[1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Wenn die Sonne hinter das Appenningebirge sinkt, kriechen die Verdammten aus ihren Löchern. Dies sind ihre Geschichten.
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Drita
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Drita erwiderte die Begrüßung von Agnellina mit einem Nicken und einem sanften Lächeln.

Und dann war da auch schon die Stimme von Harl, die eine verbale Begrüßung durch die Ancilla erst einmal hinten anstellte. Noch immer lächelnd drehte Drita den Kopf und nickte dann auch dem Mondkind zu. Nijaz blickte selbstredend auch herüber und nachdem er von der Gangrel für zu gering eingeschätzt wurde, tat es Harl anders. Hier verneigte er sich tief, ehe er selbes auch der Gangrel schenkte - weniger tief, wenn man genau in der Dunkelheit hinsehen konnte.

Sie winkte den Malkavianer heran. "Schön, dass wir zusammen gefunden haben. Kennt ihr euch bereits?"

Falls nicht würde Drita nun die Vorstellung der beiden fast gleichgestellten übernehmen. Die Entscheidung, wen sie zuerst nannte und damit 'bevorzugte' fiel entschieden knapp zu Gunsten des Mondkindes aus - wahrscheinlich auch nur, weil Agnellina für das hier die Verantwortung trug. Oder war es weil man nun mal einen Namen zuerst nennen musste? Weil es einen "Gleichstand" beim Status niemals gab?

"Leider hat sich alles ein wenig verzögert." Drita blickte nun Harl an. "Agnellina wurde vor einiger Zeit hier in den Weinbergen angegriffen. Im Zuge des Angriffs verfiel sie ihrem Tier und konnte so entkommen. Leider jedoch traf sie in der Raserei auf einige Diener von mir und... tötete sie." Drita entschied sich für die sachliche Bezeichnung, statt das Massaker tiefergehend auszuführen.

"Ich würde gerne herausfinden, ob sich noch Spuren finden lassen, die auf den Angreifer hindeuten. Und damit das einfacher von statten geht, habe ich euch Beide hier her eingeladen, statt Ort und Hinweise per Nachricht zu beschreiben."

Und dann kam noch etwas Geschäftliches: "Den Gefallen, der als Gegenleistung für die Suche schuldig sein wird, werter Harl, wird die werte Agnellina tragen."
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Harl
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Harl nickte, denn die Worte der Ancilla waren gerecht genug und er musterte Agnellina.
"Ja, verehrte Herrin. Wir ...kennen uns", sagte er erst zu Drita und wandte sich dann auch mit an Agnellina. "Und obwohl sie nicht Jägerin ist wie ich Jäger bin, waren wir doch gemeinsam jagen", meinte er. "Nach ..heh. Nach Seelen. Auch wenn ich keine fand." Damit nickte er Agnellina zu.

"'s wird nach Monaten und Jahren kaum Spuren geben, die Finger ertasten können oder Augen sehen. Doch 's gibt mehr Spuren als nur solche. Tiefere, vielleicht. Am Ort. An dir selbst. An deiner Seele, an deinem Leib auch, eh? Und auch Spuren an solchen, die gehört oder gesehen haben, was geschah. Darum... ." Er machte eine Geste zu Agnellina herüber, offen, wie eine gebende Hand. Doch zugleich spähte er auch nach solchen Zeichen an Agnellina selbst, denn Harl kannte die Gangrel gut genug.
"...darum beginnen wir so, wie du in jener Nacht begonnen hast, als du hierher kamst. Zeig mir deine Schritte", forderte er sie auf.
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Agnellina
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Agnellina »

Nachdem Drita die Begrüßung angenommen hatte, richtete sich Agnellina wieder auf. Da sich die Ancilla dann gleich umwandte, nutzte die Gangrel die Gelegenheit den dunklen Mann an deren Seite mit einer gewissen Faszination ob seiner Erscheinung zu mustern. Scheu nickte sie ihm zu, als er sie noch einmal ansah.

