[1092]Gib mir Lohn für Beute [Angelique, Harl]

[Harl]

"Mnh... ja. Und nein. Würde da nicht Zuflucht suchen. Aber du kannst sie sehen. Wenn du im Norden anreist, dann gleich in Torres. Logu de Torres, Loguduoro", sprach er den Namen des Iudikates erst in etwas langsamerem, vertrauteren Festlanditalienisch aus und dann schneller, natürlicher. War das ein Schwung in Richtung der eher sardischen Zunge? "Du kannst im Porto Torres anreisen, gehört zu Sassari. Gehört zum... ." Hier war ein winziges Zögern, als Harl sich etwas aufrechter hinhockte - was unter Umständen etwas skurril aussah - und dann in einer Art Italienisch-Latein oder vielleicht sehr förmlichem Italienisch wiedergab: "...zum höchst verehrten Prinzen Josef Szoykel, Princeps der genuesisch-sardischen Territorien, Ancilla vom Clan der Gelehrten." Er ließ den Tonfall wieder fallen und sprach normaler weiter:

"Und warum du da nicht Zuflucht suchen willst? Weil da alte Echos sind." Er klopfte sich mit dem Zeige- und dem Mittelfinger an die eigene Schläfe. "Weiß' nicht, warum. Hab's sicher nicht mit allen versucht. Aber ich würd's nicht tun. 'ch schätze, es ist derselbe Grund, warum die Menschen die Steine nicht längst weggeklaut haben für neue Hütten, Häuser, Mauern." Er zuckte mit den Schultern.

"In den südlichen Iudikaten ist es.. nh... 'der höchst verehrte Prinz Mohammad al Shaik, Ancilla des Clans der Schatten, Konsul Sardiniens, Diener von Calistus, Ahn des Clans der Schatten und Prinz zu Pisa", erklärte er dann. "Verstehst du, warum das alles gefährlich macht, auf der Insel? Du kannst Echos davon auch hier merken, in Genua. Ein Grund, warum dieser ...brhh... dieser 'Vincente' ein Trottel ist und warum jeder ein Trottel ist, der sich blind mit ihm anfreundet."
Harl schniefte einmal.
"'s ist das Problem mit den Jüngeren. Hören nicht hin. Denken nicht nach. Fragen alles mögliche, nur nicht, das was ihnen helfen würde. Wundern sich, woher all die Abgründe kommen. Die Messer. Die Fallgruben." Argwöhnisch sah er zu Angelique als würde er dort bei ihr nach den Anzeichen derselben Krankheit oder Schwäche Ausschau halten.

[Angelique]

Angelique dachte über die Worte Harl lange nach, bevor sie antwortete.

"Interessant, das mit den Echos. Und auch die Titel und einschätzung der Lage. Vielen Dank!

Was denkst du? Würde Princeps Josef Szoykel die Unterstützung einer Autarkis ablehnen? Könnte er sich das leisten, ein Orakel, das ihn unterstützen will, abzuweisen in dieser brisanten Situation?
Wie viele Vampire hat er unter seinem Kommando? Wie viele der Scheich? Diese Titel und Ansprüche klingen nach viel, aber die Städte dort sind Dörfer und nicht Genua, Pisa oder gar Palermo oder Tunis. Wäre eine kleine Verfemte dort ein Spielball eines mächtigen Hofes oder ein wertvoller Verbündeter?"

Sie hob eine Braue. "Du empfindest starke Gefühle für Vincente? Dauert es dich, dass er so dumm ist? Siehst du Potenzial in ihm, das verschwendet wird? Oder frustriert dich nur, dass sich diese Fehler immer wiederholen?"

[Harl]

"Fhh.. mich ärgert die Blindheit. Taubheit. Fragen-Losigkeit. Er hat die ganze Zerissenheit der Insel in seinem Blut und weiß es nicht mal."
Harl schnaufte und schnippt dann mit den Fingern wie um sich selbst wieder auf irgendeine Art Fokus zu bringen.

"Schwer zu sagen, wie viele sie jeweils haben. 's ist ständig wer auf See, auf Reise, sonstwo. Und es sind Ahnen auf der Insel, die da waren lange bevor dieser oder jener princeps da war. Du hast wahrscheinlich einen davon schonmal gesehen, den alten Salubri, das wandelnde Rätsel, heh. Habe für ihn schonmal gearbeitet, so wie für dich jetzt auch. Nichts Großes. Doch genau wie du hat er mich mit Worten bezahlt. Mit Ant-Worten. Heh. Bin nur noch immer nicht schlau aus ihnen geworden. Aber vielleicht... später. Irgendwann."

