[1090] Schwesterherzen [Angelique, Roya]

[Roya]

Im Elysium war eine Nachricht für Angelique hinterlassen worden. Eine Einladung oder vielmehr ein Gesuch um ein gemeinsames Treffen in eben jenen Hallen, so es Jener beliebte, gemeinsam mit der Bitte um die Nennung einer Nacht, die ihr dafür passend erschien. So erwartete Roya sie in der Casa, an einem Tisch hockend, ihren Kopf unschlüssig hin und her wiegend, als sie scheinbar eine der weißen Figürchen auf dem Schachbrett unschlüssig musterte.

Roya war vorsichtig geworden nach den letzten Aushängen. Hatte die Umgebung mehrfach überprüft nach Menschen, die sich womöglich im Umkreis des Elysiums aufhielten und den Ort im Auge behielten, sowie nachdem sie die Nächte zuvor von dort gegangen war, ihre Spuren verschleiert, als sie durch die Schatten der Häuser huschte, darauf bedacht etwaige Verfolger abzuschütteln.

Sie war nicht paranoid, wohl aber merklich wachsamer geworden, wovon auch der einfach geschnitzte Bogen samt Köcher und dem kleinen Dolch sprach, den sie bei den Wachen hinterlassen hatte, als sie das Elysium betreten hatte. Auch jetzt, als sie die Figur betrachtete, wanderten ihre Augen über die Umgebung, diese aufmerksam im Blick behaltend.

An Royas oberflächlichem Äußeren hatte sich wenig geändert. Ihre Kleidung war wie immer dick und mehrlagig. Verbarg ihre Haut bis auf ihre Hände, ihre Füße und ihr Gesicht komplett. Auch die Schichten von Dreck hatten sich über die Jahre nicht verändert, auch wenn es in ihrer Lage und Position, sowie Farbe und Konsistenz durchaus Variationen geben mochte.

Dennoch hatte sich etwas verändert, was man erst auf den zweiten Blick ausmachen konnte. Roya trug inzwischen mehr schweren Schmuck, der einst wohl silberfarben gewesen sein mochte. Nicht offen zeigend, sondern vielmehr verborgen unter ihrer Kleidung. Breite Spangen, die ihren Oberarm zierten. Schmalere, an ihrem Handgelenk und Fesseln. Ohrringe und Ketten, die sich unter den Stoffen als grobe Abdrücke erahnen ließen.

[Angelique]

Ihr Schwester kam tatsächlich recht früh am Abend.
Unscheinbar in ihrem Mantel und mit Schlapphut. Paranoid sich umschauend, als erwartete sie, dass hinter jeder Ecke die furchtbare Drita wie ein Kastenteufel hervor hüpfen würde oder Häscher des Bischofs mit Pflock und Fackel.

"Schiavo, Schwester", sagte Angelique, sich immer noch umschauend. "Springer B1-A3", sagte sie schließlich, als sie das Brett betrachtete, "niemand erwartet diese Eröffnung."

Sie verbeugte sich und zog ihren Hut. Wenn sie es wollte, konnte sie sehr artig und der Etikette gerecht sein. "Du wolltest mich sprechen? Was kann eine arme Autarkis für dich tun, Roya?"

[Roya]

Roya hatte sich erhoben und Angelique zugenickt, als sie diese erblickt hatte. Auf den Gruß hin, schenkte sie ihrem Gegenüber ein Lächeln. „Möge der Mond deinen Weg erhellen, Schwester.“ Auf die weitere Eröffnung hin, neigte sie ihren Kopf zur Seite.

Nachdenklich betrachtete sie das Schachbrett und dessen Muster.* Schließlich deutete sie unschlüssig auf die Figur, die aussah wie ein Pferdekopf, der logischen Reihenfolge von Buchstaben und Zahlen folgend, die einzig Sinn zu ergeben schienen. „Springer B1-A3.“ Ein offenes Strahlen wanderte über ihr schmutziges, dunkles Gesicht. „Ich werde es mir merken.“

Nachdem Angelique schließlich ihren Hut abgenommen und geendet hatte, legte Roya ihren Kopf auf die andere Seite. „Arme Autarkis.“ Die Wiederholung bekam durch die Rauheit ihrer Stimme einen eigenartigen Unterton, bevor die Malkavianerin nur mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht, was das bedeutet.“

„Aber ja, ich wollte dich sprechen.“ Roya nickte bestätigend, bevor sie leicht in Richtung der Tafel mit den Aushängen deutete. „Da steht, Gabriel will ein Spiel der alten Griechen spielen. Hellenen, ja?!“ Unschlüssig kaute sie das Wort hin und her, abwägend ob es wohl das Richtige war, während sie ihr Gegenüber betrachtete.