Agnellina überließ Harl die Erklärungen. Sie knickste auch vor ihm und neigte den Kopf, wenngleich weniger tief als vor Drita. Dafür präsentierte sie ihm für einen kurzen Augenblick ihre Handflächen. Leer. Frieden. Sie hatte es nicht vergessen, hielt daran fest, wie sie es bei den Begegnungen untereinander durchgeführt hatten. Allerdings wurde die Geste nicht mehr von den bleichen, bloßen Händen vollführt wie in der Vergangenheit. Agnellina hatte die Handflächen unter inzwischen gräulichen Stoffstreifen versteckt, schwarzes Fell ließ die Finger als eine dunkle, haarige Einheit erscheinen. Die Hände verschwanden sofort wieder unter dem Umhang, ließen eine genauere Inspektion zunächst nicht zu.

Sie hörte seinen Feststellungen zu. Nicht alles seiner Worte verstand sie oder wollte sie begreifen. Sie ließ ihren Blick kurz in der Dunkelheit des Abhangs versinken, ließ ihn mehr geistig als tatsächlich über die Reihen und abermals Reihen von Rebstöcken schweifen. Wie sollte sie dort diese eine bestimmte Stelle finden?

Agnellina drehte sich etwas. In Richtung des Hofes. Von dort fort. Machte die ungefähre Richtung von San Maria Magdalena aus.
„Ich kam aus Richtung der Stadt.“, setzte sie an und zeigte grob in die Dunkelheit. „Dann… habe ich länger gesucht. Ich weiß, dass es Bauten in den Hängen gibt. In deren Umkreis habe ich gesucht. Die Triebe kamen gerade heraus. Das mögen sie.“
Sie sah zu Harl. „Ich bin nicht mehr sicher, wo es genau war. Eben von irgendeinem Bau aus immer weiter geschlichen, bis ich etwas gefunden hatte. Ich bin den Kaninchen hinterher. Eines hatte ich erwischt. Dann bin ich weiter gegangen. Hinauf, einfach die Reihe entlang. Eine dieser Reihen.“
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Harl
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Mit seinem einen scharfen Auge für diese Welt beobachtete Harl Agnellinas Geste. Er beugte sich ein wenig vor, witterte, schnüffelte in der Luft. Beiläufig drehte er den Speer herum, steckte ihn in die lockere Erde des Weinbergs und legte seine Hände über das Netz, das er über der Schulter trug. Er zeigte, was er hatte.

Doch er ließ sie erst einmal sprechen, wollte auch hören, was sie nicht sagte. Nicht zeigte. Nicht wollte. Nicht tat. Nicht wusste. Er folgte ihrer Geste, spähte und lauschte einen Moment in die Dunkelheit.

“Gut”, meinte er dann. “Der Beginn mit einer Jagd. Gehen wir. Dorthin, wo du sie begonnen hast. Und beendet. Denn dort beginnen wir.” Er ging langsam in die ungefähr die Richtung los, die sie gedeutet hatte, lud sie mit einer Geste und einem Seitenblick ein.
“‘ch werde dein Blut trinken. Versicherung, für dich. Und Erkenntnis. Ich muss dich …verstehen, heute Nacht. So, wie ich die Möwen gesehen habe, in jener Nacht. Vielleicht.. vielleicht darf es dir helfen, dass du auch etwas siehst und verstehst, das sonst verschlossen ist. Weißt du… nh. Weißt du, was ein Aschepriester ist, werte Agnellina?”
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Drita
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Drita »

Drita schaute zwischen den Beiden hin und her. Sie nickte und gab ihnen so den Raum die Dinge zu tun, die getan werden müssen. Eine Suche. Dabei nahm sie etwas Abstand, jedoch nicht weit genug, um die Worte nicht mehr verstehen zu können. Dann umrundete sie die Beiden.

