[1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Wenn die Sonne hinter das Appenningebirge sinkt, kriechen die Verdammten aus ihren Löchern. Dies sind ihre Geschichten.
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Allegra Aldighieri
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[1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Im Jänner, nicht lange nach dem Jahreswechsel, ist es nasskalt und ungemütlich. Der Hof der Wunder, der in den wärmeren Monaten vor Leben pulsiert, ist fast ausgestorben, die Büdchen abgebaut oder gut verrammelt. Nur von der lustigen Truppe der Weinhändler hält sich jemand eisern, und verklappt den sauer gewordenen Wein der vorletzten Lese als Pyment - mit genug Trockenfrüchten, Honig und vor allem Hitze rinnt er noch gut genug die Kehlen der wenigen Nachtschwärmer runter, die sich hierher verirren.

So nimmt der Pymenthändler auch 'Melinoe' ins Visier, deren unter dem groben Überwurf hervorblitzende bunte Kleidung sie für diejenigen, die sie kennen, gut wiedererkennbar macht. Diese schüttelt aber schon von weitem den Kopf, und fährt sich mit entschuldigender Miene über den erkennbar gewölbten Bauch.
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Vincente Carlos
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Vincente ärgerte sich darüber, dass der Hof der Wunder in der kalten Jahreszeit so … trist war. Verschwunden war der Rausch und das Johlen und das wunderbare Geschrei. Irgendwie fehlte es dem Platz derzeit schlichtweg an Leben...

Betrübt blickte er sich um und versuchte sich damit zu trösten, dass es mit den wärmeren Tagen zurückkehren würde. Bis dahin würde er sich einfach in Geduld üben und in Erinnerungen schwelgen müssen.

Sein Blick blieb an einem Händler hängen, der zumindest noch ein paar Geschäfte machte, indem er Getränke an eine Kundschaft verkaufte, die auch bei diesem Wetter dem Platz nicht fernbleiben wollte oder konnte. Sein geübtes Auge musterte die Gruppe, sodass auch er an diesem Abend noch zu einem Schluck kommen mochte...da fing eine vorbei eilende Gestalt seine Aufmerksamkeit.

Es gab nur wenige Personen, die sich so bunt zu kleiden wussten, dazu musst er nicht erst einen Blick auf ein paar impossante Locken werfen. Sein Blick folgte Melinoe, wie sie sich hier zu nennen pflegte, und er wollte sie schon gehen lassen, als er sah wie sie ihre Hände über einen gewölbten Bauch gleiten ließ. Das erregte nun doch seine Neugier und er passte seine eigenen Schritte an, um ihren Weg zu kreuzen.

Als er sich ihr näherte, sprach er sie an: „Wie ich sehe darf man euch gratulieren?“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

Die bunt gekleidete Händlerin ist ihrerseits schon halb im Weggehen von dem nun so tristen Platz, aber als sie ihn erkennt, strahlt die bleiche 'Melinoe' den Piraten an, mit leichenstarren Augen.
Es war nun schon exakt zehn Jahre her, dass die beiden sich getroffen hatten. Ihr Gesicht war immer noch das gleiche einer Jungfer in den Teenagerjahren, dazu einladend sie zu beherrschen, Besitz von ihr zu ergreifen und ihr die Unschuld zu nehmen - aber ihr Körper mit dem nun gewölbtem Bauch ließ sie nun älter erscheinen, reifer, auf dem Weg zum nächsten Schritt ihrer Fraulichkeit.

"Oh ja! Mein Gemahl und ich, wir haben es schon lange genug versucht, haben schon geglaubt wir seien von Gott verstoßen - aber endlich ist es geglückt! Ich darf endlich Mama werden und mein Vermögen einer neuen Generation vermachen! Ich freeuuueee mich soooo seeeehr!"

'Melinoe' redet dabei etwas lauter als sie müsste. Fast schon so, als wollte sie, dass der Pymenthändler und seine spärliche Kundschaft mitbekommen, dass 'Melinoe' bald Grund hätte, sich zurück zu ziehen, sich der Aufzucht ihrer Leibesfrucht zu widmen - und irgendwann nach der Jahrhundertwende dieser das Tagesgeschäft zu überlassen.
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Vincente Carlos
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Das dargebotene Schauspiel, dass Melinoe wohl kaum für ihn, wohl aber für die umstehenden Menschen bot, amüsierte ihn. Aber er sah keinen Grund es ihr zu verderben und beschloss daher mitzuspielen.

„Ihr habt geheiratet? Und mich nicht eingeladen?“ Er griff sich gespielt-betrübt an die Brust, in der kein Herz mehr schlug. „Wie schade, hätte ich euren Mann doch gerne für euch auf Herz und Nieren geprüft, bevor er euch ins Bett und in die Ehe geholt hat.“ Er bot ihr den Arm an, damit sie sich auf ihn stützen konnte, während sie ihren Weg fortsetzten. „Und wer ist dieser Glückliche, der euch für alle anderen Männer gestohlen hat?“ Humor schwang in seiner Stimme mit, wie es sonst nur die Kirchenglocken taten.
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

'Melinoe' wirkt ein wenig empört und entrüstet bei der Nachfrage.

