[1088] Das Grauen lauert an Hafenpier 4 [Carina, Allegra]

[Allegra Aldighieri]

Der späte Lenz ließ die Abende wieder lauer werden, und machte die Nächte wieder angenehmer zum flanieren. Einer der Flaneure war eine zierliche junge Frau, die vom Hof der Wunder in die Hafengegend bog. Ihre Gewandung sprach von einem gewissen Reichtum, wenn auch von keinem besonderen Geschmack - ein nachtblauer Rock, eine gelb-orange gestreifte geschnürte Bluse, eine dunkelgrüne Weste, ein braunes Hütchen mit einer kecken roten Feder - und gekrönt von einem lila Hüfttuch, genauso teuer und auffällig wie geschmacklos aufreizend getragen.

Bei sich trug die Maid einen Jutesack, mit dem in der Hand sie sich in den dunklen Gassen suchend umschaute. Die engen Häuserschluchten verschluckten bereits einen großen Teil des Lichtes des Firmaments, und Kisten, aufgerollte Taue und Fässer boten weitere Versteckmöglichkeiten mit noch tieferen Schatten.

[Carina]

Da hüpfte tatsächlich eine Flickenteppich die Staße entlang. Ganz und gar wie eine Wiese voll Blumen. So etwas hatte man hier lang nicht mehr gesehen. Gerade eben hatte sich Carina noch über ein aufgebrochenes Wasserfass gebäugt und ihr Gesicht gereinigt. Jetzt spiegelte sich die Farbenpracht auf der Oberfläche der Wassers. Trieb dahin und verschwamm zu einem schimmernden Siluette. So warf sie sich wieder die Kaputze in den Nacken.

Aus dem Schatten heraus pfiff ihr Carina diese Gestalt an. "Na, da hat ja wer einen vorzüglichen Geschmack und dazu den Klingelbeutel sich die Kleidung leisten zu können." So warf sich der Schatten in die Brust, "In der Gegend sieht man das nich oft. Hier treiben sich sonst nur Matrosen mit versoffener Heuer oder Taugenichtse, die sicher keinen Lohn nach Hause bringen, rum. Und die machen gerad hier vor nicht halt."
Jetzt trat sie auch in das spärliche Licht. Die Jute ihres Mantels ummahlte die kräftigen Schultern der Nosferatu. "Da muss Ich dich wohl begleiten. Da geht dein Schotter wenigstens in die richtigen Hände über, wenn dir die Finger gebrochen werdn."

[Allegra Aldighieri]

Als die fremde Gestalt aus den Schatten sie anspricht, tritt Allegra erschrocken einen Schritt zurück und legt sich die Hände flach auf den Brustansatz.

"Nein, wie entsetzlich! Wer würde so etwas wagen, einer hülflosen Maid wie mir die Finger zu brechen? Und mich auch noch berauben - da würde mein großer starker Mann aber böse."

Von kopfloser Furcht erfüllt[1], weicht die junge Frau rückwärts zurück, in eine Ecke zwischen einer Hauswand und einer hohen Kiste aus der die Flucht nicht so einfach ist. Für jemanden mit unlauteren Absichten geradezu eine Einladung, näher zu kommen und sie zu bedrängen...

[1] Gefühle verbergen: 3 Erfolge (Link)

[Carina]

So wie sich diese Maid in diese Ecke hinein drückte, wirkte sie nun wirklich erbärmlich und dazu noch die Drohung mit dem Ehemann. All dass ließ Carinas Hals ein Grunzendes Lachen Herauf kriechen, das ihren Mantel erzittern lies. So trat sie weiter vor, doch hob die einbandagierte Hand zu einer Beschwichtigenden Geste. "Hee, hee, du musst dir was härteres ausdenken. Aber heute hab ich schon genug gaunert. Mit dir hab ich ja fast Mitleid. Was treibt so eine denn hierher?"

Zwei Schritte nach Links und den Arm immer noch gehoben. "Was hälst du davon? Du lässt zahlst mir den nächsten Humpn, dafür machn wir uns gemeinsam auf den Weg. Dann schau ich drauf, dass dein "großer, starker Mann" nich böse werdn muss. Na?"

[Allegra Aldighieri]

Die zierliche junge Frau verbleibt in ihrer Ecke - fast schon so, als lauere sie darauf, dass die Fremde sich nähere, sich von sich in Reichweite begäbe. Ein bißchen wie eine Katze, die darauf wartet dass die Maus von sich aus heran kommt.

Ihre Ausdrucksweise ist kühl, ein bißchen von oben herab.

"Was geht es sie an, wo ich hin gehe? Soll sie doch ihr ergaunertes Geld nehmen und ihren Humpen damit selbst bezahlen."