"Denke nicht, dass das Kräftemessen auf der Insel zwischen Nord und Süd passiert, Imago. Es passiert zwischen Innen und Außen. Oder auf See, zwischen Genua und Pisa. Oder Jung und Alt. Oder dem wilden Pöbel und den polierten Edlen. Oder alles davon. Kenza's Schatten liegt auch noch über dem einen oder anderen. Manchmal wortwörtlich, denn er hatte einen Schatten mit scharfen Messern." Harl zuckte mit den Schultern.

"'ch denke, dieser höchst verehrte Prinz Josef Szoykel wird tun, was die Weiße Prinzessin will. Er geht auf dem Pfad der Könige. Er hat Eide geschworen und du... nh. Du bist rausgefallen aus alledem. Schwer zu sagen, was er macht. Vielleicht nimmt er die Schützende Hand der Weißen Prinzessin auch auf? Vielleicht nicht. Oder vielleicht sieht er einfach nur nicht hin und lässt die Insel tun, was sie tut. Vielleicht wird dieses Königskonzil hier alles umkrempeln und einer wie er weiß auch nicht wie's ausgehen wird. Oder was es für ihn heißt. Oder er weiß es bereits und hat sich schon abgesichert. Hat neue Verbündete gefunden? Neue Herren, Allianzen, Ziele, Pläne?"
Harl wiegte den Kopf.

"'ch weiß wieder, warum ich alle paar Jahrzehnte in die Tiefe gehe. 's kann einem schwindelig werden von alledem, wenn man von der Sorte ist, die hinsieht. Zuhört. Fragen stellt. Antworten handelt. Scheiße."

[Angelique]

Sie seufzte. "Ja, das kenne ich. Ich habe leider keine Tiefe, in die ich gehen kann, um Dinge auszusitzen.
Vielleicht probiere ich später mal diesen freiwilligen Schlaf, wenn mir auch die letzten Vasallen genommen werden.
Manchmal beneide ich Leute wie dich, die scheinbar ohne Vasallen existieren können und somit frei agieren können. Aber vielleicht ist auch das nur eine Maske.

Kenza? War das der Princeps vor dem Scheich und Josef? Glaubst du, Pisa und Genua haben ihn entgültig besiegt? Oder hat er einen geheimen Erben, der gegen beide ... mit Schatten vorgeht?

Hrng", sie gewöhnte sich emotionale Geräusche von Harl an, ohne ihn nachzuäffen, sondern eher als unbewusste Anpassung. "Das Königskonzil. Das macht mir Sorge. Ich werde ein Orakel dazu machen, denke ich."

[Harl]

"Du brauchst auch keine Vasallen", murrte Harl. "'s einem anderen aufzudrücken, was wir sind, was wir tun - das sollte nichts sein, was du tun musst." Mißbilligend grollte er etwas vor sich her.
"Du nimmst einen Sterblichen und gibst ihm von dir. Und er muss dich darauf lieben, ob er will oder nicht. Nenn mir eine Hexerei, die schwärzer ist als das, eh? Nimmst ihm die Liebe, die er sonst für anderes hätte, für sein Leben, für seine Lieben, für sein Werk, für alles - nur eigentlich nicht für dich. Aber du zwingst ihn in Blut und Ketten. Das ist, was es heißt, Ghule zu machen."
Er schnaufte verächtlich.

"'s gibt hundert Ausreden, natürlich. 'Ich brauche aber einen Wächter für den Tag'? Pah. Als wenn der tote Leib irgendwas bräuchte. Als wenn er nicht überall sicher liegen könnte, auch an den hässlichen Orten, den unwegsamen, denen, wo kein Mensch geht."
"'Ich brauche aber einen, der für mich alle Dienste erledigt'", äffte er dann die nächste Ausrede nach. "Als wenn unsere eigenen Hände zu schwach wären, zu tun, was wir müssen, zu greifen, was wir brauchen. 's sind nur unsere Ansprüche, die wir uns zu hoch vorgaukeln. Unser Ältester, Ferrucio, hat recht damit, dass er im Büßergewand geht. Weil er nicht mehr braucht. Weil er nicht mehr nimmt. Du wetterst über ihn, aber er tut, was er predigt. 's macht ihn wahrhaftiger als die meisten anderen. Als dich auch, was das angeht."

"Oder hier, eine der schlimmsten Ausreden: 'Ich will aber nicht allein sein in der Ewigen Nacht'", raunte Harl bissig. "Als wenn das ein Grund wäre, einen anderen aus seinem Leben zu reißen und in falsche Liebe zu zwingen und das für dieselbe Art von falscher Ewigkeit."

"Welche Ausrede hast du, nh? Oder bist du schon den Schritt weiter, hast die Ausreden aufgegeben und umarmst die Macht im Blut? 's ist nicht sehr... ugh... 'humanitas', eh? Human..es? Human.. nhn.. ." Er verlor sich hier etwas im Versuch, das lateinische Wort irgendwie sinnvoll einzubauen. Am Ende winkte er einfach ab.