"Ich kam schon als treu sorgendes Eheweib hier an. Matteo ist mein glücklicher Gemahl, und ich hätte mir niemals jemand besseren wünschen können, um an meiner Seite zu stehen."

Sie kichert etwas albern.

"Aber während ich darauf gewartet habe, dass mein Kinderwunsch endlich in Erfüllung geht, habe ich anderen helfen können. Die gute Prada hatte dank mir die rauschendste Hochzeit, die sie sich hätte wünschen können - und sie ist immer noch glücklich mit ihrem Buffino, und hat bereits sechs Kinder in die Welt gesetzt. Ein Jammer, falls Ihr dieses Fest verpasst habt, es war lange genug Dorfgespräch in jedem Winkel von Platealonga bis Votori, und in Flussmund selbst schwärmen sie noch heute davon.

Vielleicht kann ich bald das gleiche für die arme Lila tun. Vielleicht auch nicht. Sie scheint es nicht so eilig wie Prada zu haben, unter die Haube zu kommen und sich einem Mann untertan zu machen."


Das Lächeln, das sie dabei aufsetzt, wirkt halb versonnen, halb schelmisch, so als ob da mehr an Lilas Schicksal wäre. als sie offen ausspricht.
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Vincente Carlos
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Er dachte an ihr erstes Treffen auf dem Hof der Wunder zurück und schluckte ein Lachen herunter.
Treu also? Dann sollte er Matteo mal besser nicht erzählen wie sie sich vor ihm entkleidet hatte. Nicht, dass er es noch mit einem eifersüchtigen Ehemann zu tun bekam.

„Ist Matteo der Bruder des kleinen Bengels, der mir so tüchtig Geld abgeknöpft hat, als ich euch das letzte mal sprach?“ Die Diener waren ihm nur am Rande in Erinnerung geblieben und er versuchte nun die verschiedenen Informationen der damaligen Nacht wieder zusammenzubekommen.

„In der Tat war ich beim Fest nicht anwesend, aber ich glaube mich zu erinnern, dass danach Gerüchte die Runde gemacht haben. Ich wäre vielleicht auch vorbeigekommen, aber wahrscheinlich war meine Nacht schon anderweitig verplant gewesen.“ Als er hörte, dass die arme Braut inzwischen schon 6 Kinder geworfen hatte, zog er eine Schnute. „Sechs Kinder, sagt ihr? Das ist eine ganze Menge. Und nicht weniger kostspielig als das Hochzeitsfest.“ Er schüttelte den Kopf ob der Summe, die das alles verschlungen haben musste.

„Und nun plant ihr erneut eine große Feier? Diesmal für eine andere Person?“ Er blickte sie an. „Euch muss das Schicksal und das Wohlergehen dieser fremden Menschen sehr am Herzen liegen. Oder...sind es womöglich eure Diener, die ihr auf so großzügige Weise entlohnt?“
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

'Melinoe's Blick nimmt einen Moment etwas seltsames und finsteres an, als Vincente die zwei gaunerischen Gebrüder erwähnt, die ihm beim letzten Mal so frech in die Tasche gegriffen haben. Aber dann überspielt sie es mit einem schelmischen Lächeln, während sie sich über den gewölbten Bauch streicht.

"Vittori meint ihr? Der war ganz witzig, und hat mir auch schöne Augen gemacht - aber um eine Melinoe unter seine Fuchtel zu nehmen und zu behalten, da braucht es schon ein ganz anderes Kaliber von Mann.
Vittori mit seinem kleinen Bruder inzwischen sowieso weitergezogen - vielleicht Pisa, oder Mailand, oder Nizza, oder von da aus schon weiter zum nächsten Jahrmarkt. Diese Fahrenden hält es einfach nie lange an einem Ort, und Reisende soll man nicht aufhalten."


Sie schüttelt den Kopf, als der Lasombra eine Schnute zieht.

"In schwachen Momenten beneide ich Prada, die der HErr mit so fruchtbaren Hüften gesegnet hat, die ihr eine so reichliche Kinderschar beschert haben die das Geschäft weiterführen und sie im Alter versorgen werden. Aber dann besinne ich mich Gottlob eines besseren, und freue mich für sie und ihr Mutterglück."

Erneut streicht die Kappadozianerin sich über ihren Babybauch.

"Aber vielleicht erlebe ich bald einen schwachen Abglanz davon... Und wenn nicht? Unsere kleine Ziehtochter Lila ist mir und meinem Gemahl Matteo inzwischen so sehr ans Herz gewachsen, als wäre es unser eigen Fleisch und Blut.

