[Fluff] Im Wandel [Toma]

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Moderator: Toma Ianos Navodeanu

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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Unterwegs

Die Gewissheit, dass etwas furchtbar schief gelaufen war, durchfuhr Toma, kurz bevor sie wieder in die Tiefe des Tagschlafs fielen.
Es war vermutlich pures Glück, dass sie in der Nacht noch erwachten.
Was für eine furchtbare Reise. Genau aus diesem Grund brauchte man Wachen oder besser bezahlte.
Aber was genau geschehen war, das wussten sie nicht mal zu sagen, nur dass sie jemand umgeworfen hatte. Unerhöhrt.
Doch es war nicht geplant gewesen, dass zwischendurch abgeladen werden sollte...Jemand hatte aber auch geschrien.

Als die Stimmen mehrere Männer zu ihnen in die Dunkelheit und Enge der Kiste drangen und die verschiedenen Sprachen erkannten, wussten sie, dass sie verschleppt worden waren.
Wie unangenehm. Und welch böse Überraschung für alle.

Sie konnten auf jeden Fall nicht hier liegen und darauf warten, dass die Räuber die Kiste, die sie als Beute mitgenommen hatten öffneten.
Sie könnten versuchen sich heraus zu schleichen...unwissend wie es draußen überhaupt aussah...eine erfreuliche Aussicht. Dann müssten sie aber die Kiste zurücklassen und sich durch die Wildnis schlagen. Würden zu spät kommen.
Nein, es führte kein Weg an einem Kampf vorbei.

Sie ließen Blut durch ihren Körper pumpen, bereiteten sich darauf vor ein Massaker anrichten zu müssen.
Ein Lichtblick gab es immerhin. Männer die vor ein paar Stunden eine Karawane überfallen hatten, würden sich nun kaum mit ihrer Beute in einer Stadt aufhalten.

Sie lauschten auf die Bewegungen außerhalb der hölzernen Wände ihrer Reisekiste und unterdrückten gerade so ein Knurren als sie bemerkten wie zwei Räuber auf ihnen zu würfeln begannen.
Sie warteten und warteten und sie hätten kaum noch länger gewartet, als die Menschen sich endlich zum Schlafen legten.
Sie konnte manche Schnarchen hören.

Dann drückten sie den zugenagelten Deckel vorsichtig auf und blickten durch den schmalen Schlitz nach draußen. Männer in Rüstungen und guter Bewaffnung lagen herum und schliefen, nur einer stand an einem Busch und erleichterte sich wohl.

Sie drückten den Deckel weiter auf und legten ihn vorsichtig zur Seite bevor sie langsam aus der Kiste stiegen. Durch den holprigen Transport hatte sich ihre Erde nun überall an ihnen verteilt. Anders als wenn sie zu hause schliefen trugen sie diesmal auch Kleidung, eben aus diesem Grund dass man nie wusste, wann und wo man geweckt werden würde.

Sie sahen ihren Guhl mit den anderen Menschen gefesselt und geknebelt auf dem Karren sitzen. Sie kümmerten sich vorerst jedoch nicht darum. Schlichen auf den Mann zu und umklammerten ihn von hinten. Zu sehr überrascht davon kam er nicht mal dazu zu schreien bevor ihre Zähne sich in seinen Hals bohrten und das warme Blut heraussaugten und der Mann in der Verzückung des Kusses wehrlos wurde. Sie tranken was sie vorher verbraucht hatten und legten ihn ab. Es wäre gut ihn zu befragen.

Dann nahmen sie sein Schwert und schlichen weiter. Einer, Zwei, Drei, Vier...vergingen innnerhalb von Sekunden, als das Blut aus ihren aufgeschnitten Kehlen spritzt. Doch einer Erwachte davon und ging mit der Axt auf sie los. Er traf und das Tier wurde wütend...

...Es gab ein guturales Grollen von sich, das in ein genüssliches Seufzen endete als der letzte Tropfen Lebenssaft aus dem Herzen und dem Körper des Mannes gesaugt war. Und dieses Leben die letzten Zentimerer tote Haut wieder ausfüllte die der Mensch zuvor durchgetrennt hatte. Es war ein tiefer harter Schlag gewesen. Sie waren zu langsam gewesen und die Axt hatte sich durch ihre Schulter gefressen. Durch den Knochen und Muskeln, ihre Rippen und hätte ihnen fast die rechte Seite samt Arm abgetrennt. Noch etwas tiefer und zur Mitte hin und sie hätten erneut in Starre gelegen oder wären in diesem Fall vermutlich bald zu Asche geworden. Man durfte sie nicht unterschätzen diese Menschen. Wie ärgerlich.

Der Hass hatte schließlich jeden Schmerz weggedrückt und sie waren ganz Tier, ganz hinein gegangen in diese Empfindung. Als der rationale Teil von ihnen sich wieder durch den roten Nebel empor recken konnte, war die Gefahr gebannt und sie selbst und der Mensch in Blut getränkt gewesen.
Ihre Zähne hatten den Hals des Soldaten zerrissen. Sie leckten über die fleischigen Reste des Halses des Mannes und irgendwo neben ihnen gab etwas laut.

Sie sahen auf und dahin wo die Gefangenen noch immer gefesselt und geknebelt saßen. Nur, dass nicht  mehr alle saßen. Zwei versuchten von dem Karren zu kriechen in Panik und fielen gerade davon herunter.

Toma seufzte und überprüfte den Zustand seiner Schulter bevor sie sich von dem Blut getränkten Boden erhoben und auf die Fliehenden zugingen.
Dabei warfen sie ihrem Guhl einen enttäuschten Blick zu.
"Wozu haben wir dich überhaupt?"
Sie packten die Fliehenden und warfen sie wieder auf den Karren.
Sie lösten die Fesseln von Vincenco und gaben ihm die Anweisung die Gefangenen zu bewachen.

Derweil schauten sie sich um, doch fanden keinen offensichtlichen Hinweis darauf wer diese Soldaten waren, nur dass sie neben italienisch auch deutsch gesprochen hatten.
Sie besahen sich den bewusstlosen, doch war dieser in keiner Lage ihnen auf Fragen zu antworten.

„Wie konnte das passieren?“
fragten sie ihren Diener.
Dieser anwtprtete etwas nervös.
„Sie waren plötzlich da und bedrohten uns, die beiden Wachen des Händlers ergaben sich zügig und diese Männer hier nahmen uns gefangen. Nach dem was ich hören konnte sind es Söldner aus dem Reich die hier Unruhe stiften sollen."“

Toma schnaubte. Unruhe stiften....
"Großartige Wachen hat der Händler da. Wie weit sind wir entfernt?" Das nächste mal müssten sie mehr anheuern oder die aus Genua wieder mitnehmen. Es war doch zu leichtsinnig gewesen.


„Mehr als eine halbe Tagesreise, Herr.“
Sie überlegten. Dann gingen sie an die Arbeit. Sie hatten bereits einigen Stunden dieser Nacht verloren, es war unsinnig nun noch allein weiter zu reißen. So konnte sie die restlichen Stunden auch noch nutzen.

Die Menschen starben. Sie alle. Sie konnten keine Zeugen gebrauchen.

Viel Blut war hier vergossen worden doch noch immer gab es reichlich dass sie nutzen konnten.

Müde und geschunden und verletzt ritt Vincenco unter dem Sonnenaufgang die holprige Straße entlang. Immer mal wieder hörte er ein leises Heulen in der Nähe, dass ihm eine Gänsehaut bescherte. Doch es war besser als Wegelagerer...oder? Der Karren mit allem was sie hatten mitnehmen können trappte von den anderen Pferden gezogen hinterher und im Kopf wiederholte er immer wieder die Worte die ihm eingebläut wurden: Wir wurden angegriffen, ich habe es als einziger geschafft.
"Du fügst dich falsch ein! Du bist so fremd hier! Kannst du du selbst sein? Und bist du ganz bei dir!?" - ASP
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Reue

Toma ließ bei der Villa Illuminata eine Wachstafel an den verehrten Hofgelehrten abgeben.
Da sie nicht wussten wie sie Ferruccio sonst kontaktieren konnten, versuchten sie es so.

So ihn die Nachricht erreichte besagte diese:
Verehrter Ferruccio Erminio, Ancilla vom Clan des Mondes und Ältester Eures Blutes zu Genua,

gemäß dem Wunsch des hochverehrten Prinzen ersuchen wir einen Termin für die Beichte bei euch.

Gez.
Toma Ianos Navodeanu.
Erster Herold Genuas.

Ferruccio antwortete und lud sie nach San Giorgio. Kein Ort, den sie gewählt hatten und durchaus bedenklich fanden. Ein solch offentlicher Ort für eine Beichte unter Kainiten?

Doch er bot ihnen den Beichtstuhl an. Ein geschlossener Raum...immerhin.
Doch diese unbesorgte Vorgehen des Malkavianer gefiel ihnen dennoch nicht. Dies war kein angemessener Ort für sie und derlei Unterredung.

