Auge um Auge [Angelique]

[Melissa]

Melissa betrachtete das Schauspiel mit einiger Skepsis, die Stirn gerunzelt, die Brauen zusammen gezogen.
Egal, wie oft sie das Mädchen dabei beobachtete, egal wie viele Prophezeiunegn sie ihr abverlangte - sie wurde nie schlau daraus, wie sie es anstellte. Oft genug nicht einmal aus den Prophezeiungen selbst.
¨Die Verehrung der Toten meinst du? Oder die...Nekromantie, die man seinesgleichen nachsagt?¨
Ihre Stimme war belegt, ruhig. Als fiele es ihr schwer, über solche Rätsel nachzudenken, und als schmerze ihr Kopf vom Versuch, Angeliques Orakelsprüche zu deuten.
¨Die Toten!¨, rief sie schließlich aus und ihre Miene erhellte sich. ¨Die Toten lenken ihn. Die toten Heiligen, deren Knochen wir verehren als Reliquien. Ich wusste doch, dass die Lebenden ihm gleichgültig sind.¨

Recht zufrieden mit ihrer - zweifellos falschen - Interpretation sank die Tzimisce wieder gegen das Chorgestühl hinter ihr.
¨Also ist es nicht er selbst, der sein Schicksal in der Hand hält, sondern andere Mächte führen ihn. Glaube an Gott und die Wahrhaftigkeit und das Vermächtnis der Toten. Ein kleiner Trost, aber immerhin ein Trost, dass er sich nicht völlig verloren hat.¨
¨Ich danke dir für deine Weisheit, Angelique.¨

[Angelique]

Zögernd streckte Angelique die Hand aus, wollte der so sehr ins Wanken geratenden Melissa Halt und Unterstüzung geben. Doch die Empore und die Chorschranke erinnerten sie sofort daran, wo ihr Platz war.

Wieder einmal beneidete sie die Drachin nicht um ihre hohe Stellung. Es musste einsam sein, dort oben. Und die Last der Herrschaft wog zentnerschwer auf der mächtigen Frau.

Hilflos meinte Angelique schließlich."Ich bin auf deiner Seite und helfe, wo ich nur kann."

[Melissa]

¨Es gibt Dinge, die kann keine Hilfe der Welt gerade rücken¨, sagte sie undeutlich. Sie schüttelte den Kopf.
Etwas versöhnlicher lächelnd fügte sie an:
¨Und es gibt Gesten, die kann kein Gold der Welt aufwiegen. Hab Dank für deine Worte sie bedeuten mir viel. Seit dem Hof scheint es fast, als hätte ich noch weniger Freunde. Und es waren damals schon nicht sehr viele zwischen dir, Alerio und Ferrucio.¨
Ihr Lächeln verdüsterte sich für einen Augenblick, sie sah zur Seite, zum Altar. Erinnerungen huschten über ihr Gesicht. Die letzten Worte, die sie mit Alerio gewechselt hatte. Bittere Worte des Zorns, der Enttäuschung, mit der sie ihn hatte verletzen wollen so wie sie verletzt worden war.
Dann schüttelte sie den Kopf, schob die Gedanken beiseite. Es waren ihre und würden ihre bleiben, auf ewig ihre Last und niemandes sonst. Sie wandte sich wieder der Malkavianerin zu.

¨Titus hat dem Gangrel auf dem Prozess das Leben geschenkt. Eine Entscheidung, die mir die nächsten Jahrzehnte sehr schwer machen wird und mich womöglich das Leben kosten wird. Eine Entscheidung, die den Königen erneut den Sieg geschenkt hat. Mehr als das. Vielleicht hast du gehört, was seitdem vorgefallen ist. Wenn nicht, weißt du es jetzt: Ich stellte ihn vor einiger Zeit zur Rede, was seine Gründe dafür waren. Er verweigerte die Antwort, erklärte er schulde nur Gott Rechenschaft und erschlug mich und drei meiner Diener. Er brach die Tradition der Domäne, verletzte mein Jagdgebiet, indem er meine Diener blutlos zurückließ, und floh - nicht ohne zu versuchen, mich zu verschleppen.