Dann deutete sie mit ihrer offenen Hand einladend auf Angelique. „So du bist sehr klug. Du kennst dich damit aus.“ Anschließend legte sie jenes Körperteil flach auf ihrem Herzen ab, als sie ihren Kopf schüttelte. „Ich nicht. Ich weiß nicht was griechische Spiele sind. Und ich kann es auch nicht lesen. Selbst. So, ich wollte dich fragen, ob du mir hilfst es zu verstehen? Beides.“

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*Schachmystikum verstehen gegen SK 8: 3 Erfolge

[Angelique]

"Griechische Spiele?", echote die kleine Vampirin stirnrunzelnd und betrachtete den Aushang. "Er wird keine sündhaften Sodomie damit meinen, selbst wenn die alten Griechen sich ihre Zeit mit Knaben bei ihren philosophischen Symposien vertrieben haben."

Sie las den Brief buchstabengetreu vor.
"Jetzt fängt der auch an, in Rätseln zu sprechen. Damit kann er ja alles meinen, von Pentelitha, was ein Geschicklichkeitsspiel mit Knöchelchen ist, das auch ich gerne für Orakel benutzte, bis hin zu Pentagramma, einem Brettspiel, wovon ich aber nur die römischen Regeln kenne.
Überhaupt gibt es keine Regeln für die alten griechischen Brettspiele, die meines Wissens überliefert sind, aber vielleicht kennt sein altes Haus noch diese Regeln.

Schade, dass ich ausgestoßen bin. Das macht mich schon neugierig. Aber kannst du mir dann berichten, welch Spiel es nun war."

Sie seufzte. "Genau das bedeutet Autarkis. Ich bin verbannt aus der Gemeinschaft der Vampire Genuas. Kann an solchen Spieleabenden nicht mehr teilnehmen, obwohl ich sehr gerne spiele. Natürlich spiele ich gerne, ich bin ewig ein Kind und verliere diesen Drang wohl nie."

[Roya]

Roya war Angelique zu den Aushängen gefolgt und lauschte ihren lateinischen Worten, die sie offenkundig nicht verstand, aber versuchte mit den Augen zu verfolgen, als würde sie die Muster dieser auswendig lernen, auch wenn ihre exakte Bedeutung ihr nicht fremder sein konnte. Ebenso die Spiele der Griechen, die Angelique ihr nannte.

„Was ist der Grund, du kannst an solchen Abenden nicht teilnehmen?“ Fragend musterte Roya ihr Gegenüber auf deren Tatsachenaussage hin. „Ich meine, ja Lydiadas sagte, du bist verstoßen von deinem Urahnen und deiner Linie. Aber du bist nicht verstoßen von deinen Urahnen. Oder?!“ Unschlüssig musterte sie Angelique, ob sie die Formulierung oder auch die Unterschiede in der Formulierung richtig verstanden hatte.

„So er sagte, du bist verbannt von Treffen jenen Blutes. Aber nicht allen Blutes. Oder?!“ Weiterhin unsicher blickte sie auf Angelique hinab. „Du stehst nicht mehr unter dem Schutz jener Ahnen, ja, aber du stehst unter Aurores Schutz, nicht?!“ Fragend blickte Roya weiter auf sie. „So der Hüter verbietet dir nicht in das Elysium zu kommen, oder?! Und Gabriel.“ Die Malkavianerin deutete grob in die Richtung auf das Wort von dem sie glaubte, dass es Neugeborene bedeutete. „Er schreibt hier Neugeborenen, nicht?!“

Sie hielt ihren ausgestreckten Finger weiter dort, unter welchem sich Erde, Schmutz, getrocknetes Blut und weiß noch schlimmeres über die Zeit gesammelt hatte, ohne es tatsächlich zu berühren. „So du bist eine Neugeborene, nicht?! Lydiadas sagte.“ Roya ließ ihren Finger sinken und deutete auf das ewige Kind. „Du bist Angelique, Neugeborene. So warum solltest du nicht kommen dürfen?!“

[Angelique]

"Bis jetzt ist mir das Elysium nicht verboten worden, das kommt aber wohl auch noch.

Ich gehe nicht zu diesem Treffen, um nicht unnötig Spannung aufzubauen. Außerdem möchte ich mich nicht bepöbeln lassen. Es würde auch Gabriel Gesicht verlieren lassen, wenn das Enfant Terrible da auftauchen würde.

Du verstehst das Intrigenspiel noch nicht. Ich bin rechtlich keine Neugeborene mehr. Ich bin nichts in der Gesellschaft der Vampire mehr. Persona non grata. Keine Blutlinie, keine Würden, keine Rechte, kein gar nichts. Ich bin منبوذ

Es ist möglich, dass in anderen Ländern, zivilisierten Ländern", spie sie aus, "man das nicht anerkennt. Dass ich mich zum Beispiel zu deiner Familia begebe und sie mich als Nachfahrin Malkavs anerkennen würde und über die Linie der Lombardei und ihre Späße lacht.
Hier aber bin ich vogelfrei wie die Juden und nur durch den Schutz Aurores noch am Leben."

Sie ging auf und ab. "Einer meiner Vasallen ist verschwunden. Ich weiß nicht, ob er von Amtsträgern ermordet wurde, weil ich ja nicht so viele Sklaven besitzen darf wie früher, als ich noch als Kind Malkavs galt, oder ob jetzt ein anderer seinen ersten Schachzug macht, um mich mattzusetzen. Früher hätte sich das keiner erlaubt. Aber bei Löwinnen ohne Rudel werden auch die feigsten Schakale mutig."

