Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

[Januar '17]
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Titus
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Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Titus »

Die Kälte des Winters hatte die Stadt Genua fest im Griff. Die langen Nächte und kurzen Tage trieben die Menschen in ihre Häuser und des Nachts waren die Straßen fast ausgestorben. Eine weiße Schneedecke hatte sich wie ein Leichentuch über die Dächer und Straßen der Stadt gelegt. Titus war gekleidet in Kettenhemd über dicker Wolle und einem warmen Wollmantel mit Kapuze. Das Schwert hatte er wie immer auf seinen Rücken geschnallt und so stapfte er auf der Straße von der Porta Serravalle an der nördlichen Stadtmauer entlang auf die Porta Soprana zu. Es hatte wieder angefeangen zu schneien und kleine Flocken verfingen sich in der groben schwarzen Wolle seines Mantels.

Der kleine Handelsposten am Tor der Stadt auf der Grenze zwischen Borglio und Ravecca war mit einer kleinen Mauer befestigt und die Fußspuren, die dahin führten, verrieten Titus, dass seine Gastgeberin für die heutig Nacht schon anwesend war. Er betrachtete das Gebäude eine Weile stumm und aufmerksam, so wie die nähere Umgebung. Dann machte er sich auf zu dem Eingang des Handelsposten und machte auf sich aufmerksam.
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Melissa
Tzimisce
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Melissa »

Es war Titus weder schwer gefallen, das ummauerte Gebiet zu finden, noch Melissens Einfluss im Viertel zu spüren, kaum dass er die Grenze zu Broglio überschritten hatte. Die Strata Romana zog sich durch die nördlichen Viertel der Stadt, in sicherer Entfernung zu Clavica, und an ihrem Ende befand sich dieser Handelsposten.
Eine Straße, die ab dieser ominösen, unter dem Schnee vollständig unsichtbaren, Grenze patrouliert wurde. Bereits direkt am Übergang zu Domus begegnete ihm ein Vier-Mann Trupp Bewaffneter, der ihn zwar beäugte, aber einstimmig beschloss, ihn passieren zu lassen. Niemand lungerte auf der tagsüber dick belegten Straße herum, niemand trank auf offener Straße oder belästigte Durchreisende. Selbst aus den Gasthäusern kam verhaltener, fast friedlicher, Lärm.
Alles war hübsch ordentlich.

So auch der Handelsposten, der tatsächlich nur eine Sammlung von Gasthäusern und Lagerhäusern waren, die mit einer etwa sieben Fuß hohen Steinmauer umgeben worden waren, die von der Strata Romana zerteilt worden war. Der Boden war steinhart gefroren, aber trotzdem vom Tagesgeschäft zerwühlt. Aus allen Gasthäusern drangen die Geräusche von gutem Besuch über den schmalen Platz.

Auch hier befanden sich Wachen - identisch gekleidet wie die vier an der Grenze nach Domus -, einer von ihnen allerdings trug den blutigen Fetzen am Speer, der ihn als einen der Capi auswies. Er stand zur Seite eines der Gasthäuser, an einer kleinen Gasse, und winkte. Je drei seiner Männer standen an den Löchern in der Mauer, die den ordnungsgemäßen Durchlauf der Handelsstraße gewährleisteten. Neben ihm stand nur ein weiterer Adjutant, den er aber fortschickte, sobald er den Nekromanten erspäht hatte.

Der Capo stellte sich als ein gewisser 'Echion' vor, verneigte sich tief vor dem Kainskind und hieß ihn 'Im Namen des roten Drachen' in Broglio willkommen. Seine Herrin, erklärte er, erwartete ihn in der Werkstatt. Eines der stillen Nebengebäude in der Ecke des Postens, abseits der Gasthäuser. Dort sei genug Ruhe und Privatheit.
Eine Werkstatt für Wagen wohl und allerlei anderes Fuhrwerk, das hier für die Gäste des Hofes repariert wurde.
Es war ein kleiner Tisch dort bereit gestellt, auf dem eine einzelne Öllampe brannte. Davor auf jeder Seite ein schlichter Stuhl ohne Lehnen, mit eine Sitzfläche aus geflochtenem Schilfrohr.
Melissa befand sich bereits dort, ebenso wie - etwas abseits - ihre Schatten, ihre Leibwachen, ohne die sie seit Monaten schon nicht mehr gesehen worden war.