Während Agnellinas Worten schaute sie die Gangrel an. Ihre Mundwinkel zuckten etwas bedauernd, als sie sagte, dass sie nicht mehr genau wusste, wo der Überfall stattgefunden hatte. Keine guten Startbedingungen. Aber dann schlug Harl vor von Hinten zu beginnen. Drita schritt hinter Agnellina, schaute Harl über die Schulter der Kainitin hinweg an. Leicht hob sich eine Braue. Mahnend? Abschätzend?

Auf der anderen Seite trat Drita dann wieder in das Sichtfeld Beider, um ihre Runde um Harl herum fort zu führen.
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Agnellina
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Agnellina »

Zögerlich ging sie los. Folgte halb, ging halb voran, hinab in die tiefer gelegenen Hänge der Weinberge. Fort vom Gehöft. Sie versuchte sich zu erinnern, etwas unter den Füßen wieder zu erkennen. Es fiel ihr schwer, sich allein darauf zu konzentrieren. Sie hatte sich von der Stadtseite aus genähert und strebte darauf zu.

Harls Seitenblick nahm sie hin, doch dann blieb sie stehen und schüttelte bestimmt den Kopf, als er sein weiteres Vorgehen ankündigte.
„Nein.“, widersprach sie fest, „Wirst du nicht.“ Sie schüttelte den Kopf und wiederholte ihre Worte noch einmal langsam. „Wirst. Du. Nicht.“
Sie suchte den Augenkontakt mit ihm. „Schuld und Handel, ja. Ich jag mit dir. Ich zeig dir die Vögel. Ich flüstere für dich, was deine Ohren nicht hören. Oder anderes. Mein Blut kostet du allein, wenn du mein Leitwolf sein wirst, wie es abgemacht wurde. Nur und einzig bei diesem Handel, den wir haben. Irgendwann. Wenn ich mich von dir prüfen lasse und ich kräftig und zäh genug dafür bin, dir in dein Reich zu folgen. Das ist nicht heute Nacht.“

Einige Schritte brachte sie Abstand zwischen sich und ihm, sah sich um. Ging wieder ein gutes Stück weiter. Witterte prüfend. Kräuselte die Nase und ging einige Schritte um Harl herum, bevor sie erneut witterte und die Richtung etwas änderte.

„Hier müsste ich den Hasen schon gehabt haben, glaube ich. Von dort unten bin ich ihm ein ganzes Stück hinterher. Seine Stimme war sehr laut. Hier war alles ruhig. Ich bin dann… dort…“

Sie lauschte und produzierte langsam ein leises Geräusch, indem sie die Unterlippe breit anspannte, die Zunge an den Gaumen drückte und Luft zwischen den oberen Eckzähnen in hohlen, kurzen Stößen hervor presste. Sie erinnerte sich an das Geräusch und das Geräusch weckte zugleich Erinnerungen.

„Aschepriester.“, wiederholte sie das Wort und wühlte in ihrer Erinnerung. „Ein… besonderer Jäger… Zum Sprechen… Zum Schweigen. Zum… Reinmachen.“ Sehr diffuse Ahnungen oder eher Mutmaßungen?
Agnellina wiederholte das fauchende Keckern und schlüpfte vorsichtig zwischen den Reben hindurch in eine andere Reihe. „Dort hinten, glaube ich. Die Reben waren etwas ausgedünnt, aber nur bis zur Hälfte des Unterschenkels. Da lag noch Laub aus dem Winter und…“ Wieder das Geräusch durch ihre oberen Eckzähne. Kein Rufen, ein Erinnern.
Fragend wandte sie den Blick, sah nach, wo Drita war und was sie tat. Was ihr dunkler Begleiter tat und wo er sich aufhielt. Sie sah wieder zu Harl.
“Reicht dir das? Ist das nahe genug an der Stelle?“
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Harl
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

Harl folgte ihr. Er lauschte ihr, dem Auf und Ab ihrer Stimme, den Worten und anderen Leuten, die sie von sich gab. Er roch sie, als er ihr folgte. Er sah sie, wie sie vor ihm ging, eine Silhouette im silbernen Licht des Mondes, dessen fernes Ziehen in seinen Ohren klang.