Sie ließen Vincenco in der Kirche allein zurück und setzten sich zu Ferruccio in den überraschend massiv gebauten Beichtstuhl.


"Bevor wir beginnen würden wir gern vorher wissen ob es euch um die Sünden der Menschen oder der Kinder Kains geht?
Die Sünden der Menschen sind kaum die unseren, bekamen wir doch gänzlich andere Prüfungen aufgeladen und Aufgaben zugewiesen. Oder seht ihr das anders?"

Fragten sie den Hofgelehrten, denn der Sinn dieser Beichte entging ihnen.
Doch besser war es mitzuspielen, wenn der Prinz es so wollte.

"Es gibt nur eine Form der Sünde. Jene in Gottes Angesicht. Auch wenn ihr Recht habt, einige davon sind den Menschen weniger bekannt als andere. Die volle Last des Kainsfluchs zum beispiel erschließt sich vielen von ihnen nicht. Erst wenn man selbst darunter leidet erkennt man wie schwer er wiegt." kam die etwas wenig direkte Antwort.

"Es geht also um all eure Sünden. Jene die ihr bereut und jene die ihr nicht bereut. Alles was gegen Gottes Gebote verstößt und alles was auch ein sterblicher Priester euch als Sünde anlasten würde. Sowie jene Dinge darüber hinaus." unverhohlene Abscheu stieg in sein Gesicht.
"Wenn wir es in einer Nacht nicht schaffen, dann machen wir es in mehreren." Offenbar hatte er schon so seine Meinung zu Toma und seinen Taten.

Toma nickte und dachte sich, dass es länger dauern könnte, wenn er es ausführlich tun würde, ja, doch war das nötig?
Nun erst einmal gingen sie auf seine ersten Worte ein:

"Und wer weiss was alles eine Sünde ist in Gottes Angesicht? Hat der Herr selbst mit euch gesprochen, verehrter Ferruccio? Wisst ihr was ihn stört und was nicht? Was sind die Dinge darüber hinaus? Entscheidet ihr diese?"
Toma lächelte süffisant, auch wenn Ferruccio das hinter dem Sichtschutz des Beichtstuhls nicht gut sehen konnte. Sie hielten nicht viel von diesem Prediger der meinte besser zu wissen was Gott wollte, also sie anderen alle.

"Nun beginnen wir eben.
Unsere letzte Beichte ist...gut 150 Jahre her. Wir haben nicht mehr gebeichtet, seit wir das Leben eines Sterblichen hinter uns ließen. Wir glauben an den Herrn als jenen der uns auserwählte in der Nacht zu wandeln durch die Hände unseres Erzeugers.
Niemand hat das Recht über uns zu richten im Namen des Herren, als der Herr selbst. So er voller Zorn wäre über unsere Taten, so soll er uns hier und jetzt vernichten. So wie er es die letzten Jahrzehnte gekonnt hätte.
Wir haben getötet und wir töten immer noch. Wir haben gestohlen. Wir haben gelogen und lügen immer noch. Wir waren und sind hochmütig, wir waren und sind neidisch. Wir waren und sind zornig. Wir waren gierig und sind es immer noch. Wir haben jemanden verraten und werden es wieder tun. Doch das einzige was wir bereuen ist der Zorn."

"Nun, verehrter Ferruccio, so habt ihr es gehört, doch es kümmert uns nicht ob ihr uns die Absolution erteilt, denn in unseren Augen könnt ihr das nicht. Denn ihr seid genauso wie wir, auch wenn ihr das nicht zugeben wollt. Ihr seid von Hochmut erfüllt zu glauben ihr könntet im Namen des Herren sprechen. WIssen was er verlangt. Ihr habt mit Abscheu auf uns gesehen, wo ihr doch nach euren eigenen Worten auch nur einer jener seid die verflucht wurden. Euch steht es nicht zu jemandem die Beichte abzunehmen, so ihr selbst 'verdorben' seid."


"Eure Wut darüber das ich es bin der euch die Beichte abnimmt verrät euch. Es ist auch keine sonderlich gute Beichte. Man merkt das die letzte lange her ist. Aber auch wenn ihr nicht freiwillig hier herkommt, ist es ein Anfang. Ein Anfang auf einem langen, steinigen Weg, aber besser als nichts. Ihr bereut immerhin euren Zorn. Fangen wir damit an. Die Reue die ihr empfindet. Mit der Reue die ihr nicht empfindet, beschäftigen wir uns dann in der kommenden Nacht." die Ruhe die er, trotzt Tomas Provokationen in seiner Stimme erkennen ließ offenbarte dem Tzimisce das der Malkavianer - so eigenartig es klang - solcherlei Dinge innerhalb der Beichte akzeptierte. Nichtsdestotrotz war dort immer noch die unverhohlene Abneigung zu hören, auch wenn sie offenbar ein wenig zu schwinden begann. Als ob sich der Malkavianer darauf konzentrierte was vor ihnen lag, nicht hinter ihnen.

"Gott, der unser Herz erleuchtet, schenke dir wahre Erkenntnis deiner Sünden und seiner Barmherzigkeit..." es gab eine kurze Pause "...erleichtert euer Herz um jenen Zorn den ihr bereut. Wie habt ihr euch versündigt? Was sagtet oder tatet ihr im Zorn was ihr nun bereut?"

Toma runzelte die Stirn und dachte vor allem über die ersten Worte nach, überlegte auch ob sie tatsächlich auf alles eingehen sollte. Der Zorn. Doch antwortet dann schließlich aber auf des Malkavianers letzte Frage:

„Wir denken nicht, dass euch das etwas angeht, denn wie gesagt gibt es keinen Grund, warum wir euch unsere „Sünden“ beichten sollten, außer dass es von oberster Stelle gefordert wird. Wir sind zornig und wollen es nicht sein. Was sollte es uns schon bringen euch mehr dazu zu sagen? Wird es dadurch einfach verschwinden?
Diese Beichte ist nicht gut. Natürlich nicht, denn wir bereuen so gut wie nichts. Doch können wir etwas daran ändern? Nein. Dieses Gefühl existiert nicht in uns für alles was wir getan haben. Diese Reue taucht nicht plötzlich einfach auf weil wir darüber sprechen.
Wir haben jedoch gesagt was gesagt werden musste. Damit sehen wir unsere Pflicht getan.“


Sie schwiegen einen Moment.

"Wenn ihr jedoch Information gegen Informationen tauschen wollt?...Wir erzählen euch etwas über uns und ihr erzählt uns etwas über euch?"

Ein eisernes Gesicht war es, welches zurückschaute. Die Geduld die er bis hierher aufgebracht hatte schien zu bröckeln. Gut möglich das er selbst nicht verstand wieso er hier ausgerechnet mit Toma sitzen musste. Wieso sie diese Missgeburt nicht einfach anzündeten. Auch seine Stimme ließ nun kaum mehr einen Hehl daraus das er es mit dieser Abscheu selbst nicht ganz leicht hatte.

"Ihr seid ahnungsloser als eine streunende Katze. Die Herrin befahl das ihr eine Beichte abgenommen bekommen sollt, nicht das ihr mir eure Sünden beichten sollt. Das erste impliziert das zweite, geht aber darüber hinaus. Zu einer Beichte gehört zwingend eure Reue. Bereut ihr nicht, kann euch keine Beichte abgenommen werden, ihr würdet damit also dem Befehl ihrer Majestät zuwider handeln." erklärte er mit dem letzten Rest seiner Geduld, dann schüttelte er den Kopf. Ein eigenartiger Unterton, wie ein Funken der versucht Flamme zu werden war darin zu hören.

"Das du dieses heilige Ritual auf dein profanes Niveau herabziehen möchtest ist eine Schande. Du begreifst nicht einmal das du die Lösung auf der Zunge trägst und sie dennoch nicht spürst. Was du denkst ist mir völlig gleich. Beichte, oder widersetze dich Aurores Befehl. Deine Wahl." lauernd blickte er den Tzimisce an, als ob er es nicht erwarten könne das dieser ein weiteres Mal so unverfroren antwortete wie es für Toma schon zur Normalität gehörte.

Sie wollten ihm antworten, hatten schon die Worte der Erwiderung während er noch selbst sprach, doch dann entschied sich Ferruccio auf ein profanes Niveau hinunter zu gehen.

Sie rümpften die Nase und ein Grollen, einem Knurren gleich war zu hören.

"Wir vertrauen euch nicht und hinterfragen den Nutzen des Ganzen. Ein profanes Niveau nimmst allein du ein, gerade.
Und wie sollte man etwas empfinden, dass man nicht besitzt? Wie ist Reue zu erzwingen? Hm?
Erzähl der höchstverehrten Aurore doch was du willst, das kannst du eh. Doch es ist vielmehr eine Schande, dass du nicht in der Lage bist die Wahrheit zu sagen. Wir waren hier, wir haben gebeichtet, wir haben etwas bereut. Und dass wir keine Reue für die anderen Dinge empfinden ist nicht etwas das wir einfach ändern können, nur weil du oder sie es so will.
Dann war dies alles eben unnötig hier."


