Diokletiwer? [Angelique]

[Maria Penthesilea]

Die Worte des Ahnen hallten in Maria Penthesileas Geist nach. "Diokletians Jäger der Christenheit." Sie runzelte die Stirn. Irgendwo darin war eine Beleidigung versteckt, etwas Undenkbares, ein schwerer Vorwurf. Sie rieb sich die Nasenwurzel. Es ergab keinen Sinn. Sie musste mehr lernen.

Und so kam es, dass ein junger Mann aus Broglio Roger aufsuchte, mit der Bitte der Geißel: Man wünsche, Angelique zu sprechen. Beim Hof seien gewisse Anschuldigungen gefallen, die der Kult nicht begriffen habe - ja, in dem wenigen, was sie daraus verstanden hätten, sogar recht widersinnig fand - und man hoffe, Angelique könne ein wenig Licht in das Dunkel bringen.

Schließlich hatte sie ja bereits einiges über den Kult gelernt - und sie schien bewandert in den Wegen des Glaubens.

So es Angelique recht sei, würde sie der Kult in drei Nächten im Zentrum Broglios erwarten. Matteo, der besagte junge Mann, ein ehemaliger Straßenjunge, würde sie am Rand des Sestieri empfangen und zum Treffpunkt führen.

[Angelique]

Angelique kam der Aufforderung der frisch ernannten Geißel natürlich sofort nach. Ab und an strich sie über das ungewohnte Pektoral aus Holz und Leder, auf welches Roger bestanden hatte und das sie brav über Brust und Rücken unter der Kleidung trug. Viel unbequemer war das Dornenhalsband, dass sie zudem trug. Aber frühere Begegnungen mit dem Kult endeten mit Pfeilen in ihrem Herzen oder Zähnen geliebter Wesen in ihrem Hals.

Sie vertraute den Nonnen zwar, da sie sie wohl bewahrten, als eben diese Ränke Angelique in den Topor gebracht hatten, aber so verrückt war sie nun auch nicht.

Das Halsband machte ihre Jagd manchmal leichter, hielt manch menschliches Raubtier sie durch dieses Sklavenzeichen doch fälschlich für eine läufige, anstatt für ein tollwütig bissige Hündin.

So folgte sie nun dem Boten zum Treffpunkt und wartete gespannt.

[Maria Penthesilea]

In einem der Hinterhöfe, der erstaunlich frei von Gesindel war, warteten bereits drei Frauen auf Angelique. Zwei von ihnen trugen Nonnentracht, die dritte - eine Südländerin - nur die übliche Kleidung einer Städterin. Maria Penthesilea, Maria Polemusa und Asifa.

Maria Penthesilea trat vor, als die kleine Malkavianerin den Hof betrat und nickte ihr freundlich zu. "Jägerin", sagte sie. "Wir sind froh - dass du gekommen bist." Sie wies auf einige Kisten in der Ecke. "Setz dich." Sie selber blieb stehen, aber Maria Polemusa nahm Platz und lächelte Angelique freundlich an. Asifa hingegen positionierte sich am Eingang des Hinterhofs. Hielt mit ernstem Gesicht Wache.

[Angelique]

"Wohlwerte Geißeln", antworte sie höflichst sich verbeugend und setzte sich. "Wie kann Euch behilflich sein?"

[Maria Penthesilea]

"Der Prozess", sagte Maria Penthesilea, offenbar ebenso gewillt, rasch zur Sache zu kommen. "Was auch immer sonst passiert ist: Der alte Jäger. Er hat uns angegriffen. Aber wir verstehen nicht, wie." Sie schwieg für einen Moment. Dann schaute sie Angelique direkt an. "Artemis, ja. Wir kennen Artemis. Aber wer ist... Diokletian?"

[Angelique]

3 Erfolge Int+Akademisches Wissen. 2 Erfolge Int+Theologie. 4 Erfolge Int+Okkultismus

Angelique lächelte. "Diese Frage habe ich mir selbst nach dem... Ereignis gestellt und schon mein Halbwissen disbezüglich durch Studium alter Schriften aufgefrischt.
Diokletian ist ein römischer Kaiser gewesen, der mächtigste, sagt man, nach einer langen Krise des Reichs.

Er selbst aber war der schlimmste Verfolger der Christen nach der Bestie Nero, glaubt man Eusebius und Lactantius. Er erließ ein unbarmherziges Verfolgungsedikt, riss Kirchen ein,verbrannte heilige Schriften, und ließ hinrichten, wer immer ihm nicht als Gott opferte.

Ich fürchte mein Klan trägt Mitschuld an diesen Geschehnissen, war der Kaiser doch großer Freund der Weissagung durch Blutopfer. Auch im Feuertod, den er für die Verfolgten verhängte, kann man Kampf unter Kindern Kains im Hintergrund vermuten. Viele werden Blutjäger als Häscher der alten Religionen gewesen sein, als die Unsrigen sich wie Aurore heute ja auch als Götzen anbeten ließen.