Schlecht gelogen - vielleicht bewußt schlecht gelogen, um eine entsprechende Reaktion zu provozieren - schiebt sie nach:

"Bei mir gibt es sowieso nichts zu holen, mein Geld verwahrt natürlich mein großer starker Gemahl für mich, wie es sich für eine Dame von Stand geziemt. Und er ist nur einen Schrei entfernt von mir."

[Carina]

"Du, jetzt hast du's genau beinand" Die Stimme war beinahe die eines Anderes Menschen. Nun klang sie wie ein Wolf, der den Hasen schon auf der Zunge schmeckt. So sank auch ihr Kopf ab. Er lag nun zwischen den Schultern.
"Komm, schrei oder kreisch! Noch kannst dus. Weil wenn dein Kerl noch durch eine Tür passt, dann ist alles was du noch machen kannst ist aussuchen, wo man den unter die Erde packt. Egel ob du hier meins durch So eine Drohung wieder raus zu kommen. Denn du und der Kerl Gleich drei mal ihr habt keine Ahnung, was euch gegenüber steht und sicher nicht was dann bevor steht"

Eine der locker neben den Körper liegende Hände ballte sich wieder und wieder. Unter den Bandagen traten Bänder und Sehnen deutlich hervor. "Mäuschen, den Rat bekommst du noch, wenn einer sich in der Gosse findet, dann nimmt man den Arm der einem gegeben wird. Sonst drückt der einen weiter nach unten bis man ganz unten zermatscht wird."

Dabei hob Carina die eben noch pulsierende Hand. "Weißt du, Ich bin Carina aus Syrakus und hoff eine derartige blumige Person wär ein Gespräch wert."

[Allegra Aldighieri]

Allegra wirkt ein wenig irritiert, bei diesem plötzlichen Schwenk von Bedrohung zu Plauderton. Aber sie erkennt doch darin etwas wieder, und wechselt ihre Ausdrucksweise als Carina ihre Heimat nennt - von dem hochgestochenen Ausdruck einer reichen Händlerin zu dem einer süditalienischen Gossendiebin.

"Sin' nich alles harmlose und wehrlose Mäusch'n, die wo wie welche ausseh'n. Sin' manchmal Großkatz'n, die auf diejenich'n Katz'n lauern die Jagd auf Mäusch'n mach'n."

Sie grinst die Unbekannte breit an.

"Von Sizilien aus is nen ganz schön weiter Weg, nur um zitternde Händlertöchter von ihr'm Tasch'ngeld zu trenn'n. Bin Allegra aus Kalabrien - un' Kleingeld is es auch nich, dem ich nachjage.

Was machste hier wirklich?"

[Carina]

Nun hielt wiederum Carina inne. Von diesem Raschen Wechsel schien sie noch nicht viel zu halten. Ihr Schnaufen war deutlich zu hören und wurde nach und nach leiser.

"Kalabrien, da ham die Seemänner ordendlich was erzählt. Soll schön da sein. Schwertfisch, nich?"
Mehr Annäherung als wahres Interresse.

"Dann hats doch mehr gehabt. Das hatt ich mir gedacht. ...Allegra, hier bin ich gelandet, weils daheim nich genug Platz für etwas wie mich. Aber gegen hin und wieder ein oder zwei Gaunereien, da hat man noch nie was gegen gehabt."

Sie trat wieder zurück in den Schatten und mit einem Säuftzer ließ sie ihr Gewicht auf ein aufgerolltes Tau nieder.
"Das Selbe kann ich dich auch frage, den Gatten den kauf ich dir nich ab. Aber hier is das kein Ding. Was treibst du in der Nacht?

[Allegra Aldighieri]

Allegra kicherte.

"Naja, nen Gatten hab ich schon. Un' willst lieber dem begegnen als mir. Bin ne Großkatze, die kleinere Katz'n glaub'n lässt ich wär nen schwaches un' kleines Mäusch'n, damit se bis auf Tatz'nreichweite heran komm'n."

Sie grinst breit.

"Kalabrien is' Magna Grecia, aber mein Urgroßvater kam aus Kappadokien. Weißt schon, wo se die Toten wandeln lass'n, wo se mit den Schatt'n sprech'n.

Un' du selbst? Bis sicher nich nur den ganzen Weg hier rauf gesegelt, bloß für nen Hump'n um deine Kehle zu öl'n un' verschreckten Händlertöchterchen das Kupfer 'für abzunehm'n."

[Allegra Aldighieri]

Carina begegnet Allegra in einer dunklen Gasse in Platealonga. Die Nosferatu hält Allegra für eine reiche sterbliche Händlerin, während die Kappadozianerin Carina für eine gewöhnliche Straßenräuberin hält. Als Kainiten erkennen sie sich gegenseitig nicht.