"Wenn du sagst, du beneidest mich, dann gib sie frei. Gib sie alle frei und befreie dich selbst von der Schuld. Vielleicht wirst du denen die Kehlen aufschneiden müssen, die nicht mehr frei sein können. Aber das ist der Preis, den du zahlst. Für das, was du getan hast." Er deutete kurz mit seiner Hand auf Angeliques Hände.
"Oder du musst sie weiter mit dir tragen. Doch dann kannst du nicht neidisch sein. 's ist deine Wahl." Er hatte die Bissigkeit auch schon wieder überwunden, war wohl tatsächlich nicht auf großen Streit mit Angelique aus, war nur einfach sehr direkt. Und so gab er auch unverblümt zu: "Habe mir schon überlegt, ob ich einen Ghul haben sollte. Wie eine Jagdwaffe, wie ein Werkzeug. Oder ob's nicht mehr wäre als ein Fallstrick für einen wie mich."


Zu ihrer Frage mit Kenza und den Vermutungen von Schatten und Geheimnissen konnte er nur vage nicken, teilte die Vermutungen wohl und hatte genau gar nichts in der Hand dazu. Doch ihre Erwähnung von einem Orakel ließ ihn aufmerken und er sah sie interessiert an.

[Angelique]

"Ich habe keine Ausrede. Ich habe brav getan, was man mich gelehrt hat. In der Tat war es ursprünglich als Strafe für Berufsmörder gedacht, Leute zu Blutvasallen zu machen. Aber ja, es ist mir nicht möglich, Leute zu töten, die mich lieben und mir vertrauen und sei es auch nur durch einen Zauber.
Auch bei Zwangsheiraten mag sich so eine Zuneigung entwickeln. Dummerweise auch von mir aus. Ich benutze meine Vasallen nicht. Ich versuche, sie zu verbessern. Sie zu besseren Menschen zu machen."

Sie hob eine Braue. "Bitte führe nicht Ferrucio als gutes Beispiel an! Er hat Jahrzehnte lang Dutzende von Blutsklaven gehabt und sie zu Fanatikern gemacht. Erst als sein Dorf überfallen wurde, unzählige seiner Menschen ermordet oder in die Sklaverei verkauft wurden und die Princeps die Zahl der Diener beschränkte, hat er sich wohl zwangsläufig gebessert.
Wie viele seiner, wie sagtest du, Ghule, hat er denn wohl getötet und inwiefern macht ihn das wahrhaftiger auf seinem Weg der Nächstenliebe?
ICH habe seine versklavten Dorfbewohner aus Sizilien freigekauft. ER hat gar nichts gemacht."

Sie seufzte. "Aber das lange her. Vielleicht ist er ja kein Heuchler mehr und hat sich von dem primitiven Hetzer und Zeloten zu einem echten Priester entwickelt. Ich würde es mir tatsächlich für ihn wünschen, aber meine Skepsis ist da stark.

Ich hoffe, du hältst diese, deine Predigt auch anderen Leuten.

Ich für meinen Teil habe tatsächlich die Ausrede, wenn du so willst, dass ich die Verantwortung für meine Ghule habe, denn ohne mich, würden sie durchdrehen und sterben. Es ist wie mit Kindern, sind sie erst mal da, muss sich auch um sie kümmern, selbst wenn sie in Jugendsünde und Unverständnis deiner Weisheit geschaffen wurden.
Ich bin nicht so ein Connard, Menschen zu töten, nur weil ich meine Philosophie ändere und mich selbstgerecht toll finden will."

Sie schaute ihn an. "Hast du ... Ghule gehabt? Oder belehrst du mich gerade, wie ich eine vielfache Mutter belehren könnte, wie man Kinder kriegt?"

[Harl]

"Predigt, mh?", meinte Harl etwas reuevoll. Er senkte den Kopf und meinte: "Es ist etwas in diesen Fragen, das... mich nachdenken lässt. Fragen. Hinterfragen. Bin ich besser, schlechter? Genau das finde ich raus. Immer neu, hu? Ich darf nicht schwerfällig werden. Selbstgefällig. Jäger müssen ...leichtfüßig bleiben."

"Und Ghule? Ne. Nie. Würden alle absaufen, da unten. Oder verhungern, wenn ich abhaue und nicht da bin, auf Monate, Jahre, Jahrzehnte."
Er kratzte nachdenklich mit zwei Fingern über einen Pflasterstein neben seinen Füßen.
"Habe überlegt, ob es geht mit Tieren. Anderes Blut bekommt das auch hin. Aber.. ugh. Ist auch nicht einfacher, denke ich mir? Und ein verdammter Kraken versteht mich nicht. Sind verflucht schlau, aber denken anders. Ich glaube, sie haben mehr als ein Gehirn. Habe mal einen aufgeschnitten. Ist ganz anders gemacht als ...Menschen. Oder Land-Tiere. Eher wie ...hn. Keine Ahnung. Wie Riesenkalmare. Wie ...Nautilusmuscheln. Gott lässt mich oft staunen."