[Roya]

„Du bist eine Löwin.“ Die Aussage der Malkavianerin klang hart durch die Rauigkeit ihrer Stimme und doch schwang in ihr die Wärme einer Mutter mit. „Ein Orakel. Ein Vampir. Ein Kind der Nacht. Noch immer.“

„So ja, deine Familie hat dich verbannt. Aber die Vitae Malkavs, die Kräfte, die dir deine Mutter gab, sie sind noch immer in dir.“ Ihre Hand klopfte mehrfach kurz auf die Stelle, auf der einst Royas Herz geschlagen hatte. „Hier drin. Nicht?!“

Fragend musterte sie Angelique, als sie sich nicht sicher war, ob den tatsächlichen Folgen oder auch Auswirkungen einer solchen Verbannung ihres Blutes. „So, du kannst Knöchelchen werfen, um Antworten zu finden zu deinem Vasallen, nicht?! Oder zu den Schakalen?!“

Dann zuckte sie nur leicht mit den Schultern. „So was du tust ist deine Entscheidung. Auch so du aus Furcht nicht zu den Treffen gehst. Oder Spannungen ausweichst. Aber Lydiadas sagte, du bist eine Neugeborene. So du bist rechtlich eine Neugeborene.“

Erneut bewegten sich ihre Achseln unschlüssig nach oben und unten. „Aber ich verstehe das Intrigenspiel nicht, so ja, möglich ich liege falsch. Und Würden, Rechte, man kann sie sich erarbeiten, so sie einem wichtig sind, nicht?!“ Ihr Kopf neigte sich zur Seite, als sie Angelique weiter musterte.

Hinsichtlich deren Überlegung zur Royas Familie zu gehen, äußerte diese sich nicht, doch ihr verhaltener Blick, der dem ihren ausgewichen war, spiegelte wider, dass sie wohl zu jenem Aspekt oder auch dem, was Roya von der Entscheidung der Linie der Lombardei halten mochte, eine Meinung hatte, zu der sie sich im jetzigen Moment nicht äußern wollte.

[Angelique]

"Ja, ich habe schon Orakel dazu gemacht. Das stimmt. Ich muss nur überlegen, wie ich da reagiere.

Und nein, ich werde da nicht hingehen und diese Geschichte mit meinem Vasallen ist ein weiterer Grund dafür.

Lydiadas sagt viel, wenn die Nacht lang ist. Der sucht nur einen Grund, mich zu töten. Und nur allein, weil er ein sadistischer Typ ist."

Sie seufzte. "Tut mir leid, dass ich dir nicht mit Wissen über griechische Spiele aushelfen konnte. Vielleicht solltest du die Grabräuberin fragen. Aus irgendeinem mir obskuren Grund weiß diese Gossendirne mehr über die Antike als ich. Vielleicht hängt das mit den Künsten ihrer Linie zusammen. Vielleicht liest sie solche Geheimnisse auch aus Gegenständen, die sie den Toten stiehlt.
Jedenfalls ist sie die bessere Anlaufstelle dafür als ich."

[Roya]

Royas Augenbraue hob sich leicht auf die Aussage Angeliques hin, dass Lydiadas ihr Gegenüber tot sehen wollte, bevor die Malkavianerin letztlich nur mit den Schultern zuckte, ob dem Ratschlag Allegra zu fragen. „Ich wollte deine Sicht wissen. Nicht ihre.“ Ihre Antwort klang schlicht und durch ihre trockene Stimme rau.

„So du nicht hingehen möchtest, ich kann dir das Spiel beschreiben. Nach dem Treffen. Beibringen, so ich die Regeln verstehe. So du möchtest.“ Dann musterte Roya Angelique einen Moment betreten. „Das mit deinem Vasallen tut mir leid. Er scheint dir sehr viel zu bedeuten.“

[Angelique]

"Ja, Menschen bedeuten mir viel. Mehr als die meisten Monster unserer Art. Und meine Vertrauten noch viel mehr. Ich lehre sie und mache aus dummen Mördern, kultivierte Krieger. Das ist mehr, als die meisten Kriegerphilosophen der Brujah versuchen.

Man trifft mich jedes Mal hart, wenn man so tief sinkt. Vielleicht will man mich auch provozieren, damit ich einen Fehler mache und einen Bauern aus dem Spiel nehme, damit sie mich rausschlagen können."

Sie wechselte das Thema so schnell, wie nur sie es mit ihrer Aufmerksamkeitsstörung konnte. "Sag, du erwähntest die Kräfte, die mir meine Mutter gab. Das ist eine ungewöhnliche Bezeichnung für meine Sire.
Oder meinst du damit die Magie Liliths, der ersten Frau Adams, die Kain die Zauberei des Blutes lehrte?"

Eine wahre Gretchenfrage für Vampirinnen.