Damit verließen sie dann den Beichtstuhl. Es war nicht anders gekommen als sie erwartet hatten. Es war unnötig gewesen, doch den versuch nicht anzuerkennen...das nahmen sie nicht an. Denn wirklich, wie sollten sie Reue empfinden, wenn sie einfach keine empfanden?

"Wir werden sehen." antwortete Ferruccio mit einem eigenartigen Unterton, ehe Toma die massive Tür des Beichtstuhls öffnete und eilig die Kirche verließ.

Mit einem Deuten des Kopfes gen Ausgang gaben sie Vincenzo zu verstehen, dass sie gingen und es wurde dem Guhl auch nach einigen Metern draußen klar, dass diese Beichte nicht gut abgelaufen war. Er wusste jedoch gut genug, dass er nun nichts sagen sollte, wunderte sich dennoch über das nervöse Verhalten seines Meisters.

Toma sah sich dauernd um. Das taten sie zwar auch bei der Jagd häufig und so war es vielleicht schon zur Gewohnheit geworden, doch sie sahen sehr viel zurück als glaubten sie dass sie jemand verfolgte, anstatt nach vorn um den besten Weg zu bestimmen, wo sie weniger Menschen begegnen würden.

Angesteckt von diesem misstrauischen Verhalten sah auch Vincenco sich andauernd über die Schulter, aber konnte doch niemanden sehen. Konnte Toma etwas wahrnehmen, was ihm verborgen blieb?

Nein. Konnten sie nicht. Da war nichts. Es war kein Gefühl verfolgt zu werden. Oder ja, doch es fühlte sich so an, doch es war keine Person die ihnen folgte. Es war das Gefühl selbst, das an ihnen haften blieb, das sie etwas vergessen hatten. Etwas zurück geblieben war. Dass etwas sie belastete. Doch was?

Es nagte an ihnen. Hatten sie etwas versäumt? Hätten sie nicht doch darüber sprechen sollen? Dem Prediger eine Chance geben? Bereuten sie es nun weg gegangen zu sein? Oder was war das…hatten sie ein schlechtes Gewissen weil sie die Morde und alles andere nicht bereut hatten? Hatte Ferruccio vielleicht doch recht? War es auch an ihnen Buße zu tun um näher zu Gott zu kommen. Hatten sie diese Chance vertan? Hasste er sie, verdammte er sie? So wie andere es immer sagten? Waren sie so tief gefallen, dass sie sich mehr anstrengen mussten wieder heraufzukommen, zurück zu Gott?
Hatten sie versagt.

Woher kamen die Zweifel? Sie waren sich doch sicher. Immer gewesen. Gott wollte es so wie es war…oder?
…oder?

Es machte sie wahnsinnig. Sie kamen nicht davon los. Es drehte sich in ihrem Kopf. Immer und immer wieder. Sie konnten sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Nicht auf ihre Pläne. Immer wieder dachten sie: Ist es falsch, was wir tun? Müssten wir etwas anders machen? Müssten wir bereuen was wir getan haben bisher? Gehen wir falsche Wege und verschwenden unsere Zeit, mit unnützen Taten. Dem Streben nach Macht und Rache und...doch war es nicht eher für ihr Überleben? Für mehr als das?
Doch was, wenn Gott sie dafür doch verdammte?

Es mache sie nicht nur in der Nacht verrückt, es verfolgte sie auch am Tag, im Schlaf, in Träumen. Sie fühlten sich bei jedem Erwachen, wie wenn sie fern ihrer Erde gewesen wären.

Was war das? War das eine Macht des Malkavianers oder hatten sie plötzlich einfach Zweifel. Wie damals. Als sich so viel für sie geändert hatte. Da hatten sie sich auch so schlecht gefühlt. Doch damals hatten sie auch etwas verloren. Sich selbst.
Waren sie auf einem erneuten Scheideweg?

Auf der Jagd ging es ihnen ebenso nicht aus dem Kopf. Mussten sie das tun um zu überleben? Töten?

Blut und Fleisch wurde verschwendet. Leben gegeben, nur um ihres zu erhalten. Ein ganzes Leben, dass sie länger nähren könnte, das nützlich sein könnte, dass ebenso verdient hat zu existieren wie sie?
Hatte es das?
Waren sie nicht auch Geschöpfe Gottes?
Und doch Beute der Vampire. Nahrung der Vampire.

Doch sie könnten sich nähren ohne zu töten…wenn sie nicht selbst beschädigt wären.
Ein Fehler. Unperfekt.

Jede Nacht in der sie jagten, hatten sie Leben genommen. Das Herz verstummen gehört und alles Blut an sich gerissen, als würde es ihnen zustehen. Es war diesmal das erste Mal seit vielen vielen Jahren, dass sie ein Leben bewahrten. Es nicht verdammten zum Tod oder Schmerz.

Doch warum? Hatten sie geglaubt es würde es besser machen. Dieses Gefühl verschwinden lassen? Doch das tat es nicht. Nicht sofort, doch dann kam die Reue.
Eine wirkliche Reue. Etwas getan zu haben, dass sie nicht von sich erwartet hatten und wieder waren da Zweifel. Doch waren sie nun wieder verdreht.
Eine tiefe Wut auf sich selbst war in ihrer Brust gewachsen danach. Wie konnten sie so an sich zweifeln...erneut?
Warum hatte er der Bestie ihre Beute verwehrt. Warum so leichtsinnig gehandelt?
Es könnte auf sie zurückfallen. Schaden anrichten...nur weil sie...

...Sie hatten einem dummen Gefühl nachgegeben. Sie hatten an sich selbst gezweifelt an ihrem Weg, an ihre Rechtmäßigkeit auf dieser Erde so zu wandeln wie sie wollten.

Er hatte sie ins Wanken gebracht.

Das verunsicherte sie.

Sie bereuten. Sie empfanden Reue. Nicht für das was Ferruccio erhofft hatte, aber doch hatte er sie manipuliert. Wie auch immer das möglich gewesen war.
Sie hatten gestrauchelt und das machte ihnen mehr Angst als sie bereit waren zuzugeben.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Ein Tag wie jeder andere (?)

Johanns Tag begann meist gleich. Wenn die Sonne aufging organisierte er Botengänge zum Markt, reinigte das Haus, kümmerte sich um die Sklaven und Wachen. Nach dem Mittagessen ging er dann meist zu Bett, um zu Sonnenuntergang wieder wach zu sein. Da musste er sich um Toma kümmern. Die Gerüchte des Tages vorher einholen und dann berichten. Anweisungen entgegen nehmen und schlicht all ihren Wünschen folgen. Waren keine Gäste für die Nacht angekündigt, widmete er sich weiter den häuslichen Pflichten und stand auch für den hohen Gast bereit oder hielt noch einmal Nickerchen. Bis es bei Sonnenaufgang wieder von vorn begann.

Dieses Mal jedoch wurde sein Alltag hart erschüttert. Es war noch Vormittag, Johann brachte den Sklaven gerade Wasser zur Reinigung und leerte ihre Nachttöpfe. Da klang Geschrei von draußen herauf.
Er öffnete das Fenster, zum Platz vor dem Haus und sah die Männer unten gegen andere kämpfen.
Erst danach bemerkte er, dass nicht einmal weit neben ihm die Hauswand brannte und auf das Dach übergriff.

Ein Moment des Schocks überkam ihm in der er nicht gleich reagieren konnte. Sie wurden angegriffen!? Feuer! Toma!

Das Feuer...er musste sie wegbringen von hier...

Er rannte los, stolperte zwischen den angeketteten Menschen hindurch, die keine Chance haben würden dem Feuer zu entkommen, wenn sie keiner befreite....

Doch Johann kannte nur ein Ziel.
Er schlitterte gerade aus der Tür als ein heftiges Krachen erklang und die Wand auf der linken Seite barst. Johann hatte sich instinktiv weggedreht und die Arme schützend vor den Kopf gehalten. Als er wieder hinsah klaffte ein Loch im hinteren Teil des Raumes, als auch in einem Teil des Bodens. Ein Stück der Balustrade war weg und auch die Statue die dort gestanden hatte.

Doch das kümmerte Johann nicht. Mit Schrecken und wie in Zeitlupe sah er nur, wie Sonnenlicht hell und strahlend durch das Loch fiel und ein tierisches Brüllen erklang.
Er wollte zur Hilfe eilen, da preschte Toma schon vor ihm aus dem Raum, ihr Körper völlig schwarz und schwellend. Es roch nach verbranntem Fleisch.
Ohne langsamer zu werden krachte Toma durch die Tür eines anderen Raumes.