Er setzte seine eigenen Schritte leiser, damit er ihre besser hören konnte. Als sie innehielt, um zu wittern, tat er es ihr gleich, doch er witterte sie. Er lauschte ihr. Er sah auf sie.
Es war nie leicht. Das wusste er. Sie war nicht wie er. Und es war zu leicht, zu verführerisch, zu urteilen. Die Bilder des eigenen Verstehens und Wollens vor das Innere Auge zu legen bis man blind für das wurde, was tatsächlich geschah. Er kämpfte dagegen wie jeder, der nicht bereits mit offenem Blick und offener Seele in die Welt schauen konnte. Er konnte nicht, doch er wusste das und so brauchte er diese Zeit, um die Sinne zu öffnen. Um tiefer zu blicken, zu hören, zu fühlen, zu wittern als nur diese äußeren Dinge, die ihre Oberfläche zeigte.

Agnellina war eine andere Seele. Blass, denn sie war tot. Ihr Klang in diesem Augenblick war eine Melodie, die er erst langsam entschlüsseln konnte. Ihre Worte, Laute, Schritte, Bewegungen waren nur der äußerste Rahmen der tieferen Melodie.


Er nickte als sie ihn fragte, ob es nun rechte, denn sie selbst klang sowohl unsicher als auch zufrieden genug mit dem Ort. Als er dann sprach, sprach er sehr leise. Nicht einmal, weil er das plante, sondern weil ihre Geräusche, ihr Lied seine Welt anfüllten, die bereits voller Melodie war. Seine eigene Stimme, irgendwo dort an der obersten Oberfläche aller Dinge, war schier unerträglich …rauh. Einfach. Grob.

“Aschepriester weisen Wege”, sagte er leise. “Falls einer von uns in der Nacht einen finden muss. Will. Sie …nh.. können auch sehen, wenn einer von uns den Weg zu verlieren droht.”
Behutsam legte er sein Netz auf dem Boden ab und steckte den Speer auch dort in den Grund.

“Ich brauche dein Blut, weil ich dich …finden muss. Weil die Fährte, die du gelassen hast, so alt ist. Ich bin… gut, im Fährtenlesen. Doch auch ich kann’s nicht ohne die Fährte aufzunehmen. Ich brauche… etwas, das im Kern du ist. Agnellina. Und nach deiner Seele will ich nicht fragen. Sie gehört dir. Und Gott.”
Langsam ging er in die Hocke und fuhr mit einer Hand über die Erde, fühlte das Erdreich, Steine, herabgefallene Blätter, Zweige, Gräser. Er wiegte den Kopf. “Ich kann dir meines geben, so dass es ein Tausch wird. Ein Bündnis. Doch ich will dich nicht ketten. Ich will keinen ketten. Es ist gefährlich und du bist jung. Doch wenn du es willst: Bündnis. Eine gemeinsame Jagd.”


Behutsam hob er seine Hand, zerrieb ein paar Erdbrocken zwischen seinen Fingern:
“Wir machen uns zu zweit auf die Suche. Nach deiner Fährte. Hier und …in deiner Erinnerung. Schritt für Schritt. Es dauert so lange wie es dauert.”


Auspex2, Seelenschau (auf Gehör): 4 8 7 10 6 10 4 6
https://discord.com/channels/2237253770 ... 6674240565
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Agnellina
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Agnellina »

