[1092]Gib mir Lohn für Beute [Angelique, Harl]

[Harl]

"Du weißt davon, von den Gangrel, hu?" Harl wirkte nachdenklich. "Ich kann's nicht. Habe eine Idee, wie sie's anstellen. Und den Verdacht, dass auch ein paar andere das hinkriegen, nicht nur sie." Er schüttelte den Kopf etwas.
"Klingt wie Zauberei, eh? Habe mich oft gefragt, ob Kirke es kann. Wegen all der Geschichten über sie. Männer in Schweine verwandeln. Mit Bestien und Monstern tanzen. Wenn sie's kann, kann ich's vielleicht auch irgendwie, wenn ich rausfinde, wie." Er gluckste etwas. "Ist nicht so, dass sie mir viel erklärt hätte. Oder wenn, dass ich's verstanden hätte. Wie war's bei dir? Wer hat einen Welpen umgebracht und dann noch dem Tod entrissen, eh?"

[Angelique]

"Das waren noch die frühen Nächte, als ich Brimir half, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Brimir hat mit seinen Kräften nicht gespart und ein Geheimnis daraus gemacht, sondern sie stolz zur Schau gestellt, wie es die Art seines Volkes ist.
Ich wollte immer die Kraft. Mit Tieren zu reden, wäre sicher angenehmer als mit den meisten Menschen oder gar Unsereins.

Ja, selbst das Verwandeln von Menschen in Tiere oder noch andere Gestalten, halte ich für sehr wahrscheinlich, nach allem, was ich die Drachen habe tun sehen. Ich halte das aber für dunklen, dämonischen Pfad, so was zu tun. Andererseits machen die Menschen durch Züchtung auch nichts anderes, als in die Schöpfung einzugreifen. Weißt du, wie riesig die Schlachtrösser der Normannen sind im Vergleich zu den Pferden meiner Lebzeiten? Oder die vielen grotesken Hunderassen. Zu meiner Zeit gab es nur Molosser und fertig.

Hach, ich klinge wie eine alte Frau!"

Sie seufzte und blickte in die Ferne. "Meine Sire hat mich praktisch alles gelehrt. Ich war ja ein dummes Müllerskind. Vieles war offenbar falsch und fällt mir noch heute auf die Füße.
Ich bin ihr immer noch dankbar, für die Chance zu leben und zu lernen, aber ich liebe sie nicht mehr so abgöttisch wie zu der Zeit, als sie noch nicht vernichtet war. Es wird immer weniger und viele Erinnerungen sehe ich plötzlich sehr viel kritischer. Ich frage mich jetzt sogar, ob sie über Christin war und sie meinen Glauben nicht einfach nur in einem langwierigen Scherz verhöhnt hat. Das hätte früher nicht gekonnt.

Ich denke, der Tropfen, der uns ins Leben zurückholt, den unsere Sire uns geben, ist dasselbe wie das Blutband, mit dem wir Menschen oder sogar andere Vampire verhexen und an uns binden.
Möglicherweise kann unsere Gesellschaft aus asozialen Egomanen sogar nur so funktionieren. Wahrscheinlich zwingt die Prinzeps ihren Vasallen den Trunk ihres Blutes deshalb auf.

Aber das sind nur die Überlegungen einer verbitterten Verstoßenen, ... die sich allerdings mit jedem Jahr dadurch freier fühlt. Seltsam."

[Harl]

"Frei. Heh." Harl gluckste und gluckerte ein wenig, aber er hatte seinen Teil dazu schon zuvor gesagt und sah wohl keinen Grund, das zu wiederholen.
"Ist eine merkwürdige Sache. Anderswo wärst du schon Asche. Aber diese Weiße Prinzessin schützt dich, also ist's wie.. hn."

Er kniff ein Auge zusammen und überlegte wohl, was eine richtige Beschreibung war. "Vogel-frei. Wie die Sorte Vögel, die jeder Gassenjunge jagen und essen kann." Er dachte ein Weilchen länger daran herum. "Was du immer wieder sagst: Du willst Freiheit. Hast so wen bewundert wie Brimir oder andere. Aber Freiheit ist kein... nh. Sie kommt nicht einfach so. Sie hat einen Preis."

