – selbst, wenn man sich nackig auf den Kopf stellt. Hättet ihr nicht Interesse, mir dabei zur Hand zu gehen? Mit den Karten meine ich, nicht mit dem nackig auf den Kopf stellen.“ Er zwinkerte verschwörerisch.

Kurz horchte er in seine innere Uhr hinein. Ein paar Momente blieben noch, aber viel war von der Nacht wahrlich nicht übrig. „Wenn ihr wünscht, so können wir auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal diesbezüglich sprechen? Sicherlich habt ihr das ein oder andere Werk zu dem Thema?“ Wobei er sich kurz in dem auffällig leeren Raum umsah...

[Angelique]

"Nackig auf den Kopf stellen, könnten wir gleich jetzt machen. Dafür sollte immer Zeit sein."

Dabei hatte sie so eine Art, dass man nicht wusste, ob sie das spielerisch und unschuldig meinte oder doppeldeutig verrucht. Die Diskrepanz von ihrem Aussehen und hellen Stimmchen zu ihrem Jahrhunderte altem Selbst war verstörend.

"Hmmm", machte sie und überlegte, während sie auf und ab ging. "Das Erstellen von Karten wäre eine interessante Aufgabe und ein lohnender Nebenverdienst. Wenn ich solche Karten erstellen würde, würdet Ihr sie dann an Seeleute verkaufen und den Gewinn mit mir teilen?"

Dann machte sie einen Handstand, sodass ihr loses Kleidchen tatsächlich herabrutschte und sie überrascht "Umpf" machte, als es ihren Kopf verhüllte.
"Und, was meint Ihr?" kam es gedämpft unter dem Stoff hervor, während nackte Beinchen zur Balance eine Kerze machten.