Harl nahm sanft streichende Töne durch die junge Gangrel wahr. Harmonie im Grundklang. Es waren einfache Noten. Ein unruhiger, pulsierender Rhythmus, der sich selbst nicht auf einen Takt einigen konnte. Sie war unzweifelhaft tot, sie war blass und doch von geisterhaften Tönen der Sterblichkeit erfüllt. Da liefen die bloßen Füße sicher durch die Nacht. Die kräftigen Unterschenkel waren im Leben durch gleiche Wege geformt und die Füße glitten geradezu mit heiterer Leichtigkeit voran. Bewegung war gut, Bewegung war eine harmonische Triebfeder, ein zischendes Ventil des Überdrucks, welches in einem zittrigen Quietschen unsaubere Töne aus der ruhigen Melodie des Grundklangs abließ. Pfeifende Töne mischten sich in ihr Grundmuster ein, eigenwillig, trotzig hineinkomponiert. Sie war von Unruhe erfüllt und gleichzeitig wie gedämpft. Beständige, kleine Geräusche. Das Zischen der Atemluft in den Nasenflügeln, das Spiel der Zunge. Dann wieder ihre Finger, die den Pelz bewegten und knisternd rieben. Ihre Füße, die mit trockenem Schleifen über den Boden strichen. Fragmente, Versatzstücke eines verklungenen Stückes. Agnellina atmete, aber sie atmete mit dem Kopf, unbewusst ritualisiert, witterte und sprach mit den Luftströmen. Dazwischen vergaß sie es einfach, weil es eben nicht mehr natürlich war. Dann wieder setzte es für einige halbtiefe Züge ein, sie erdete sich mit dieser bewussten Handlung, fokussierte sich, kühlte aufschwappende Gefühle. Vielfarbige Dissonanzen erstickten unter dem kalten Blasen der Luft. Da war kaltes, hohles Raunen von nackter Angst, die sie vielschichtig erfüllte. Brummende, tiefe, animalische Angst, aber auch schleichende Angst geistiger Geburt, die erst durch das Denken entstand. Eine unter einer schorfigen Verkrustung knackende Wunde, mit einem schwachen Pulsieren von bitteren Noten darin. Vergessen, Scham, Wehrlosigkeit. Das imitierte Keckern durch ihre Zähne setzte tröstende, wärmende Töne dagegen, orientierend, erinnernd, einhüllend. Das Igelgurren weckte Spuren in ihr, wies eine neue Richtung, brach eine verdrängte Melodie auf, die freches, kindisches Trillern und bedrohliches Schnaufen mischte. Doch die Dissonanz aus treibenden Trommelschlägen und quietschenden Tonspitzen hielten die Entfaltung auf.

Agnellinas Augen irrlichterten zu Nijaz, den sie überhaupt nicht einordnen konnte. Durfte sie auf die Zauberkraft ihres Wesens zurückgreifen und ihr Inneres ausstrecken? War der nachtdunkle, atmende Mann eine Mahnung? Die Kastanienaugen geisterten weiter zu Drita, mit Zweifeln beseelt. Was, wenn sie die Stelle nicht wiederfand? Wenn es bei ihren Worten blieb? Nur kurz war der Blick, denn der Hai auf dem Trockenen hatte längst Beine entwickelt und band ihre Aufmerksamkeit.

„Ich bin direkt vor dir.“, sagte sie und verstand noch immer nicht. „Du siehst mich. Du hörst mich. Du riechst mich. Und ich will nicht tauschen. Du bist nicht meins, ich bin nicht deins.“

Sie folgte seinen Bewegungen mit den Augen. Doch den Impuls, ebenfalls in die Hocke zu gehen und zu tasten, bannte sie. Nicht wieder hinunter und dann wohlmöglich nicht wieder fortkommen.

„Da is‘n Igel.“, murmelte sie. Da war kein Igel. Es war gar nicht die Jahreszeit für Igel. Nicht heute und jetzt. Doch damals… war da ein Igel gewesen. „Hier…“

Ihr Körper versteifte sich, spannte die Muskeln an und zwei tiefe Atemzüge arbeiteten gegen diese Beklemmung an. Agnellina sah sich um, prüfend nach freien Wegen.
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Harl
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Harl »

"Igel", raunte Harl und glaubte, er konnte das kleine Tierchen wie ein Echo hören, aus Agnellinas Erinnerungen. "Lausche, wie er klingt", murmelte er. Nicht zu laut, nie lauter als ihre Klänge. "Wie die Nachtluft sich anfühlt. Wie es riecht." Er wollte nicht zu viel lenken. Ihre Gedanken und Erinnerungen würden von selbst fließen. Doch Gerüche hingen eng mit Erinnerungen zusammen, fand er. Gespür auch. "Folge deinen Schritten", bat er sie.

