[Fluff] Christvampirkind [Angelique]

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Angelique
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[Fluff] Christvampirkind [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Ungesehen ging in der Nacht zu Weihnachten ein kleiner Geist in Genua um, ließ sich als Zaungast bei den Christmessen vom Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen das Herz brechen, schaute in reiche, wie arme Häuser zu den betenden Familien und stahl sich zu den Ärmsten, um kleine Geschenke zu hinterlassen.

Sicher, es war nicht Sankt Nikolaus und somit die Zeit der Geschenke, aber nach all den Jahren hatte sie nicht vergessen, dass einstmals ein kleines Baby namens Marie am selben Tag wie der Heiland geboren wurde und gnädigerweise nicht ersäuft worden war, wie es Sitte gewesen.
Sie hielt wie jedes Jahr Ausschau nach solchen bigotten Menschen, die diesem Tag dem HErrn vorbehalten sehen wollten und Neugeborene ermordeten in falschem Glauben, sie seien eine Beleidigung für GOtt.
Solche ausgesetzten Kinder rettete sie, wenn sie rechtzeitig kam und gab sie dem Waisenhaus des Sankt
Alerio in Obhut.

Schließlich, als die Glocken verklungen waren, ihre Geschenketasche leer und winterliche Stille Einzug hielt, da schlich sie zu Gaius Badehaus, schlüpfte durchs Windauge, ein kleines Geschenk zurückbehaltend, um es für ihn zu verstecken.

Da stand sie nun im dunklen Haus einsam und allein, als plötzlich Blenden von Lichtern langsam gehoben wurden und sanfter Schein Roger, Etienné und auch Gaius erleuchtete, die lächelnd gemeinsam ausriefen:

"Frohe Weihnacht und Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!"

Angeliques Lippen zitterten unkontrolliert, ihr Blick wurde blind vor roten Tränen und hemmungslos schluchzte sie, als sie den dreien in die Arme sank.
"I'm a mighty thesaurus! Rawr!"
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Angelique
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Re: Christvampirkind [Fluff]

Beitrag von Angelique »

Auch dieses Jahr litt Angelique still und unsichtbar vor den Türen der Kirchen und Kapellen, die sie ob der geballten psionischen Macht der gläubigen Massen nicht betreten konnte. Sie streifte durch die kalte Stadt an erleuchteten Fenstern vorüber, hörte die Lieder und das Lachen der Familien, aber konnte nicht verweilen, sondern musste immer weiterziehen. Kain, der ihr Ahnherr sein sollte, tat ihr unendlich leid. Sie erduldete dies nur hundert kurze Jahre lang, er dagegen seit Anbeginn der Menschheit.

Sie lernte immer mehr. Über die menschliche Geschichte, über die kainitische und je mehr sie lernte, desto verwirrter wurde sie. Das Gift solcher heidnische Teufel wie Avelina und Brimir begann zu wirken. Weihnachten war nur das Fest des Sol Invictus in Rom gewesen und die Vampire der Antike fürchteten das Licht und die Macht des Glaubens ohne Unterschied, obwohl es doch Heiden waren, die damals beteten.

Und Sol Invictus selbst war nur ein Synkretismus aus Sol Indigens und dem persischem Mitras, der wiederum seine Entsprechung in Horus, Balder, Svarog, Lugh und Apollo hatte. Und all das hatte sie in den wenigen kostbaren Abschriften echter, alter kainitischer Schriften auf Licht-Entitäten wie Ra und Utu zurückführen können, die älter waren als der Glaube des Volkes Israel. Und die, die sie immer Heiden nannte, glaubten an das Gute, an das Licht, so wie sie und jeder andere moderne Christenmensch, Jude oder Muselmane.

Sie zweifelte mit jedem verstreichenden Jahr, in dem sie belesener und weiser wurde, immer mehr - nicht an Gott, sondern daran, dass Gott so klein und nichtig sein sollte, nur ein mächtiger Gott des Himmels und des Donners, der in allen heidnischen Religionen zwar die Götterschar führte, aber nichts war gegen das, was am Anbeginn die Welt schuf.
Ihr Verehrung Gottes wurde immer größer, aber so auch ihre Fragen, die keine endgültigen Antworten kannten.

Also beschied sie sich, der unsichtbare Weihnachtsengel zu sein, Geschenke an die Ärmsten zu verteilen, unter Schmerzen Kerzen in vor Heiigkeit versengenden Wegschreinen zu entzünden und Sklavenkinder freizukaufen.

Erst in Rogers Turm, im Kreise ihre eigenen, schrecklichen Familie aus Berufsmördern, fand sie schließlich Geborgenheit.
Sie lächelte traurig und selig, als sie in den Todesschlaf des Morgens wegdämmerte, Roger ihr blutigen Tränen fortküsste und sie in ihre dunkle Gruft trug.
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Angelique
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Re: [Fluff] Christvampirkind [Angelique]

Beitrag von Angelique »

Irgendwie war es dieses Weihnachten anders. Sie fühlte sich befreit. Der Makel, zur Gesellschaft der Dämonen zu gehören, war von ihr genommen worden.
Gott hatte ihr durch die Gnade Aurores den Weg parallel zu den Dienern des Demiurgen gezeigt.

Sie war frei und sie wollte dieses Glücksgefühl teilen. Wie so oft verteilte sie heimlich Geldgeschenke, damit Kinder aus der Sklaverei oder den Bordellen befreit wurden, wie es der heilige Nikolaus von Myra vor ihr getan hatte.

Aber diesmal war es intensiver. Es war nichts Verbotenes mehr und auch keine Heuchelei mehr. In diesen ungewöhnlich kalten Dezembernächten war es, als befreite sie Teile ihrer gemarterten Seele mit jedem Silberpfennig, der Erlösung und Freiheit für ein unglückliches Kind brachte.

Angeliques die Autarkis konnte endlich so leben, wie sie es wollte und musste keine Kompromisse mehr machen, die sie Nacht für Nacht, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt einen kleinen Teil ihrer Integrität kosteten.

Das kleine, wahnsinnige Mädchen war glücklich. Freiheit hieß, nichts mehr verlieren zu können. Und Freiheit war das Ideal, das Malkav von ihr verlangte.

Als sie nach ihrer heimlichen Geschenketour wieder vom schneeumtosten Turm auf die Stadt hinabsah, konnte sie ohne Gewissensbisse rufen:
"Frohen Sankt Nikolaus, ihr wundervollen Sterblichen Genuas!"

Ihr feines Singstimmchen verhallte ungehört im heulenden Wind. Aber es war da, selbst wenn es keiner bemerkte. So wie Angelique die Autarkis auch da war. Ein kleiner, dunkler Stern der Hoffnung.
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