[1092] Im Mondschein und unter Wasser [Harl, Isabelle]

Wenn die Sonne hinter das Appenningebirge sinkt, kriechen die Verdammten aus ihren Löchern. Dies sind ihre Geschichten.
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Isabelle de Claire
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[1092] Im Mondschein und unter Wasser [Harl, Isabelle]

Beitrag von Isabelle de Claire »

Die sommerliche Hitze hatte sich noch nicht vollständig aus der Luft und dem Boden gelöst und doch blies eine leichte Brise von Land her weitere warme Luft auf das Meer hinaus. Der Mond stand in dieser Nacht beinahe voll am Himmel und nur wenige Wolkenfetzen verwehrten ab und an den Blick auf ihn. Die Brandung erzeugte ein dauerhaftes Rauschen und umspülte immer wieder die nackten Füße der jungen Frau, die in Gedanken versunken über den Strand schlenderte. Sie trug einen fast knöchellangen Rock, der in einem kräftigen gelb gehalten war und dazu ein Tuch in derselben Farbe, welches sie sich mehrfach um den Oberkörper geschlungen hatte, so dass es nicht nur die Brüste und den Bauch verdeckte, sondern auch die Schultern bedeckte. Trotzdem war zu erkennen, dass es sich nicht um ein einzelnes Kleidungsstück handelte. Ihre braunen, langen Haare tanzten ab und an verspielt im Wind, wenn dieser einmal eine kräftigere Böe aufwies.

Man hätte sie für leichtsinnig halten können, so ganz ohne Licht, allein an einem dunklen Strand, wäre da nicht der Hühne, welcher ihr in einigen Schritten Abstand folgte. Auch er trug keine Laterne bei sich und schien sich vollkommen auf den Mondschein zu verlassen. Im Gegensatz zu der jungen Frau, war dieser Mann aber schon älter und hatte bereits graumeliertes Haar und einen entsprechenden Bart, der aber sauber gepflegt war. Neben seiner durchaus imposanten Erscheinung war er zusätzlich noch mit einem Lederpanzer am ganzen Körper und einem durchaus imposanten Schwert an der Seite ausgerüstet. Seine grauen Augen glitten die ganze Zeit über den Strand und die Böschung. Er war wachsam und es war sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand an ihn oder die junge Frau anschleichen konnte, wenn er sich nicht gerade unsichtbar machen konnte.

** Beide nutzen Auspex 1.
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Harl
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Re: [1092] Im Mondschein und unter Wasser [Harl, Isabelle]

Beitrag von Harl »

Harl trieb. Er tat das manchmal, irgendwo zwischen Leben und Tod, zwischen See und Land, zwischen Traum und Wirklichkeit, Vergangenheit und Zukunft, Klarheit und Wahnsinn. Gab es wirklich Unterschiede zwischen allen diesen? Oder waren sie in Wahrheit alles eins und man konnte darin treiben ohne Grenzen? In Momenten wie diesen wusste er dies nicht, weil er es nicht fragte, weil er es nicht wissen musste, weil er einfach trieb.

Sein toter Körper war nicht schwer genug, um ganz zu sinken. Er hatte genug Luft darin eingefangen, um treibend zu bleiben. Ein alter Trick, den er pflegte, oder vielleicht einfach Handwerkszeug, wenn man existierte wie er, dazwischen. Er war nicht leicht genug, um einfach von Salz und Fleisch nach oben gedrückt zu werden. Schwerelos trieb er, dicht unter den Wellenkronen, dicht über dem felsigen Boden. Beide waren hier nah, denn er war auch dicht am Strand, wo das Land sich aus dem Meer erhob.

Bewegung ließ ihn wacher werden. Das tat sie immer. Harl schlief nie ganz und das war sein Fluch und Segen gleichermaßen. Nichts überraschte ihn wirklich, wenn er so trieb wie nun, doch seine Aufmerksamkeit war so breit gefächert, dass sie sich irgendwo in der Breite seines gesamten Bewusstseins auflöste.
Bis diese Bewegung kam und dafür sorgte, dass sich seine Aufmerksamkeit zusammenzog und fokussierte so wie ein schmaler Bachlauf einen Wasserstrom zusammenpresste bis er sprang und rannte und schäumte.