Es gab keinen Grund, ihr zu widersprechen. Er kannte bereits, wie hart sie sich verschließen konnte. Er erinnerte sich an die Geschichte von ihrer alten Tante. Muhme. Er hatte ihr gesagt, was er brauchte. Sie würde entscheiden, ob sie ihr Wort zu der Ancilla einhalten wollte oder nicht. Doch das war für später. Jetzt gab es eine Fährte. Jetzt gab es Erinnerungen, Echos. Jetzt gab es sie und das Echo ihrer Schritte aus jener Nacht. Also lauschte er und wartete, ob sie ihre Schritte wiederfand.
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Harl (Beschreibung)
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Agnellina
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Re: [1090] In Vino [Agnellina, Drita, Harl]

Beitrag von Agnellina »

Der Abstand der Beteiligten, die scheinbar freien Wege zu den Seiten beruhigten sie ein wenig. Sie vermied es nach wie vor, noch enger an die Reben heranzutreten und sich gar zu bücken. Langsame Schritte. Nach einem weiteren Blick drehte sie sich, sodass Dritas Begleiter ihren Rücken zugewandt bekam. Gleichzeitig zog sie die Kapuze des Umhangs tiefer und ließ ihre dunklen Haare locker von den Seiten aus ins Gesicht fallen. Sie verbarg ihr Gesicht dahinter und zumindest Harl konnte genau sehen, warum.
Agnellina gab dem inneren Verlangen Raum, sich besser umzusehen. Ihre von Natur aus warmen Augen erhellten sich wie Maronen in heißer Glut.* Jegliches Restlicht des Mondes spiegelte sich in der Teufelshaut des Tieres hinter den Augen wider. Es hatte etwas beruhigendes, dem nachzugeben, und sich mit ganz geöffneten Augen umzusehen. Nun vermied sie es sorgfältig, sich erneut umzuwenden.
Langsam ging sie einige Schritte weiter, sah die Reben an, den Verlauf der unteren Zweige. Sie waren lästig gebogen gewesen. Auf Knien hatte sie nach dem Tier geangelt. Musste sich tief bücken, den Arm durchstrecken… Hier war es noch zu hoch. Dort zu wenig ausgedünnt. Diese Reben waren nicht verflochten genug. Sie war nicht durchgekommen, eine Flucht nach vorn war unmöglich gewesen. Wand, sie suchte eine Wand aus Zweigen. Ruhige Atemzüge zogen die Luft ein. Sie witterte und spähte nach den passenden Anzeichen.**
Sie schlüpfte wieder durch eine Reihe hindurch in die nächste. Sah sich dort um. Ging weiter. Noch eine Reihe. Noch eine. Kam zurück.
„Trocken.“, murmelte sie und versuchte in Worte zu fassen, was er aufgerufen hatte. „Der Boden war trocken. War einige Tage trocken gewesen.“
Hin die Reihe zur anderen Seite. Wieder hin und her. Es brach noch keine Hektik aus, doch Frustration machte sich bereits in ihr breit. Langsam drehte sie wieder um, kam zu ihm zurück.
Sie musterte ihn, während sie sich durch die Reihe wieder auf ihn zubewegte. Leise Schritte. Verhalten. Langsamer werdend, als ein Gedanke erwachte.
„Harl, dreh dich bitte wieder um. Wie gerade eben. Fort von mir. Geh auf die Knie. Greif nach der Erde. Ich komme zu dir.“, forderte sie ihn auf und hielt inne in der Bewegung. Sah zu, ob er der Bitte folgte.



Spoiler!
*Augen des Tiers
** Wahr + Aufm -> 5, 5, 3, 3, 1 -> Patzer
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