Die Stimung in der Werkstatt war gespenstisch. Ruhig gelegen, völlig abgeschottet vom restlichen Hof, drang kein anderes Geräusch als diejenige, die Titus selbst hinein trug. Melissa atmete nicht, regte sich nicht einmal. Ihre Schatten standen stumm und starr, ihr Atem ein einzelnes Geräusch, das sich vollkommen gleichmäßig, vollkommen gleichförmig und gleichzeitig vollzog.
Die Tzimisce erhob sich, als sie Titus' gewahr wurde, und lächelte.
La famiglia é il nido dell'uomo.
- Giovanni Faldella
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Titus
Kappadozianer
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Titus »

Als Titus die Werkstatt betrat und der anwesenden Personen gewahr wurde zögerte er kurz in seinen Bewegungen. Sein Blick glitt über die Leibwächter, einem nach dem anderen, und dann zu Melissa. Ein kurzes aufflackerndes Misstrauen war in den Augen des Kappadozianers zu sehen. Doch dann ging er auf den Tisch zu, andem Melissa eben noch gesessen hatte, schlug die Kapuze zurück und nickte ihr zu.

"Gott zum Gruße, Melissa. Danke dass Ihr mich empfangt."

Die tiefe Stimme klang respektvoll und höflich. Das bleiche Gesicht war ohne jedes Anzeichen von Leben.
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Melissa
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Melissa »

"Titus", sagte sie schlicht.
Auch sie nickte ihm zu, ohne viel Wärme, ohne große Bewegung oder Zärtlichkeit. Sie bewegte sich weniger, als sie es in der Öffentlichkeit tat. Sie bemühte sich nicht länger zu atmen, sich durch die Haare zu streichen oder lose Strähnen zu bändigen. Nichts an ihr erweckte mehr den Eindruck der jungen Sterblichen, die sie am Hof gespielt hatte oder vorher noch.
Sie war ein Leichnam, der die Lebenden imitierte, solange er unter ihnen weilte.

Die Tzimisce deutete auf den Stuhl, zwang ihren Lippen ein Lächeln ab.
"Wie schön, dass ihr es geschafft habt. Bitte, setzt euch."
Sie setzte sich ihm gegenüber, strich ihren Rock glatt und faltete die Hände im Schoß. Ihre Haltung war strikt, diszipliniert. Das Resultat eines strengen Vaters mit einem Rohrstock.
Sie ignorierte die Männer, die sich am Rand des Schattens nicht bewegten, die einfach nur existierten. Die atmeten im immer gleichen, monotonen Rhythmus, alle gleichzeitig, die sich zur selben Zeit auf einen anderen Fuß verlagerten, die die gleiche Haltung hatten, die gleiche Art, die Finger um ihre Gürtel zu legen, die sich auf die gleiche Weise über die Köpfe der Vampire hinweg anblickten, mit den gleichen Bewegungen ihre Schultern lockerten - als wären es nicht drei Männer sondern einer.

"Es hat euch niemand belästigt, hoffe ich?, fragte Melissa, höflich, etwas distanziert. Eine ganz allgemeine Frage, Teil einer Plauderei, ehe sie mit dem Geschäftlichen vorfuhr.
"Ich bemühe mich stets, meinen Gästen entgegen zu kommen und in meinem Gebiet für Ordnung zu sorgen. Es wäre unerträglich für mich, wenn Ihr meiner Einladung wegen Umstände hättet auf euch nehmen müssen."
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- Giovanni Faldella
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Titus
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Titus »

mit einer kurzen Handbewegung löste er den Verschluss, der sein Schwert auf seinem Rücken befestigte. Dieses lehnte er an den Stuhl, der ihm zugewiesen war und setzte sich schließlich auf diesen. Das Holz ächzte und knarzte als das Gewicht des Kappadozianers samt Kettenrüstung das Material strapazierte. Sein Gesicht, dass auf Grund der Eigenart der Kappadozianer wie tot wirkte, war ernst, aber ansonsten Ausdruckslos. Freundlichkeit oder gar Warmherzigkeit suchte man vergebens.