Johann folgte, da krachte erneut etwas neben ihm. Jedoch hinter der Tür eines der Gästeräume. Es brachte ihn aus dem Tritt. Seine Knie waren weich. Er fiel vorn über und krabbelte auf allen Vieren weiter. Es roch nach Rauch. War das Dach eingestürzt? Hatte das Feuer schon so weit übergegriffen? Was war das gewesen, das Loch? Sein Herz schlug so hart in seiner Brust. Er hatte so Angst. Wusste nicht was hier geschah. Würden sie das überleben? Doch in aller Panik, hatte er immer ein Ziel. Er musste Toma retten.

Von unten erklangen gerufenen Befehle. Trümmer wurden als Barrikaden aufgeschichtet.

Johann atmete durch. Seine Gedanken raste. Sollten sie fliehen? Wohin? Es gab keinen anderen Ausgang. Durchs Fenster? Sollten sie sich verstecken, wo? Oben, unten? Doch dafür müsste er auch erst Toma transportieren können...konnte er nicht.

Johann betrat den Raum in den sich Toma geflüchtet hatte und schloss die Tür hinter sich.
Draußen herrschte das Chaos und der drohende Tod. Hier drinn...jedoch womöglich auch.

Er wusste nicht ob Toma ruhig sein würde. Ob sie ihn anfallen würden.

„Herr?! Ich bins, Johann. Keine Sorge. Wo seid ihr?“

Waren sie überhaupt ansprechbar?

Da hörte er ein leises Wimmern.

Johann konnte überhaupt nichts sehen, nur dieses Wimmern hören wie von einem verletzten Tier. Bis es verstummte.

Dann blieb nur sein eigener Herzschlag und sein Atem, der sei bereits begann in seinem Hals zu schmerzen, so schnell atmete er.

Er konnte nichts tun außer hier ausharren. Doch immerhin, immerhin er spürte das Toma nicht tot war.

Er wartete und wartete, traute sich nicht die Tür zu öffnen. Kein Licht herein zu lassen, keine möglichen Feinde.
Er lauschte den Geräuschen vor der Tür. Roch Rauch...war das das Dach?! Würden sie hier darunter begraben werden? Unter Holz und Feuer?

Irgendwann näherten sich Schritte der Tür. Die Panik umgriff sein Herz. Waren die Angreifer da, würden sie ihn heraus ziehen. Toma herausziehen ins Licht, wie es mit den anderen geschehen war? Würden sie ihn verbrennen, wie seine Eltern?
War es so? Waren sie hier deswegen? Würden sie sie holen...

Es klopfte...
Es war nur Vincenco. Er hatte überlebt.
Nicht alle hatten jedoch überlebt.

Die Angreifer waren vertrieben, doch es war nicht vorbei. Sie konnten nicht hier bleiben.

Johann holte Kerzen und brachte sie in den Raum, passte jedoch auf, dass sie für Toma keine Gefahr darstellten. Sie würden nun nicht gut auf Feuer reagieren. Doch noch war es nicht Nacht. Vielleicht würde sie schlafen.

Johann leuchtete vorsichtig in alle Ecken und fand seinen Herrn schließlich in einer Ecke des Raumes, so weit weg wie möglich von der Tür hinter einem umgeworfenen Tisch.
Doch sie waren nicht wieder zu erkennen. Da lag zusammengekrümmt eine knochige Gestalt. Die Haut war komplett verbrannt, nur verkohlte Überreste klebten noch an ihr. Jene Fetzen die abfielen zerstoben sofort zu Asche. Jede Form von weichem Gewebe war versengt worden von dem Licht der Sonne. Die Lippen, Nase, Ohren, Augenlider fehlten. Die Augen blickten mit milchigen Pupillen ins Leere. Gekocht von der Sonne.
Nur diese und die weissen Zähne stachen aus dem verbrannten Gesicht heraus.
Es waren nur Sekunde gewesen und doch hatte das Licht den Tzimisce fast vollständig verbrannt.
Kaum Fleisch, nur Muskeln und Sehnen hing noch an ihren Knochen.
Ein Mensch hätte solche Verbrennungen nicht überlebt, wäre innerhalb von Minuten gestorben, doch Toma war noch am Leben, nur schlafend. Was man kaum glauben konnte wenn man es sah. Doch Johann spürte es. Das Gefühl der Verbundenheit und der Erleichterung bei dieser Erkenntnis.

Er würde sich kümmern. Wie immer. Sie würden das wieder hinbekommen. Tomas Körper würde sich wieder heilen, wie immer. Es würde nur nicht einfach sein. Nichts davon, was ihnen jetzt alles bevor stand. Doch es war nicht alle verloren. Er hatte sie nicht verloren.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Manchmal schmeckt das Leben nach Hase

Sie verzogen das Gesicht, nachdem sie den letzten Tropfen des Blutes aus dem kleinen Leib des Hasen gequetscht und getrunken hatten.
Warum schmeckte Tierblut so?
Warum war ausgerechnet das Menschenblut so schmackhaft, wenn doch so mancher meinte, sie sollten die Menschen nicht wie Tiere halten. Nicht wie Tiere behandeln?
Wie konnten sie wirklich gleich sein, wenn sie hier eindeutiger der Jäger waren und die anderen die Beute?
Oder war gerade das die Herausforderung? So wie alles im Leben doch eine Prüfung durch Gott schien. Nicht zu töten, nicht zu beneiden und doch waren die Menschen wie auch die Kainiten mit Wut geschlagen, mit Neid. Das waren Gefühle, die man nicht einfach ablegen konnte. Sie waren tief in ihnen verankert...oder hatten sie es einfach nicht gut genug versucht dagegen anzugehen?

Sie schlossen die Augen und hörten dem Wind zu der durch die Blätter der Bäume pfiff.
Was war der wirkliche Sinn einer Existenz. Menschlich und auch kainitisch?
Wenn alles eine Prüfung war, dann wäre das was danach käme das eigentliche Leben, oder?
Das muss es sein. Ihre höhere Existenz in einer anderen Welt oder auf jener nur losgelöst von den jetzigen Verpflichtungen und Leiden.

War nicht auch die Wandlung schon ein erster Schritt mehr und mehr dieser Leiden des Leben los zulassen? Und so würde es weiter gehen Schritt für Schritt.
Doch wie? Waren sie auf dem richtigen Weg?

Sie öffneten die Augen wieder und blickten durch die Reihen an dunklen Stämmen der Bäume hindurch die um sie herum standen.
Das war das Leben der Gangrel. Nicht? Sie bevorzugten diese Art von Leben. Im Wald mit den Tieren zu leben. Von ihnen zu leben. Führte sie das irgendwohin?
Sie konnten hier nichts schaffen und nichts erreichen.

Nachdenklich strichen sie mit den Händen über die mit alten Nadeln bedeckte Erde.
Und dennoch war dieses Leben ihnen auch irgendwie nah. Die Tiere, die Erde, die Natur.

Womöglich gab es noch so viel mehr zu entdecken, bevor sie nur annähernd zu ihrer Perfektion gelangen würden. Überhaupt den richtigen Weg finden würden.

Doch dafür...bis dahin mussten sie erst einmal überleben.

Das einte sie alle. Sie mussten überleben. In einer Welt voller Widrigkeiten und für niemanden wurde es leichter.

War es besser dies allein durchzustehen oder gemeinsam?

Das Geräusch von brechenden Knochen und reißender Haut drang an ihre Ohren, von dem Wolf, der nur wenige Schritte neben ihnen den blutleeren Hasen zerriss und dessen Fleisch fraß.

Für einen Moment trafen sich ihre Augen. Die falschen menschlichen und die wölfischen.

Es war ein Geben und Nehmen und manches mal profitierte man davon, dass andere etwas brauchten was man geben konnte und umgekehrt.

Ein perfektes Zusammenspiel eigentlich.

Keine Freundschaft, ein Geschäft. Aber irgendwie auch ein Kreislauf der in allem existierte. Das eine lebte vom anderem.

Der eine starb, der andere überlebte.

Würde das auch ihr Schicksal irgendwann sein? Konnte man dem überhaupt entkommen? Würden sie wirklich irgendwann unsterblich ein können. Wirklich unsterblich, so dass einer einen auch nicht töten konnte?

Sie hofften es. Oder würde es immer weiter so gehen? In jeder Stufe der Existenz eine neue Bedrohung? Würde es je Frieden geben? Hätten sie diesen verdient?

Ein Schritt nach dem anderen. Ein Schritt...

Noch waren sie nicht so weit. Noch hatten sie zu kämpfen für ihr Überleben.

Sie nahmen den zweiten toten Hasen vom Boden auf und schlugen ihre Fänge durch die fellbesetzte Haut.

Manchmal schmeckt das (Über)Leben leider nach Hase.
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Das Pferd aus Holz

Ein Pferd im wilden Ritt. Die Mähne peitschend im Wind, stürmte es über die weiten Wiesen, einen Reiter auf seinem Rücken tragend, der eine wichtige Meldung zu überbringen hatte.
Hölzern holperte das Pferd über den weichen Erdboden, fiel zur Seite und blieb liegen.
Es war kein echtes Pferd, das von einem Pfeil niedergestreckt wurde, es war schlicht aus Holz.
Ein Spielzeug. Wie jenes, dass sich in ihre Handfläche drückte, als sie es fest umklammert hielten.

