Und brennen sollen alle Sünder (Titus)

[Sousanna]

Es war eine Nacht der in der sie ihrer brennenden Neugier nachgehen würde... Eine weitere Nacht, in der es galt ein paar der Geheimnisse dieser Stadt zu enthüllen und vielleicht einmal mehr böse auf die Nase zu fallen. Doch Mysterien hatten sie schon immer zu sehr angezogen - vor allem die risikoreichen. Und heute war eines dran, das ihr unwahrscheinlichen Ärger bringen konnte. Darum war es besser, wenn sie es zuerst fand. Von Dingen, die man zuerst fand, konnte man auch nicht überrascht werden. Und Überraschungen waren im Leben der Ravnos nur sehr selten gut gewesen. - Außerdem gab es sehr triftige Gründe dafür, diese spezielle Absonderlichkeit frühzeitig kennen zu lernen, bevor die Absonderlichkeit auf sie durch eine Art und Weise aufmerksam werden wurde, die bestimmt nicht gut für ihr Gesundheit sein würde.

So streifte Sousanna mit ruhigem Blick durch Genuas Straßen. Von einer Kirche zur anderen. Gemessenen Schrittes wanderte die junge Frau durch die Straßen. Dieses Mal bedacht niemanden anzurempeln, keinen Blickkontakt aufzunehmen und sich in jeder Hinsicht wie eine sittsame junge Frau zu benehmen. Um diese Maskerade aufrecht zu erhalten, trug sie ein schlichtes Kleid, das ihre Vorzüge kaum betonte... ein schreckliches, kratziges Ding, in dem sie sich fühlte wie eine alte Jungfer. Aber was tat man nicht alles für einen kleinen Gefallen einer neuen Freundin gegenüber? Und natürlich aus unbändiger Neugier. Dass es einen solchen Krieger überhaupt gab, dass er tatsächlich so fanatisch war im Glauben und seiner Verteidigung - und dass es sich dabei auch noch um einen Blutsauger handelte, das machte sie tatsächlich sehr neugierig. Auf ein solch kurioses Wesen musste man einfach einen Blick werfen.

Dieser bedrohlichen Attraktion zuliebe hatte sie sogar das lange, dunkle Haar streng zusammengeflochten und es auf ein zwar immer noch sehr hübsche, aber dennoch äußerst anständige Art mit einem Tuch bedeckt. Was sie bisher gehört hatte, war ihm sogar das wichtig. Doch was man wusste, konnte man vorbereiten... Hoffentlich gab es keine bösen Überraschungen, aber eigentlich vertraute sie in diesem Punkt ihrer Erziehung, ihrem schauspielerischen Geschick und darauf, dass dieser Krieger als guter Christ das Prinzip der Barmherzigkeit gegenüber den Schwachen achtete. Mit immer noch gesenktem Blick überquerte sie also einmal mehr eine der so unbekannten Straßen dieser Stadt. So schwer konnte sich ein solches Mannsbild doch nicht verstecken.

[Titus]

Vielleicht war es das sprichwörtliche Zigeunerglück oder vielleicht doch der Wille Gottes, dass sie in jener Nacht das Ziel ihrer Begierde zu Gesicht bekam. Es war eine recht milde Nacht kurz vor dem Sommer und so war auch des Nachts allerlei Volk auf den Straßen...kaum gottesfürchtig zu nennen, denn ein guter Christ schlief in der Nacht, um am nächsten Tag sein Tagwerk zu verrichten. Doch glaubten einige Menschen, dass in der Nacht die Augen Gottes verschlossen waren. Die Huren hatten sich in der Nähe des Hafens versammelt, um sich den trunkenen Matrosen anzubieten. Aus der ein oder anderen Schenke drang Musik und Gesang. Hier und da gab es eine Schlägerei, ein Raubüberfall...gar einen Mord.

Doch wo sucht man einen heiligen Krieger? Die Kirchen der Stadt schienen keine schlechte Idee zu sein, doch in Genua gab es ziemlich viele davon. Und doch gelang es Sousanna eine Gestalt auszumachen, die sich recht deutlich und auffällig von dem übrigen Volk abhob. Groß gewachsen...größer als die meisten Männer und mit breiten Schultern. Sousanna erkannte sie nur von hinten und auch nur, weil sie sich an die Dunkelheit des Nachts gewöhnt hatte. Der Mann trug ein großes Schwert auf den Rücken geschnallt. Der Griff des Schwert schien im Mondlicht golden zu schimmern und im Knauf war offenbar ein Edelstein eingelassen.