Sie ist keine Dienerin oder Magd die ich von früh bis spät herumscheuche und rumschikaniere. Sie ist eine Seelenverwandte, in der ich sehr viel davon wiedererkenne wie ich einmal war - und die wiederum in mir erkennt, was sie einmal sein könnte."


'Melinoe' lächelt breit.

"Und Lila hat einiges davon aufgeschappt, wie man mein Geschäft führt, und wie man schreibt und zählt - ich denke, sie könnte mal meine Nachfolge antreten, und es mir vergelten wenn ich einmal alt und grau bin."
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Vincente Carlos
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Als sie die Namen der Brüder nannte, kam auch die Erinnerung zurück. Stimmt, so hatten sie geheißen. „Weiter gezogen? Tatsächlich? Ich hatte angenommen, dass so tüchtige Männer eure Seite nicht verlassen würden. Für das Geschäft waren sie ja sicherlich nicht abträglich.“

Darüber, was es für eine Frau bedeuten mochte keine eigenen Kinder bekommen zu können, wo doch dies ihr einziger Zweck in der Gesellschaft zu sein schien, hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Ihn selbst drängte nichts zur Vaterschaft, hatte er doch bereits genügend Personen, um die er sich kümmerte – so gut es die Umstände eben zuließen.

„Es freut mich zu hören, dass ihr in ihr eine tüchtige Tochter, noch dazu mit einem Kopf für das Geschäft, gefunden zu haben. Wann ist es denn bei euch soweit, wenn ich fragen darf?“ Er hatte durchaus nichts dagegen, das Spiel für die Augen der Menschen weiterzuspielen...
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Allegra Aldighieri
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Allegra Aldighieri »

'Melinoe' winkt auf Vittori angesprochen ab.

"Die Gebrüder haben sich schon ganz nützlich gemacht, wenn sie mal was gemacht haben, aber so zuverlässig waren sie nicht.
Naja, wird sich schon wer anderes finden, es kommen immer wieder neue Leute hierher, da wird sicher auch mal brauchbares Personal darunter sein."


Bei der Frage nach der Niederkunft lächelt sie versonnen und streicht sich über den gewölbten Bauch.

"Später Frühjahr vielleicht, oder Frühsommer?"

Etwas leiser fügt sie hinzu:

"Wenn es endlich klappt. Wenn nicht - dann werde ich mich umso mehr um meine Ziehtochter kümmern müssen. In ein paar Jahren ist sie alt genug, dass sie mich bei einem Abendspaziergang begleiten darf, dann lernst du sie vielleicht auch mal kennen. Hübsches Ding das gerade aufblüht, blond, und kommt ganz nach der Mama vom Wesen her. Und so hübsche Locken will sie auch einmal haben."

Die Kappadokierin nimmt eine vorwitzige Locke zwischen zwei Fingern und präsentiert sie, nicht ohne Stolz.
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Vincente Carlos
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Re: [1090] Der lange dunkle Mitternachtspyment der Seele [Allegra, Vincente]

Beitrag von Vincente Carlos »

Als sie davon sprach unter den Reisenden schon irgendwann neues - und vor allem brauchbares - Personal zu finden, musste er lachen. „Gutes Personal ist oft schwer zu finden“, fügte er hinzu. Er war umso dankbarer für seine treuen Gefolgsleute. „Manchmal kann man es zum Glück noch gut erziehen“, fügte er hinzu. „Wenn man sich dafür die Zeit nehmen möchte...oder kann.“

„Ah, der Frühling....Er hat schon so manches hervorgebracht nachdem die Landschaft so lange brach lag. Wenn ich Muße habe, dann erfreue ich mich an den ersten zarten Blättchen. So ein Grün gibt es später nicht mehr zu finden.“ Seine Stimme hatte hier einen verträumten Ton angenommen und es war nicht ganz eindeutig, ob er immer noch vom Sprießen der Pflanzen sprach oder von etwas anderem, das seiner Natur eher zugeneigt war. Aber wer würde bei so einer Aussage schon Haarspalterei betreiben wollen...

Sein Blick fokussierte sich wieder auf die Gegenwart. Er sah verstohlen zu dem sich wölbenden Bauch und hätte er rot werden können, vielleicht wäre er es geworden. „Nun, ich wünsche euch eine...glückliche und … schmerzfreie...“ Er stammelte. Er hatte sich in keinem seiner Leben um das Hervorbringen menschlichen Lebens sonderlich gekümmert und diese ganzen weiblichen Vorgänge waren ihm entsprechend fremd. Er wusste wohl, dass ein Mann etwas dazu tat, aber alles andere lag in den Händen der Frauen. „Ihr seid also … ähm...wirklich...ähm es ist möglich? Oder doch nicht? Wie ….“ Er verlor sich in Stammeln.
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