Sie hatten einmal dieses Spielzeug besessen. Das wussten sie noch. Doch sie hatten bis nun vergessen wie es sich angefühlt hatte. Wie sie es geliebt hatten und wie viel Freude es ihnen gemacht hatte.
Sie hatten auch einen Hirsch und einen Wolf gehabt. Schöne geschnitzte Stücke von ihrem Vater.
Ja, sie erinnerten sich. Damals waren sie noch ein kleiner Junge gewesen. Alles was er damals selbst versucht hatte zu erschaffen, war kaum als ein Tier zu erkennen gewesen. Ein unförmiges Stückchen Holz, das fern des Blickes eines Kindes nicht mehr war als das. Doch alles sein konnte für das kleine Geschöpf, dass sich in seinem Kopf seine eigene Welt erschuf.
Vater. Sie hatten ihn später abgelehnt. Auf ihn herab gesehen. Doch war es nicht verständlich, dass er sich einfach nur gewünscht hatte, dass sein Sohn sein Lebenswerk fortführen würde so wie jeder Sohn die Gewerke des Vaters erlernte? Doch sein Sohn hatte ausbrechen müssen und nicht nur das…hatte damals seine Gefühle einfach nicht unter Kontrolle gehabt und eine Tragödie für seine Familie hinterlassen. Doch es war vermutlich unausweichlich gewesen. Hatte dieser Weg sie doch genau dorthin geführt wo sie heute waren und wer sie heute waren.
Es war ihnen jedoch immer ein wichtiges Anliegen geblieben, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Impulsivität führte zu Fehlern.
Mittlerweile hatten sie das Vorhandensein von Gefühlen akzeptiert. Sie zu erkennen machte es leichter auf sie zu reagieren als sich von ihnen überrumpeln zu lassen.
So wie auch leider nun. Sie waren darauf nicht vorbereitet gewesen. Das hatten sie nicht erwartet.
Sie hatten Johanns erwartet oder Davids, aber nicht ihre eigenen Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit und ein Leben das so gegensätzlich zu ihrem jetzigen war. Wie konnten sie überhaupt dasselbe Geschöpf, dieselbe Seele sein?
Dies war ein Anfang den sie vor sich sahen. Ein Anfang für die Geschichte des Jungen, die folgen würde und in derer immer wieder Tiere aus Holz auftauchen würden. Doch allein bei Holz würde es nicht bleiben.
Fleisch, Knochen, Sehnen, Adern…Material des Körpers. Leben, das verändert wurde. Durch die kalten Finger fließend wie weicher Ton und Wasser.
Sie konnten heute zerstören und erschaffen. Sein und Vergehen waren ihrem Willen unterworfen.

Doch damals war das alles noch nicht Teil seiner Welt. Der Welt des kleinen Jungen, der wie alle Kinder Freude an den einfachen Dingen hatte. Einen Schmetterling zu fangen, der auf einer Blume saß oder mit anderen Kindern Fangen oder Murmeln spielte.

Damals hatte er andere Menschen noch geliebt und gefürchtet.

Liebe…war ein sehr seltsames Gefühl. Sie liebten heute nichts mehr als was sie erschufen, was ihr Werk und ihr Besitz war. Weil sie es geschaffen hatten. Weil es ein Zeugnis ihrer Kraft, Kreativität und Finesse war. Stolz…wäre ein besseres Wort.

Doch war es gleich? Konnte man es vergleichen? Fühlten Eltern denn nicht auch einfach Stolz für ihre Kinder?
Doch Liebe war anders, das wussten sie auch. Sie war irrational und trat plötzlich auf. Sie war nicht zu erklären und man konnte sie nicht einfach abschalten. Man konnte sich nur vor ihr verstecken. Nicht zulassen, dass sie das eigene Herz einnahm und den Verstand vergiftete wie ein Geschwür, dass sich durch den Körper rankte wie dorniges Gestrüpp.

Sie hatten sich gut davor versteckt. Waren nie wieder jemanden begegnet seit ihren Menschenjahren den sie wirklich lieben würden, obschon Seinfreda einen ganz besonderen Eindruck auf sie gemacht hatte. Vielleicht war es gut so, dass sie nun vernichtet war.
Sie hatten die Liebe abgelehnt und die Liebe zu einem Kind war ohnehin nie etwas, dass sie noch erleben konnten. Ist doch ein Kainskind nicht damit vergleichbar ein neues Wesen auf die Welt zu bringen, was vorher nicht existiert hat und das nicht nur in Blut, sondern auch Fleisch und Verstand ein Ebenbild einen selbst war.
Hätten sie es denn gewollt? Sie hatte nie darüber wirklich nachgedacht. Über die Zeugung eines Kainskindes, ja und welch Ehre das für einen Auserwählten sein muss, welche Bedingungen dafür erfüllt werden müssten. Doch auch das brach an der Realität.
Ein Kind hingegen….damit konnten sie auch nichts anfangen. Sie verhielten sich komisch und waren zu nichts zu gebrauchen. Unfertig und müssen beschützt werden bis aus ihnen etwas werden konnte, das man nutzen konnte. Doch dadurch waren sie auch formbar.
Sie waren auch so unbesonnen. Naiv. Nichts böses ahnend und von einem Optimismus geprägt, der schnell im Kopf eines Erwachsenen oder Jugendlichen verschwand.

Aber auch voller Fantasie. In der Welt des Kindes war alles möglich. Alles. das hatten sie auch immer geglaubt, nur um dann enttäuscht zu werden von der harten Welt. Vermeintlich, denn es ist doch nicht immer alles so wie es auf den ersten Blick und im ersten Moment der aufkommenden Verzweiflung scheint.
Optimismus muss man sich bewahren. Mussten sie sich auch bewahren. Woraus würde eine Vision sonst geboren, wie könnte man unbeirrt und stetig seinen Weg gehen, über Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte? Es brauchte Optimismus auch in der Welt der Dunkelheit oder vor allem in ihr.

Es gab ihnen ein seltsames Gefühl der Trauer (oder Schuld?)
Ein Kind voller Eifer war nicht mehr, wegen ihnen…zukünftiges Potential war zerstört worden und es störte sie noch mehr, dass sie das gerade dachten. Es war nicht das erste mal, es war nicht einmal wirklich direkt ihre Tat gewesen. Sie hatten einem Kind viel schlimmeres angetan…für Wissen. Dieses Kind war heute nicht mehr und konnte nichts mehr sein. Nicht besser sein, nichts lernen, nichts verändern.

Sie rührten sich nicht, hielten das kleine Holzpferd umklammert und eine Wandlung an Gefühlen durchlief sie. Freude, Glück, Trauer und Schuld in einem stetigen Wechsel, je nachdem welche Erinnerung gerade an die Oberfläche gespült wurde oder worauf sich ihre Aufmerksamkeit richtete.

Das kleine Holzpferd befand sich in der Hand des Vaters. Es nahm Form an. Es entstand.
Sie fühlten wie es in ihre kleine Hand gelegt wurde und sich die winzigen Finger um das raue Holz schlossen und eine Welle der Freude und Liebe sie durchdrang.

Mit einem plötzlichen Schwung schleuderten sie das andere Pferd durch den Raum, was Johann erschreckte und von seinem Hocker aufspringen ließ.
Das kleine Holztier prallte von der Wand ab und fiel klappernd zu Boden.

Für einen Moment schauten sie ihm nach, das Gesicht in Ärger oder Irritation gehalten, bevor sie stürmisch den Raum verließen.

Johann nahm das Pferdchen wieder auf, streichelte es zwischen den Händen. Er wusste gar nicht warum er daran noch festhielt. Es war ihm nicht mehr wichtig, aber doch war es eines der wenigen Dinge, die er besaß. Die ihm allein gehörten. Er hatte sich nie um ihn kümmern können, seinen Sohn und das hatte ihn lange belastet, aber das war nun auch alles nicht mehr wichtig. Für ihn gab es ohnehin nur noch einen den er liebte.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel - Kleines Intermezzo [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Kleines Intermezzo

So warm! Sonne so schön! Warmes Gefieder. Großer Busch. Lecker Beeren! Viele Freunde!

Toma hatte gelangweilt den Kopf auf eine Hand gestützt, während sie mit der anderen den Nachtigallen Körner zuschoben und ihren belanglosen Gezwitscher lauschten, nachdem die kleinen Tiere aus ihrem Winterurlaub zurückgekehrt waren.

Was tat man nicht alles um sich Loyalitäten zu sichern...Loyalität unter schnell vergesslichen Vögelchen...
Sie seufzten. Wenn sie nur wenigstens intelligenter sprechen könnten. Es war so ermüdend ihren seichten Gedanken zuzuhören.