"Nein, es hat niemand gewagt, mich zu belästigen. Der Schnee und die Kälte treibt die Leute auch eher an ihre warmen Herdfeuer. Der sehr veehrte Benedetto entsendet Euch durch mich seine Grüße."
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Melissa
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Melissa »

Die Tzimisce neigte anerkennend den Kopf, nahm die Grüße entgegen.
"Ich danke euch für seine Grüße. Bitte, entsendet ihm meine besten Wünsche. Ich hoffe, dass sich diese kleine Unannehmlichkeit seitens der See der Schatten bald zu seinen Gunsten wendet", log sie ohne einen Augenblick zu zögern.
Sie hob sogleich die Hand, lächelte entschuldigend. Wie um das Gespräch gar nicht erst über hohle Phrasen hinaus auf dieses Thema zu lenken.
"Es freut mich natürlich zu hören. Dennoch: Einige Dutzend Übeltäter machen noch immer mein Viertel unsicher. Es ist schwer, sie alle in den Griff zu bekommen angesichts der Umstände. Vor allem ohne Alerio."
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Titus
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Titus »

Titus nickte, ob er die Lüge bemerkt hatte oder nicht schien sich in seinem Gesicht nicht ablesen zu lassen.

"Ich hörte von den Zuständen, vor allem im Grenzgebiet zwischen Borglio und Clavicula scheint es besonders schlimm zu sein. Es ist unerträglich, dass die guten Christen der Stadt dort um Leib und Leben fürchten müssen, weil Sünde und Verbrechen dort nicht einhalt geboten wird."
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Melissa
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Melissa »

Das Gesicht der Tzimice nahm den gleichen ausdruckslosen Ausdruck an, wie ihn Titus besaß. Ihre Stimme wurde monoton.
"Das Gebiet jenseits der Römerstraße liegt ebenso jenseits meiner Zuständigkeit. Wie mir erklärt wurde, besitzt die sogenannte Geißel der Domäne dort das alleinige Jagdrecht und die Übersicht über die Herde ihrer Majestät. Fragt die Ketzerinnen, warum dort Christen sterben, nicht mich."
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Titus
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Titus »

Titus nickte.

"Dann werde ich das tun."

Nach einer kurzen Pause erhob er wieder das Wort.

"Doch aus welchem Grund, habt Ihr mich hier her zu Euch eingeladen? Worüber wollt Ihr mit mir sprechen?"

Vielleicht hätte ein gesellschaftlich Bewanderter noch weiter ein bisschen höflichen Plausch gehalten, doch so war Titus nicht und ging zum eigentlichen Punkt des Abends über, auch wenn er mit einer gewissen Höflichkeit in seiner Stimme sprach.
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Melissa
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Re: Pflege alter Bekanntschaften[Melissa]

Beitrag von Melissa »

"Ich möchte eure Gründe dafür erfahren, dass Ihr uns auf dem Hof bis auf die Knochen blamiert und beleidigt habt", sagte Melissa. Ihre Stimme bewahrte sich ebenso ein Maß an Höflichkeit. Ein gefährliches Maß an Höflichkeit und Freundlichkeit, unter dem sie angespannt war wie eine Armbrustsehne.

"Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, hattet Ihr behauptet Teil derjenigen Gruppe zu sein, die euer Erstgeborener ins Leben gerufen hat, um 'Mord, Korruption und Amtsmissbrauch' durch die Könige zu lindern.
Und dennoch muss ich dabei zusehen, wie ihr für die Freisetzung eines gedungenen Schergen der Könige stimmt. Spart euch die Ausreden, ich habe gesehen, wie Ferrucio die schwarze Kugel hinein tat. Es war eure Stimme, die ihm das Leben schenkte und all den Opfern und den Lügen Acacias in dieser Nacht Wahrheit verlieh. Ohne eure Stimme wäre es alles umsonst gewesen, hätte Acacia nicht nur Verbündete verloren, sondern auch noch sinnlos geopfert.
Trotz eurer Aufrichtigkeit muss ich dabei zu sehen, wie ihr euch von den Königen zu einem Tumult anstacheln lasst, um die Wahrheit zugunsten von Ehre zu verleugnen und unsere Sache vor dem versammelten Hof angreift. Wie der Seneschall und ihre Majestät neben Ferrucio auch euch zurecht weisen muss. Ferrucio...Ferrucio kann ich verstehen. Der Mann ist wahnsinnig, das Blut Gottes rauscht in seinen Ohren und geißtelt ihn bisweilen in Ekstase und ganz nebenbei verträgt er sich nicht gut mit Maximinianus, wie ich von ihm gehört habe.
Aber ihr? Warum fallt ihr uns in den Rücken?"


Auspex 2
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