Er machte ein, zwei träge Schwimmzüge im Gleichklang mit den Wellen oben, auf und ab. So verbarg er sich in der Bewegung, die die Welt bereits hatte, blieb wie Treibgut im Wasser. So spähte er in die Nacht, mit seinen eigenen Mondscheinaugen, um zu sehen, was und wer sich dort bewegte. Beute oder Jäger - das war die erste Frage, die ihm kam während sein Geist erst mit den Bewegungen wieder ganz erwachte. Traum oder Realität - das war die zweite, die immer folgte, wenn er aus den Wassern kam. Und was genau war der Unterschied zwischen beiden? Diese Frage war immer da, aber er hatte gelernt, mit ihr zu existieren so wie man auch mit wuchernden, tödlichen Geschwüren in seinem Leib existieren lernte bis sie einen eines Tages umbrachten.

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Geschick + Heimlichkeit (mit Spezis): 9 8 1 5 10 7 4 5 um verborgen zu bleiben
“We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far.” - Lovecraft (The Call of Cthulhu)

Harl (Beschreibung)
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Isabelle de Claire
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Re: [1092] Im Mondschein und unter Wasser [Harl, Isabelle]

Beitrag von Isabelle de Claire »

Den Beiden Leuten am Strand schien Harl nicht aufzufallen. Zumindest ließen sie es sich nicht anmerken. Die Frau schien vielmehr die Meeresbrise und den Strand zu genießen. Sie benahm sich wie ein junges Mädchen das für kurze Zeit aus einem goldenen Käfig entkommen war, den ihr Vater gesponnen hatte. Doch der misstrauische Leibwächter dahinter machte die Illusion für einen Außenstehenden ein wenig kaputt. Die junge Frau jedoch fing an leise eine Melodie zu summen und schließlich auch dazu zu singen.

Die Worte waren kein Italienisch, aber diesem doch in gewisser Weise ähnlich. Die Melodie sprach von Verlust, Trauer, Sehnsucht, Glück und Freude gleichermaßen in einem auf und ab, wie das der Wellen. Wie das Rauschen des Meeres mischte sich auch das Summen der Schönheit in den Gesang. So gingen die beiden Menschen weiter am Strand entlang. Der Gefahr im Wasser nicht bewusst.



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Wahrnehmung + Aufmerksamkeit:
Isabelle:
10, 7, 5, 4, 4, 2, 1
Aric:
8, 8, 5, 3, 2, 1

Singen:
9, 6, 4, 3, 3, 2, 1
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Harl
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Re: [1092] Im Mondschein und unter Wasser [Harl, Isabelle]

Beitrag von Harl »

Oh, er kannte solche Töne, solche Wort-Klänge, fremd und exotisch, ein wenig luftig. Wie weiches Tuch und feine Pasteten und öliges Leder und Versprechen von einem Land, das grüner und weicher war als dieses zerklüftete Norditalien, die steilen, staubigen Felsen Korsikas, Sardiniens Wildheit mit seinen uralten Echos.

Harl kroch aus dem Wasser und zugleich tauchte er nie ganz auf. Ein Teil von ihm, der Seelen-Teil, der Seins-Teil blieb untergetaucht, unterhalb dessen, was Leute sahen oder sehen wollten*. Ein Teil von ihm war immer dort, war schon vor langer Zeit dort versunken und würde niemals wieder aus jenen Tiefen auftauchen.

Ein Teil aber wurde hervorgezogen von den Klängen, die so hübsch und bunt und flüchtig waren. Wie Vogelsang, doch den konnte er nur selten hören, wenn er achtgab, wenn er lauerte, wenn er sich mühte. Und hier? Hier wurden die Klänge in die Nacht getragen, Vogelsänge, leicht und mit Federschwingen, also schwamm und kroch er langsam aus dem Wasser und folgte.
Es war schwer, ihnen zu folgen. Das Land hatte eigene Melodien, der Strand mit Steinen und Sand rauschte direkt unter ihm. Und die See? Sie sang und rief und er war noch halb in ihrer Umarmung, die er nicht abstreifen wollte oder konnte.
Es wurde leichter, als seine Füße fest auf Grund standen, seine Zehen sich in Sand und zwischen Steine gruben, spitz und hart und etwas schmerzhaft. So konnte er folgen, hinter dem Vogelsang hinterher, den aufgebrochenen Gitterstäben, dem schweren Schild.

Weshalb folgte er? Weil eine sang, wunderschön wie freie Vögel bei Tage. Weil einer lauschte, wie in fürsorglichster Liebe versunken.


*Verdunkelung 2
“We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far.” - Lovecraft (The Call of Cthulhu)

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