Hin und wieder pfeiften sie eine Antwort, um die Tiere zu erfreuen.
Wenigstens Krähen waren annehmbare Gesprächspartner.

Fiese Schwalben getroffen. Gemeine Hunde....blablabla
Zwitscherten die rotbäuchigen winzigen Geschöpfe aufgeregt, zwischen ihren Mahlzeiten und erzählten Toma ungeordnet von ihrer Zeit und Reise in den Süden.

"Oh nein..." pfiff Toma zurück.

Bei Gott…
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Die lange Dunkelheit

Für eine lange Zeit, herrschte nur Dunkelheit. Sahen sie ihr Gesicht nicht mehr. Gab es ihr Gesicht nicht mehr.
Sie lebten und doch nicht. Sie waren nur noch ein Geist in der Dunkelheit. Eine Seele in der Vergessenheit.
Sie fühlten die Welt auf eine Art, die sie so nie wahrgenommen hatten.
Zusammengeschrumpft, winzig. Es war, als wäre die Welt so wie sie geworden.

Sie fühlten nur das Holz des Tisches, auf den sie schrieben, den Ton des Gefäßes, in dem sie schliefen, fühlten die Vitae, die sie „tranken“. Es gab keinen Geschmack, sie konnten nicht schmecken. Sie konnten nur die Feuchtigkeit und die Macht, die dem Blut inne wohnte fühlen, auf verschiedene Weisen.
Und das für eine lange Zeit. Sie wussten nicht mehr, wie viel Zeit verging. Sie hatten das Gefühl viel mehr zu schlafen als gewöhnlich, aber vielleicht erinnerten sie sich nur nicht daran, weil sie nichts getan hatten. Weil es nur Dunkelheit gab.
Kein Licht, keine Geräusche, nur ab und zu Gefühle.

Sie hatten hier nur sich. Auch wenn sie rudimentär mit der Außenwelt kommunizieren konnten, so blieben sie doch die meiste Zeit mit sich allein. Nur mit ihren Gedanken.
Sie dachten viel darüber nach, wie sie hier enden konnten und sie fürchteten die Möglichkeit, dass es für immer so bliebe, dass sie nie wieder sehen würden, nie wieder laufen und agieren und fassen könnten. Nicht mehr zu sein, als ein Finger, ein Wurm.
Wäre das ihre Legende? Reduziert auf das Unleben eines Wurmes.

Und war es das alles wert gewesen? Hatten sie sich nicht vielleicht verrannt? Doch einen Weg, alles umzukehren, gab es nicht mehr. Sie hatten ihr Leben riskiert und es sich dennoch erhalten. Sie würden auch dies überkommen, sie mussten…sie mussten…

Sie waren immer noch mehr als dieser Finger. Sie waren sie. Sie waren noch da und das war ihr Körper. Ihr Körper, der ihrem Willen folgte.
Es gelang nicht sofort, es war ein Prozess, doch irgendwann fühlten sie ein Wachsen. Ein sich ausbreiten ihrer Wahrnehmungsreichweite. Sie konnten mehr Fläche fühlen, mehr Holz.
Und dann wurde es mehr und mehr. Mehr Finger, die nun tasteten und die Hoffnung kam zurück, stärker.
Aus den Fingern, wurde eine vollständige Hand, aus der Hand ein Unterarm, aus dem Unterarm ein Oberarm, eine Schulter, ein Brustkorb, eine Lunge, ein Herz. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit spürten sie einen Herzschlag wieder. Konnten sie ihr Herz schlagen lassen, bis es für immer erstarb und doch starb der Körper nicht. Er wurde wie ihr alter. Vampirisch. Und dabei starb Johann, denn dieser Körper war nicht ihrer. Es war seiner.
Sie krochen weiter durch die Adern von Johanns Körper, wie ein Parasit und machten ihn sich Untertan.

Zum Schluss blieb nur der Kopf. Als sie die Augen nahmen, wurde es endlich wieder Licht. Wurden sie herausgezogen aus der Dunkelheit und sie hatten das schwache Licht einer Kerze nie sehnlichster vermisst.
Dann der Kopf. Der Ort, der alles sah, hörte, roch. Das Zentrum ihrer Wahrnehmung, ihrer Welt….wie absonderlich es gewesen war, ohne Kopf zu leben. Welchen Nutzen hatte das Hirn noch? Sie konnten alles ohne es.
Selbst ohne Kontrolle über den Kopf hatten sie den Körper schon bewegen können, fühlen können. Alles was sie bisher über das Gehirn gedacht hatten, war falsch?

Als sie endlich wieder einen Mund zum Reden, Augen zum Sehen und Ohren zum Hören hatten, waren sechs Jahre vergangen?
Sie fühlten sich von der Welt entrückt und wie ein Kind, das gerade Laufen lernte. Alles wirkte neu und hell und bunt, obwohl es tiefste Nacht war. Jedes Licht, so klein es auch war, wirkte wie ein Leuchtfeuer nach der Zeit in Dunkelheit.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Filip

Filip hatte viel erlebt in den letzten Jahrzehnten...in dem ganzen Jahrhundert, dass er nun Teil von Tomas Welt war. Anfangs weniger, zum Ende hin eine komplett neue Gesellschaft. Ein neues Leben. Ein neues ICH.
Und lange hatte er damit gehadert, das zu sein. Ein Tzimisce.
Ein Kainit, das war akzeptabel, wenn auch dennoch eine Bürde. So hatte er seinen Weg gefunden mit dem Hunger und dem Tier umzugehen. Auch wenn dieser Hunger wirklich wirklich nagend war...

Aber ein Tzimisce zu sein. Tomas Kind zu sein, bedeutete hart und mitleidlos zu sein und vor allem auch diese blutigen Dinge zu tun mit dem Fleisch.
Es war das eine ein äußeres Erscheinungsbild zu ändern, auch wenn es ihm zu Anfang auch unheimlich gewesen war, wenn sich sein Gesicht verzogen hatte, aber das Innere zu sehen und zu berühren... das war nicht seins und das wusste auch Toma und so war er immer eine Schande in ihren Augen. Das wusste er. Er war kein perfektes Kind. Er war ein Werkzeug. Geschaffen, um sie zu beschützen. Und das hatte er getan. Immer wieder und würde es weiter tun. Dann waren sie zumindest zufrieden mit ihm, oder?

Doch nun, in dieser Nacht hatten sie was völlig neues für ihn geplant und er wusste, dass es am Ende auch sein Tod sein könnte oder Schlimmeres, wenn alles schief ging.
Doch davor stand seine Umformung an.
In eine Frau.
Einen weiblichen Körper.

Er hatte Toma als Frau gesehen und als irgendwas anderes, als was Unmenschliches...doch er hatte sich nie vorgestellt selbst sich so völlig zu verändern. Er war eben kein guter Tzimisce, nicht?

Doch das hier nun war auch nicht seine Entscheidung. Er musste nur gehorchen und er musste es über sich ergehen lassen.
Es war nicht das erste Mal, dass Tomas Hände ihn veränderten, dass sich Fleisch und Knochen ihrem Willen unterwarfen. Dass er fühlen konnte, wie sie sich unter seiner Haut verschoben. Wie es schmerzte.
Er hatte gelernt, den Schmerz zu akzeptieren und allein sein Willen hielt sein Tier davon ab frei zu brechen. Immerhin darauf konnte er recht stolz sein, es war ihm nur einmal, nun gut zwei mal, passiert. Als er das erste mal was Kainit erwacht war und solchen furchtbaren Hunger hatte und bei diesem Kunstwettbewerbe. Welche Schmach.

Toma veränderte seine komplette Knochenstruktur. Machte ihn kleiner. Die Hüften weiter, die Schultern schmaler. Die Haut weicher und erschuf und verschob Fett aus dem übrigen Gewebe, dass zu erst noch schlacksig an ihm hängen blieb.
Es war eine Arbeit von Stunden und mehreren Nächten, aber am Ende war Filip eine Schönheit. Sie.
Filip traute sich nicht, sich selbst zu berühren. Zu sehr war er von dem Anblick und dem eigenen inneren Gefühl verunsichert. Als er in den Spiegel blickte, sah er nicht mehr sein Gesicht. Nein, auch das alte war nicht das Gesicht gewesen mit dem er geboren wurde. Paolos Gesicht war auch nur eine Maske gewesen.
Doch das nun...das war nicht er...
Große schöne geschwungene Augen blickten sich selbst entsetzt an. Das zarte Gesicht etwas dümmlich wirkend lassend.
"Oh Gott oh gott oh gott...." Seine Stimme war auch eine andere. Etwas seltsam. Er wüsste nicht einmal zu sagen, ob diese wirklich zu diesem Gesicht passte. Aber er sollte auch nicht sprechen, so war der Plan.
Trotz des Schreckens erinnert er sich daran, dass es nur temporär war. Und er musste nichts tun. Keine Frau imitieren, nur so aussehen.