Doch der Grund, warum Sousanna auf ihn aufmerksam wurde war, dass das nächtliches Volk dem Krieger aus dem Weg ging. Sie drückten sich in Hauseingänge oder bogen in dunkle Gassen ab, nur um dem Mann nicht zu begegnen. Jene, die mutig waren oder nichts zu befürchten passierten ihn jedoch auch mit einem größeren Abstand. Sousanna konnte erkennen, dass er einen Mantel mit Kapuze trug. Die Kapuze hatte er tief in sein Gesicht gezogen. Die Schritte des Kriegers führten offenbar in Richtung des Stadtteils Mascharana in südöstlicher Richtung

[Sousanna]

Eine beeindruckende Gestalt. Natürlich hatte sie Caterinas Darstellung Glauben geschenkt, doch wieder einmal war das Werk des Herrn bedeutend furchteinflössender als es der menschliche Geist sich auszumalen vermochte... Dumm nur, wenn man die natürliche Furcht vor all den gefährlichen Dingen verlor, sobald sie ebenso wundersam wurden wie lebensgefährlich. Doch in diesem Fall warnte sie etwas. Dieser Mann würde mit Vorsicht zu genießen sein. Ein einziger Fehler, ein winziger Verstoß gegen seinen unverständlichen Kodex und Sousannas Kopf würde vom Körper getrennt sein - wenn nicht sogar Schlimmeres.

So hielt auch sie den offensichtlich allgemein bekannten und geschätzten Abstand ein. Blieb lediglich eine Frau in der Menge, die zufällig in die selbe Richtung musste, wie der Krieger. Zunächst wollte sie nur eine Beobachtung. Wollte sehen wohin es ihn verschlug - und ob er wirklich so ohne Sünde war, wie man ihr berichtet hatte. Mit gesenktem Kopf versank sie also in der Menge. Zwar wirkte er nicht so, als müsste er sich über geheime Verfolger Gedanken machen, doch es wäre mit Sicherheit keine gute Basis für ein Aufeinandertreffen.

[Titus]

Je weiter sie sich vom Hafen entfernten, desto weniger Volk war auf den Straßen. Und es wurde schwieriger in der Menge unterzuauchen, weil irgendwann keine Menge mehr da waren. Nur hin und wieder eine flüchtige und scheue Gestalt, die sich beeilte das sichere Heim zu erreichen, bis schließlich keiner mehr auf der Straße war, außer Titus, der seinen Weg unbeirrt fortsetzte, und der jungerscheinenden Frau, die ihm folgte.

Wahrnehmung + Aufmerksamkeit [dice seed=4718 secure=f88d8737_0]5d10[/dice]

Titus trat auf den Platz, der sich vor der Kirche Santa Maria ersteckte, und ging auf das Gotteshaus zu. Seine Schritte verlangsamten sich und er blieb gut 10 Schritte vor dem Eingang zur Kirche stehen. Er hob seinen Kopf und schob die Kapuze etwas weiter zurück, um die Kirche zu betrachten. Dabei musste Sousanna bemerken, dass seinem Gesicht jedwede Farbe des Lebens abhanden gekommen war. In dem bleichen Mondlicht schien das Gesicht fast weiß.

[Sousanna]

Da nun das Versteckspiel endgültig seinen Sinn verloren hatte, brauchte Sousanna eine andere Strategie. Es wirkte zumindest so als würde er darüber nachdenken, dieses Gotteshaus zu betreten, wieso sich nicht also selbst in ein wenig Frömmigkeit üben?

So näherte sie sich dem Krieger langsam, vorsichtig und immer noch auf einen gewissen Sicherheitsabstand bedacht, um auf keinen Fall im Weg umzugehen oder diese blasse Gestalt in irgendeiner Weise zu stören. Nur kurz, als sie auf gleicher Höhe mit ihm war, traf ihn der Blick der jungen Ravnos. Vielleicht war da eine kurze Neugierde in ihrem Blick. Möglicherweise ob der Bewaffnung, vielleicht auch wegen der ungewöhnlich hellen Haut. Bestimmt aber kein Blick, den er nicht schon einmal gespürt hatte... Doch dann hatte sie das Portal der heiligen Stätte erreicht und war hinein gehuscht.