[Angelique]

"Faszinierend, was du sagst! Mehr als ein Gehirn? Du hast dasselbe andauernde Staunen über GOttes Werk wie ich, wie es scheint. Wie funktionieren die Tentakel eines Kraken? Wie das Winden eines Wurms? Wie denkt ein Kalmar?"

Sie grinste grimmig. "Ja, auch du gibst mir viel Anreiz zum Hinterfragen. Und die Idee leichtfüßig zu sein, immer auf Achse und nicht zu fassen. Ungesehen durch fremde Domänen schreiten und zu tun, was immer ich wollte. Wann habe ich den Mut dazu verloren? Noch vor hundert Jahren dachte ich doch wie du!"

Sie schüttelte den Kopf. "Es sammelt sich tatsächlich Ballast an. Vasallen, Türme, Bücher, Beziehungen. Selbst freie Räuber wie Brimir oder Assassinen wie Benjamin verfingen sich in diesem Netz der Städte. Pass auf, dass dir das nicht widerfährt!

[Harl]

"Keine Ahnung, wie sie denken. Sie verstehen Sachen. Kannte mal einen, der mich wieder erkannt hat. Wusste, wo ich die Reste meiner Beute lasse, tote Fische und so Zeug. Ich lasse die manchmal irgendwo, damit es neue Fische anlockt und ich kann die dann fangen. Ganzes Netz voll."

"Jedenfalls, sie war so schlau, das zu verstehen und Netze waren ihr egal. Ist sie einfach durchge...flutscht. Und ich wollte sie nicht essen, weil sie irgendwie kein richtiges Blut hatte. Also sie hat Blut, aber es ist ...blau. Keine Ahnung, wieso. Schmeckt wie ..uäh. ...errh." Einen Moment musste er überlegen, worum es eigentlich gegangen war.
"Ah... also sie hat mich jedenfalls erkannt. Ich war nicht immer da, wo sie war. So eine kleine Kraken hat halt ihr kleines Revier und ich ziehe viel rum. Aber wenn ich in ihrer Ecke war, kam sie früher oder später. Wenn sie dachte, ich wär' nicht da. Musste mich gut verstecken. Hat dann ständig mein Zeug angefingert. Netze, Speer, Steine. Alles, was ich hatte. Konnte sogar Knoten aufmachen, wenn ich schlampig war. Habe auch mal gesehen, wie sie selber Sachen benutzt hat. Hat sich so eine alte Muschelschale besorgt und sich die übergezogen, um sich vor einem Hai zu verstecken. Ja."

Harl lächelte so wie einer, der Sachen aus seiner Jugend zum Besten gibt und sich gerade gern zurückerinnert. "Schlau sind sie. Wenn ich mir 'nen Ghul anlachen würde, dann so wen. Aber nicht, solange ich nicht weiß, wie sie mich verstehen können. Wär' sonst scheiße. Stell' dir vor, du wachst auf und bist voll mit Oktopus. Oder schlimmer, sie fressen an dir rum. Näh." Es klang immerhin so als hätte er sich tatsächlich schon länger Gedanken darüber gemacht, auch wenn sie nicht zwingend von viel Erfahrung mit Ghulen sprachen.

"Es is' jedenfalls kein Ballast, Imago. Städte, meine ich. Oder diese... Gesellschaft, aus der du rausgeflogen bist. Es ist ein Jagdgrund wie jeder andere auch. Die Jungen begreifen es nicht. Die Träumer glauben, sie könnten's verändern, wenn sie nur genug wollen. Die Idioten wollen's nicht wahrhaben oder glauben, sie könnten da irgendwie rausbleiben, wenn sie die Augen und Ohren nur fest genug zumachen. Trottel."
Er drohte kurz mit zwei Fingern an, Angelique wieder vor die Brust zu stubsen, aber führte die Bewegung nicht zuende. Einmal Stubsen vorhin hatte offenbar gereicht.

"Sei kein Trottel. Nimm die Lehren, die du bis jetzt überlebt hast. Mach' was draus."

[Angelique]

"Das und mehr. Ich höre auch zu, welche Lehren andere gezogen haben und versuche , sie mir zu merken.

Aber das mit dem Kraken ist wirklich faszinierend. Klug wie ein Rabe. Mindestens!
Ja, wahrscheinlich muss man mit Tieren reden können, um sie wirklich zu verstehen. Sprache ist alles, so funktionieren ja auch unsere feineren Kräfte.
Kannst du etwa mit Tieren reden, wie die Gangrel es tun und nur die Kraken sind dir unverständlich?"