Es überkam ihn dennoch eine furchtbare Angst, als er sich in die Kiste legen sollte. Als der falsche Pflock unter seiner nun weiblichen Brust drapiert wurde.
Wenn sich dieser Deckel das nächste mal höbe, dann im Beisein des Feindes und er wusste nicht welche Situation das sein würde. Er wusste nicht, ob er sich wirklich so ruhig stellen konnte, aber bei Gott, er würde sich alle Mühe geben.
Wenn er noch ein Mensch gewesen wäre, wären seine Hände schweißnass gewesen und das Herz in seiner Brust hätte gerast, doch nun, war er so leichenhaft wie er sein sollte. Keine Reaktion, kein Zeichen von Leben.

Immer wieder ging er alle möglichen katastrophalen Szenarien in seinem Kopf durch, während die Kiste schaukelte, als sie transportiert wurde. Er spürte, wie er mehrfach hochgehoben und wieder abgesetzt wurde und schließlich wie ein anderes Schaukeln einsetzte. Sie waren auf dem Wasser.

Als er Tomas Stimme, eigentlich seine Stimme, Paolos Stimme, durch den Deckel hörte, hätte sich am liebsten alles in ihm verkrampfte, doch sein toter Körper reagierte gar nicht auf die Angst.
Still nur, dachte er sich. Dann ist es auch schnell vorbei. Hoffentlich musste nicht er wirklich den Pflock setzen, hoffentlich würde Gabriel das tun.

Doch am Ende kam alles anders als geplant.

Er spürte, wie er angefasst wurde und konzentrierte sich schlicht darauf, die Augen geschlossen zu halten. Er hatte ohnehin zu viel Angst um sich zu bewegen. Er wollte ja gar nicht irgendwas machen müssen, kämpfen müssen, also blieb er schön liegen.
Dann wurde er sogar hochgehoben, aber zum Glück wieder abgesetzt. Der Boden war weicher als die Kiste, dafür mit kleinen Steinchen durchsetzt, nicht so angenehm, aber er war hier auch nicht zum schlafen.

Gott, warum sagte niemand was? Was geschah da?

Bis Tomas Ruf kam: "Steh auf! Flieh!"

Steh auf! Flieh! Oh nein!
Alles war ruiniert?

Wie befohlen rollte sich Filip, der heute Nacht Sousanna war, zur Seite, um sich auf die Beine zu stellen. Er bemerkte, dass da mehrere Gestalten zu nah bei ihm waren, aber er schaffte es dennoch nicht zu wanken und wollte schon die Lücke zum Wasser nutzen, um loszulaufen. Die Nacht war so so pechschwarz, dass er reaktiv seine Augen darauf einstellte besser zu sehen. Auch wen er nicht wusste was geschehen war, was hier los war. Wer da überhaupt war, war weglaufen eine gute Idee, die er sehr gut nachvollziehen konnte.

Doch da war Benedetto unter ihnen und seine Stimme schnitt in Filips Geist wie ein Haken an dessen Ende eine Schnur befestigt war und diese zog ihn ohne eigene Wahl näher zu dem Kappadozianer hin.
Ja…er sollte zu ihm gehen…
Nein! Er sollte fliehen! Aber warum konnte er nicht?
Toma hatte gesagt ihm nicht in die Augen zu sehen. Das hatte er auch nicht gewollt, aber er hatte gar nicht so schnell reagieren können wie das feiste Gesicht des Chronisten schon vor ihm war.
Wie es auch war. Er konnte nicht davon abrücken zu der beleibten Gestalt des Chronisten zu gehen, der plötzlich so viel weiter weg war. An der Böschung. Wie war er dahin gekommen? War er gerade nicht noch neben ihm gewesen?

Dann erklang ein furchteinflößendes Brüllen irgendwo hinter ihm, doch er musste zu Benedetto, nur das zählte. Er musste, auch wenn er nicht wollte.

Er hatte diese neuen Beine nie benutzt und die Schwärze der Nacht machte es zusätzlich schwer zu sehen wohin er überhaupt ging und griff, auch wenn seine Blutskraft ihm ein wenig half.

Helft mir!
Wie jämmerlich er war. Er hatte absolut gar nichts gekonnt, stattdessen lief er dem anderen auch noch entgegen.

Weiter und weiter durch den losen Sand, der einen schwierigen Untergrund bot. Die Männer in Roben folgten ihm.

Dann waren da noch mehr Schritte. Weite, schwere…

Filip konnte die Kreatur näher kommen hören, doch da war Benedetto plötzlich weg, von dem Punkt vor ihm. WIe ein Schleier hatte er sich bewegt. Filip blieb stehen und sah sich um. Da erklang ein Wort etwas seitlich hinter ihm: “Erstarre!”

Die monströse Gestalt, die er nun zum ersten Mal sah und in ihrer tierischen Gewalt und knöchernen, schuppigen Gestalt sah, war ihm klar, dass es Toma war, auch wenn er diese Form nie zuvor gesehen hatte.

Für einen Moment rasten die Gedanken in seinem Kopf. Seine Augen huschten über die Szenerie und alle Beteiligten.

Toma stand tatsächlich wie erstarrt da. Benedetto war nun vor ihm. Befehl erfüllt.
Er sollte fliehen. Er konnte nun fliehen.
Dann würde Benedetto dasselbe mit ihm tun wie mit Toma, oder?
Sollte er Toma helfen, konnte er Toma helfen?
Jedoch nicht, wenn er wieder unter den Befehl des Fetten fallen würde.

Eine Entscheidung fällend drückte er sich die Finger beider Hände in die Ohren und nutzte die Kraft seines Blutes die Gehörgänge zu verschließen. So würde er die Stimme des Totengräbers nicht mehr hören können. Das eine Ohr hätte er eigentlich nicht berühren müssen. Es war Tomas, aber es würde auch nicht schaden.

Bevor er dann jedoch fliehen oder helfen hätte können, überkam ihn ein immenser Hunger. Er hatte immer Hunger, das war normal, aber dies nun, war die pure Gier, ein reißendes Begehren, das keine Widerworte ließ, keine Wahl. Er versuchte noch instinktiv das Tier zu halten, aber es war zu spät…

Alles was danach geschah, bekam Filip nicht mehr mit.

Die Zeit, in der er wie eine hilflose Frau verschleppt wurde. Unfähig sich gegen die drei Männer wehren zu können, trotz bestialischer Wut…

Den Moment, als er wieder von Benedetto trotz der Kontrolle des Tieres wieder fortgezogen wurde.

Erst dann schien es als könnte er etwas durch den roten Nebel blicken. Doch kaum etwas tun. Noch immer war er zum einen von Benedetto gezogen und von dem Hunger überwältigt, dass seine Gedanken kaum etwas anderes zuließen als: Fressen und folgen.

Er bemerkte Toma dann so nah bei sich, aber ein Gefühl der Gefahr anstatt des Glücks überkam ihn. Er wich ihm instinktiv aus, mehr sein Tier, als er selbst, aber warum?
Warum konnten sie nicht zusammen gehen?

Doch da war es auch vorbei. Toma floh und Filip blieb bei Benedetto zurück. Er kämpfte gegen den Zwang, doch es machte ihn nur schwächer und schließlich überrumpelten ihn diese Mönche, wurde ein Pflock in seine Brust gedrückt. Ein Gefühl, das er auch noch nie erlebt hatte. Unfassbar schmerzhaft und jegliche Bewegung erstarb. Er konnte sich nicht mehr rühren. Kein bisschen, aber noch alles sehen. Wohin brachten sie ihn?
Und was würde jetzt aus ihm werden?
Wo war Toma?
Hatten sie ihn hier zurückgelassen?
Würden sie das wirklich tun?

Schiere Panik schrie in seinem Körper, wie das Tier, dass aufgebracht um sich wütete, aber sich keinen Zentimeter bewegen konnte. Er sah, wie er in das Kloster von Burgus gebracht wurde, in einen Keller und er wusste, er würde nie wieder herauskommen…und was würde dort mit ihm geschehen?

In dieser Nacht noch nichts, doch in der nächsten und der nächsten wurde ihm das Blut des Chronisten aufgezwungen und nun wollte er sich nicht mal mehr wehren. Nun war da keine Wut mehr, keine Angst. Vertrauen. Für jemanden, den er nicht kannte, den er nicht schätzte, nicht respektierte. Jemand, der nicht Toma war. Und es war in Ordnung.

Nichts von seiner Vergangenheit war vergessen, nur die Bedeutung daran. Die Gefühle. Er wusste, dass er auch nur an Toma gebunden war, wie er es nun an Benedetto war…doch das änderte das Gefühl nicht. Das Gefühl, dass es so richtig war.

Er fühlte Schmach dafür, dass er Toma aufgegeben hatte, dass er sich gegen seinen Erzeuger stellte, doch er konnte nicht anders. Hatte er ihnen was zu schulden? Er wurde doch von ihnen immer nur benutzt. Würde er jetzt jedoch nicht benutzt?