[Titus]

Titus hatte die junge Frau schon vorher bemerkt und als sie in einem gewissen Abstand an ihm vorrüber ging, hefteten sich eine Augen an ihre Gestalt und begegnete ihrem Blick. In seiner grimmigen Miene war eine unausgesprochene Warnung deutlich zu erkennen, doch als die junge Frau die Kirche betrat folgte der Krieger ihr nicht gleich. Seine Gesichtsausdruck glätte sich ein wenig, auch wenn die gerunzelte Stirn bestehen blieb.

Nachdem die Frau aus seinem Blickfeld verschwunden war, sah er sich auf dem Platz um, auf dem jedoch keine Menschenseele zu sehen war. Dann schließlich ging er auf die Kirche zu öffnete das Tor und betrat sie. Seine Augen suchten die junge Frau und er würde dort stehen bleiben, bis er sie erspäht hatte.

[Sousanna]

Als sich Sousannas Augen an das Zwielicht der Kirche gewöhnt hatten, hatte sie sich bekreuzigt und war zu einer der Bänke gegangen, um kniend und mit gesenktem Kopf ein Gebet zu beginnen. Es war schon lange her, dass sie so etwas getan hatte und anfangs fiel es ihr ein wenig schwer sich an die richtige Abfolge der Worte zu erinnern. Doch mit den ersten Sätzen kamen ihre Erinnerungen zurück und eine lebenslang eingeübte Routine übernahm die Führung.

Eigentlich hatte das Ganze etwas sehr beruhigendes an sich, dachte sie. Doch während sie so vor sich hin murmelnd verharrte, waren ihre Ohren gespitzt wie die einer Raubkatze. Sie war gespannt, ob er ihr folgte - und wenn ja, wie viel Aufmerksamkeit er ihr schenken würde.

[Titus]

Titus bekreuzigte sich und schritt vorran, an der Bank vorbei die Sousanna gewählt hatte, auf den Altar zu um dort zu beten. Das Kettenhemd, das er trug rasselte bei jedem Schritt leise. Er schnallte das Schwert von seinem Rücken, und legte es rechts neben sich, als er vor dem Altar niederkniete. Mit beiden Händen zog er den Rosenkranz, den er um den Hals trug, über den Kopf und küsste das silberne Kreuz, das daran hing. Mit murmelnden, aber gut verständlichen Worten intonierte er das Ave Maria und schien sich in das Gebet zu vertiefen.

Es war nicht deutlich spürbar oder sichtbar, doch etwas veränderte sich in der Wirkung des Kriegers, was auch die Art und weise, wie er betete beeinflusste. Wirkte er vorher bedrohlich, grimmig und abweisend, so kniete hier ein wahrer Gläubiger, von Ehrfurcht ergriffen und demütig, wie ein kleiner Sohn, der nach einer Missetat reumütig unter die Augen der gestrengen Mutter trat.

[Sousanna]

Es hatte Zeiten gegeben, da hätte sie eine solche Frömmigkeit gerne ebenfalls besessen. Kurz wanderte ihr Blick zu ihm nach vorne und musterte den Mann mit ehrlicher Bewunderung. Einen solchen Glauben oder Halt im Unleben hätte sie gerne gehabt. Doch nur kurz und während dessen formten ihre Lippen weiter die Formeln des Rosenkranzes.

"Qui pro nobis crucifixus e... Mater Dei, ora pro nobis..." Ihre Stimme war leise. Ein kaum hörbares Wispern. Es klang und wirkte so als würde sie es kaum wagen, ihr Wort an die Gottesmutter, geschweige denn den König der König, zu richten. "peccatoribus, nunc, et in hora mortis nostrae..." Der Kopf war demütig gesenkt, der Blick scheu. Es war noch nicht einmal gespielt. Solche Umgebungen ließen sie durchaus ehrfürchtig werden.

[Titus]

"Amen"

Damit beendete er sein Gebet. Bekreuzigte sich und erhob sich von seinen Knien und hob dabei sein Schwert vom Boden auf. Er küsste nochmals das silberne Kreuz an seinem Rosenkranz und legte ihn wieder um den Hals zurück. Schließich drehte er dem Altar den Rücken zu und betrachtete Sousanna stumm und wartend.