Die Ähnlichkeit solcher übernatürlichen Häscher mit Euch als treue Jägerinnen der Prinzeps legt die Analogie nahe.
Eine tödliche Beleidigung in einer christlichen Gesellschaft, seid Euch dessen gewiss, selbst wenn es an der Herrin abprallt und herabfließt wie Jauche an einer Mamorstatue."

[Maria Penthesilea]

Maria Penthesilea dachte eine Weile über diese Offenbarung nach. Maria Polemusa war ernster geworden und schaute zu Boden. Asifa hielt weiterhin stoisch Wache.

"Eine seltsame Beleidigung", sagte die oberste Jägerin schließlich. "Was soll sie sagen? Dass wir die Schwachen jagen? Das wäre beleidigend. Wir jagen würdige Beute. Wir ehren die Jagd. Aber töten... für den Glauben? Das ist Zivilisation. Das ist nicht unser Weg."

Maria Polemusa murmelte leise etwas. Es klang wie ein Gebet. "...gab es den Kult", verstand Angelique nur.

Ihre Glaubensschwester warf ihr einen kurzen Blick zu und Polemusa verstummte. Dann blickte Penthesilea wieder auf Angelique. "Nun höre. Wir glauben: Die Jagd hat viele Gesichter. Einst das Gesicht der Artemis. Dann der Diana. Nun des Hubertus. Sie ist Wahrheit - und Wahrheit kehrt immer wieder."

Sie runzelte die Stirn. "Das Gesicht mag ihr Form geben." Sie wies auf ihre Kleidung. "Schutz. Symbole. Aber das Gesicht ändert nie das Wesen. Das Wesen der Jagd ist die Jagd. Würdige Beute. Respekt vor der Beute. Verstehst du?"

[Angelique]

Angelique seufzte. "Ja, das verstehe ich nur zu gut. Mit jedem Buch, mit jeder Schriftrolle, die ich lese, erkenne ich immer mehr, das wir nur Teile der Sophia sehen und dass Sterbliche sie oft missdeuten. Universelle Wahrheiten haben viele Gesichter und in vielen Zungen viele Namen.

Das, was du meinst, hätten die Alten ein Prinzip genannt. Selbst die Alten nannten dasselbe mit vielen Namen und manches umschrieben sie nur. Du, dein Kult, ihr sprecht Weisheiten aus. Der Wolf und der Bär jagen, weil GOtt es ihnen so bestimmt hat. Wir jagen, weil GOtt es uns so bestimmt hat. Deshalb ist der Bär das Symboltier des Kain."

[Maria Penthesilea]

"Ein... Prinzip?" Die Nonne dachte einen Moment nach. Dann nickte sie, als Angelique weitersprach. "Ja! Die Jagd endet nie. Du beginnst zu verstehen." Sie wirkte beinahe mütterlich stolz auf die kleine Malkavianerin. Dann beugte sie sich vor. "Der Bär ist... was?"

Mit einem Grinsen richtete sie sich auf. "Ha. Du musst uns begleiten. Bei Gelegenheit. Vor die Stadttore. Da können wir dir etwas zeigen. Ein... kleines Geheimnis." Auch Maria Polemusa grinste. "Oder ein großes. Je nachdem."

Dann wurde Maria Penthesilea wieder ernst. "Sag... Angelique. Alerio war unser Schüler. Und wir wissen: Dein Freund. Was denkst du - vom Prozess?"

[Angelique]

Sie runzelte die Stirn und ihr Gesichtchen verzog sich etwas.

"Ich bin nicht gut in Politik, noch bin ich ein Kritiker von Bühnenstücken. Einzig um des Brimirs Leben und Wohl kümmert es mich.

Ich hatte gesehen, das Verrat seines Nächsten Alerio ermordet hatte. Trotzdem war es wie ein Hammer GOttes der mich traf, dass es ausgerechnet der Bruder im Blut gewesen war, für den Alerio Fürbitte leistete, als meine Art zu jagen, ihn Stück für Stück Ruin und Erkenntnis näher brachte. Hätte er mich nur gelassen! Er wäre noch am Leben! Kein griechischer Dramaturg hätte eine köstlichere Tragikomödie ersinnen können!"

Sie seufzte leise. "Ich achte der Prinzeps Entscheidungen. Leben soll er und sehen wie Sizilien fällt an Drachen, schwarze Löwen, Lilien und sogar Zauberer, die sein werden. Zusehen soll er, wie Totenbeschwörer seine Heimat vergiften. Und spüren soll er den Zusammenhalt und die Liebe seines Klans"