Er würde in seinem Leben nie wieder etwas anderes sein als ein Werkzeug. Ein Stein, den man ins Wasser warf, um Wellen zu erzeugen und dann vergaß.
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Toma Ianos Navodeanu
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Re: [Fluff] Im Wandel [Toma]

Beitrag von Toma Ianos Navodeanu »

Das Ende

Sie hatten noch eine Chance. Vielleicht wirklich nur diese eine…doch sie bräuchten dafür Blut, viel Blut und das schnell, doch sie mussten erst mal raus aus der Stadt und dort draußen gab es nicht viele Menschen. Sie hatten noch Tiere, sie konnten sie rufen…zur Schlachtbank.
Sie hatten fürchterlichen Hunger. Die neue Nacht nach der ereignisreichen zuvor, hatten sie genauso hungrig begonnen. Nichts war von dem Ziegenblut übrig geblieben.
Sie konnten an nichts weiter denken, außer dieses Blut zu bekommen, sie brauchten es unbedingt. Und als sie es hatten, als der erste Fuchs unter ihren Händen starb, da drehte sich ihnen erneut der Magen um. Sie wollten es nicht wieder hergeben…welches Tier hätte das getan? Aber sie konnten sich nicht gegen den Würgereiz wären. Es widerte sie an und es musste raus…
Der Anblick und das Gefühl des verlorenen Blutes ließ sie in blinde Wut verfallen. Mehr Blut…sie hatten Hunger und dieser ließ sich nicht stillen! Welch verdammte Magie war das?

Als sie wieder zu sich kamen waren sie in ihre Unterschlupf. Natürlich wo gab es sicher Blut, wenn nicht hier? Bruno war schwer verletzt und hatte sich auf den Dachboden geflüchtet, während sie wohl eines der Pferde ermordet hatten. Dennoch war der Hunger nicht vorbei und es war zu wenig.
Wieder gingen sie auf die Jagd. Wieder und wieder. Drei Nächte lang und jede Nacht erwachten sie hungriger als normal. BIs zu dritten Nacht, als sie sich endlich etwas normal fühlten. Mit jeder Nacht die verstrich, verstrich auch ihre Chance Filip zu ermorden und mit jeder Nacht stieg das Risiko, dass er alles verriet. Mit jeder Nacht stieg die Chance, dass sie im Angesicht von Feuer erwachten, weil sie gefunden worden waren.

Es setzte ihne zu die ständige Anspannung. Sie mussten sich beeilen.
Es ärgerte sie dass sie dazu gezwungen waren, aber das Tierblut war zu schwach, nicht nahhaft genug und es dauerte zu lange. Sie brauchten nun viel Blut. Für das was sie vor hatten und um ihre Wunden zu heilen, die das Feuer an ihnen zurückgelassen hatten.

Ohne einen weiteren Gedanken an das Leben des armen Brunos zu verschwenden, den sie als Sklaven frei gekauft hatten, der so viele Jahre treu ihnen gedient hatte, rissen sie seinen Hals auf und tranken jeden Tropfen, den dieser besaß, bis nichts mehr übrig war. Alles. Sein Leben.

Und jeden Tropfen davon investierten sie in ihre unmenschliche gottgleiche Kraft, um ihr großes Attentat zu vollziehen.

Wie Jahre zuvor präparierten sie ihre eigenen Hände. Wölbten die Haut am Handrücken auf, bildeten eine feste Kuhle.
Ihr Willen, ihr Blut floss gezielt in ihre Augen und als würden sie ein Getier zu einem Dienst aussenden, lösten sie sich selbst ihr linkes Auge aus der Höhle, samt Nervenstrunk, doch legten es zunächst vor sich ab.
Ihr Auge blickte auf Paolos Gesicht mit einer schwarzen Augenhöhle und das verbliebene Auge, das zurück starrte und das andere sah. Es war eine seltsame Wahrnehmung. Es war nicht das erste mal dass sie das taten, aber es würde das erste mal sein, dass es beide Augen treffen würden.

Zwei Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven überlappten sich und es bedurfte einiger Anstrengung und Konzentration den Inhalt beider auseinanderzufiltern, während sie versuchten sich auch das rechte Auge zu entfernen, doch es gelang nicht. Sie bekamen es nicht komplett gelöst und an seinem Strang hing es nun aus der Augenhöhle, bis es sich selbst losriss, als wäre es ein Wesen mit eigenem Willen. Toma knurrte für einen Moment auf vor Schmerz und ein dünner Rinnsaal Blut tropfte aus ihrer leeren Augenhöhle.

Das andere Auge sah zu und es war als wären sie wirklich kein Teil mehr dieses Körpers, auch wenn es ihrer war. Als würden sie von außerhalb zusehen. SIe waren nicht mehr an ein Sein und einen Ort gebunden. So wie sie stets den hölzernen Untergrund fühlen konnten, den ihre Finger spürten, auch wenn sie nichts griffen.

Sie fassten schließlich beide Augen jeweils in ihre Hände ein und beide blickten wieder gemeinsam in dieselbe Richtung, ein gemeinsames Bild bildete sich, vor ihren Fingern, während der Kopf blind war.

Schließlich umgriffen sie ihre beider Handgelenke jeweils mit dem anderen und lösten sie einander von ihrem Körper.
Sie waren frei und sie würden agieren, wie sie immer agieren konnten.

Wie auf Beinen tapsten sie auf ihren Fingern über den Tisch und sondierten den Raum. Drehen sich hierhin und dahin, sahen einander an und ihren Körper.
Sie waren so hilflos. Wenn sie jemand so fand. Wenn ihre Hände nicht bei ihnen waren. Sie könnten sich nicht wehren.

Als sie ihre Hände von Rinaldo wegbringen ließen, blieben sie verkrüppelt und hilflos zurück. Sie konnten hier wo sie waren nichts sehen, nichts hören, weil ihre Ohren immer noch verschlossen waren und das Blut zu kostbar um diesen Umstand zu beheben.
Sie konnten nichts fassen, sie würden nicht kämpfen können, wenn sie jemand überfiel.
Sie hatten einen guten, einen wichtigen, Teil ihres Körpers geopfert, um diesen letzten Versuch zu wagen. Es musste gelingen…

…doch das tat es nicht. Waren sie zu gierig gewesen. Nicht geduldig genug? Hätten sie warten müssen, bis sie ihm hätten folgen können, doch wer hätte garantiert, dass es dann anders gelaufen wäre? Dass sie nicht entdeckt worden wären von ihm oder anderen?
Sie hatten es versucht. Doch in einem waren sie zu gierig gewesen: Sie hatten Filip vernichten wollen, das wäre wichtig gewesen, doch sie hatten Benedetto gesehen und eine Chance gewittert. Eine einzige. Wenn sie ihn hätten vernichten könnten, dann wäre auch Filip kein Problem gewesen, dann hätten sie ihn daraus holen können. Aber sie hatten versagt….
…Blind, taub und fassungslos blieb Toma in ihrem Versteck auf dem Dachboden des kleinen Gasthauses zurück.
Die Wut über die Niederlage ließ sie wütend die Zähne fletschen und um sich schlagen, doch sie hatten nichts mehr zum Schlagen oder greifen. Nichts zum zerreißen und zerschmettern.
Ihre Hände und Augen würden sich nicht augenblicklich regenerieren und sie waren immer noch verletzt. Sie waren geschunden, verwundet, bloßgestellt...
Nichts hatten sie erreicht, außer noch mehr auf sich aufmerksam zu machen.
Sie mussten nun fliehen. Bevor sie hier gefunden wurden.

Nichts war ihnen mehr geblieben. Ihr Haus in Domus: Das Heim ihrer ersten Ghulfamilie. Das A Tarda Ora: Das Erbe ihrer Schwester. Ihre Kunst: Martha, Ursii, Cerb, Gandac, die Spinnen...so lange war das alles her. Und nun auch kein Gasthaus, kein Stall mehr...Bruno, Rinaldo...tot...Filip...verloren und mit ihm ihre Geheimnisse offen gelegt. Eine Schande, eine Schmach...nichts hatten sie erreicht, nur alles verloren. Amt und Würde…Potential...wofür? Wofür? Für die Gier, den falschen Stolz, für eine Rache, die nicht sein musste, für Größenwahn...
Wenn sie denn überlebten, hätten sie viel Zeit zu überdenken, was sie getan hatten. Vielleicht noch einen anderen Weg zu finden...
Sie sahen nichts mehr von dem Ort, den sie verließen, von ihrer neuen Heimat. Sie hörten nichts. Sie schwebten in einer Dunkelheit die anders war als die zuvor, die ewige Dunkelheit…Diese hier war nicht völlig leer. Sie fühlten sie noch. Diese Welt und würden sie immer fühlen. Wie ein Teil von sich. Hier und überall. Immerdar.
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