"Je weniger du zu verlieren hast, desto freier wirst du. Darum hast du ... daher kommt dieses Dingin deinem Kopf. Dieser Gedanke, dass die Stadt dich fesselt. Weil du hier Sachen hast. Deine Blutsklaven. Die Menschen, die da dran hängen. Deinen Turm. Deine Bekannten. Deine Erinnerungen. Deine Sachen. Bestimmt noch mehr Zeug."

"Vorher hattest du auch ..nh.. den Clan. Das Blut. Vasallen-Status. Wort und Handel. Verpflichtungen. Davon ist viel weg, ja? Also fühlt es sich an, für dich, in deinem Kopf, als wärest du jetzt freier. Weil du es nicht mehr zu verlieren hast. Weil es weg ist."
Harl sah in den Nachthimmel über dem Hafen und dem Meer hinauf.

"Aber in Wahrheit.. sind's alles nur Dinge im Kopf, eh. Freiheit. Sie wirklich zu haben, heißt, dass man das weiß. Dass man sieht und entscheidet, welche Preise man zahlt. Und wie. Und womit. Und welche nicht. Und warum. 's braucht einen ehrlichen, harten Blick auf sich selbst. Um zu wissen, was man wirklich will. Und was nur mehr ...Unfug im Kopf ist. Trugbilder. Selbstlügen."

"Damit sage ich: du hast die Freiheit bereits. Du hast nur noch nicht den Blick gemacht. Oder herausgefunden, welche Preise du zahlen willst und welche nicht. Darum konnten andere dir das so einfach aus der Hand nehmen. Weil du's nicht in die Hand genommen hast."

Er nickte langsam, einigermaßen zufrieden damit, wie er diese Worte zusammengekratzt hatte, um zu erklären, was er meinte. Es war ein schwer greifbares, schwer verständliches Thema. Und seine Worte waren radikal, kamen womöglich direkt von den Freien und Freiheitskämpfern Korsikas.

[Angelique]

"Interessante Konzepte. Ich muss darüber nachdenken. Aber es ist nicht so, dass ich nicht würde ... oder könnte, wenn jemand mir mein Leben nehmen wollen würde.
Es bedeutet mir allerdings sehr viel weniger als den meisten von uns. Ich weiß viel zu wenig über die Welt, aber weiß, dass die Seele nicht an den Körper gebunden ist. Vielleicht ist das Freiheit. Aber noch will ich es nicht ausprobieren.

[Harl]

"Ja. Überleben ist das Erste und das Letzte Gesetz." Harl streckte sich ein wenig und stand dann auf.
"Ich hau' ab. Unser Handel war gut. Wenn ich nichts hinkriege, komme ich wieder... falls du dann noch da bist."

Er wandte sich dem Wasser zu und zeigte mit ausgestrecktem Arm nach Süden. "Was du vorhast, ist eine Prüfung. Jagd-nach-Wahrheit. Wahrscheinlich gehst du drauf. Aber's ist eine würdige Jagd." Es klang wie eine Art Abschiedsgruß, doch er hatte wohl keinen Sinn für große Abschiede oder gar Wehmut. Stattdessen ging er nach einem kleinen Augenblick für sie und vielleicht ein paar Worte von ihr einfach los zum Wasser.

[Angelique]

"Ja, guter Handel ...", murmelte Angelique und sah dem seltsamen, rauen Mann mit den vielen Facetten, diesem modernen Diogenes, noch lange nach.

Er hatte ihr viel zum Nachdenken gegeben und ihr eine komplett neue Perspektive gezeigt.

Fazit:
Wie besprochen, trafen sich Harl und Angelique, um Informationen auszutauschen. Harl berichtete ihr von zwei Aschepriestern und Angelique half Harl im Austausch mit ihren Einsichten und Erfahrungen mit Disziplinen. Danach redeten sie noch über Sardinien und die Vampirverhältnisse dort und philosophieren ein wenig.