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich den Mann für einen Idioten halte. Ein Schwert, mit dem man auf Dinge einschlägt bis sie nicht länger Widerworte geben.Ein brutales, primitives Werkzeug, das seinem Nutzen treu bleibt.
Bislang hielt ich ihn aber weder für einen Saboteur noch für dumm genug, den Königen den Sieg zu schenken und weiterhin auf meine Unterstützung zu bestehen.
Oh, ich bin sicher, er wird andere Gründe dafür gefunden haben. Er sei der Wahrheit verpflichtet, nicht dem Ziel. Unsere Gruppierung erhalte ihren Auftrag in der Hingabe zu Gott und nicht dem Sieg, im Krieg müssen Opfer gebracht werden - all das. Aber ein Faktum bleibt: Er hat unser aller politisches Überleben seiner Eitelkeit geopfert. Die Könige kontrollieren abgesehen von Broglio vollständig die Stadt. Sie kontrollieren fast vollständig den Mondsenat. Durch Brimir kontrollieren sie vollständig die Liktoren, die damit betraut worden sind, die Vorwürfe gegen Benedetto und die anderen Ancillae zu untersuchen. Ich zweifle, dass sie Maximinianus und Godeoc viel nachweisen werden.¨

Während dieser anklagenden Worte war sie ruhig geblieben, hatte sich um Neutralität in ihrem Tonfall bemüht, hatte den Eindruck erweckt, sie selbst sei von diesen Vorgängen gar nicht so sehr geschädigt worden. Jetzt erst schlich sich kaum merklich, mit nur einem Hauch von Verschlagenheit, eine Unterstellung hinein in ihre Darlegung der Vorgänge und ihre Analyse der politischen Situation, die derjenigen Titus' auf der Versammlung der Aufrechten erstaunlich glich.
¨Wenn Glaube und Knochen ihn nun lenken...falls es die Worte von Heiligen sein sollen.So frage ich dich: Wer herrscht über ihn? Kann er selbst der Herr seiner Entscheidungen gewesen sein, die die Aufrechten allen Einflußes in der Domäne beraubte?¨

Manipulation+Ausflüchte (Spez.Überzeugen): Titus hat Melissa angefallen und wird manipuliert.
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[Angelique]

Angelique lauschte den Worten der Drachin. Die kleine Basiliskin war immer noch sehr naiv und glaubte gerne, dass sie in so wichtigen Angelegenheiten nicht angelogen wurde, befanden sie sich doch vor dem Altar des Herrn.

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Natürlich würde sie helfen wollen.
"Ich werde es versuchen, herauszufinden, wer ihn manipuliert. All diese Dinge klingen nicht nach ihm. Ihr müßt recht haben. Sicher flüstert ihm jemand dies ein und nutzt seinen reinen Glauben aus. Aber das bedarf Zeit. Das kann ich nicht eben mal hier aus dem Ärmel schütteln."

[Melissa]

Die Tzimisce hob abwehrend eine Hand,ihr Blick milde lächelnd.
¨Ich verlange nicht von dir, dass du mir auf der Stelle einen Schuldigen bringst. Ich habe meine eigenen Vermutungen und ich denke es gibt einige, die auch du sofort verdächtigen wirst. Die vormals schon, so heißt es, die Knochen Heiliger ausgenutzt haben.
Nein, es gibt wichtigere Dinge, als Rache. Wir dürfen uns nicht zersplittern. Wenn wir zulassen, dass Zwist zwischen uns herrscht, dass wir uns einer gegen den anderen wenden um unser selbst Willen - dann gewinnt, wer immer Titus von seinem Weg abzubringen versucht.¨

¨Einheit ist Stärke¨, fügte sie ihrem Plädoyer mit ernsten Blicken an. ¨Wir müssen diese Einheit schützen. Gegen Verrat und Missgunst.¨

[Angelique]

"Ich bin ein Musterbeispiel an Verschieben meiner Rache, nicht wahr? Um des lieben Friedens Willens ertrage ich das Unerträgliche wie eine Geschändete, die ihren Peiniger der Ehre wegen zu heiraten hat.

Der Brudermörder windet sich als gliedloser Torso nicht an Haken mit gerade genug Blut, um nicht in Topor zu verfallen, oder?

Angelique ist brav gewesen. Um der Einheit Willen reiße ich mir Nacht für Nacht den Cul auf. An mir liegt es nicht, wenn irgendwer aus Hoffart, Trägkeit oder Jähzorn und Neid das Bündnis schwächt."

[Melissa]

Die Tzim sce beugte sich vor, näher zu der Kette, die Angelique vom Chorgestühl und Melissa trennte. Ihre Stimme senkte sich gefährlich herab, fast zu einem Flehen. Ihre grünen Augen suchten die von Angelique. Fast sah es aus, als wollte sie die Malkavianerin berühren, ihr die Hand auf die Wange oder die Schulter legen.
¨Das meine ich nicht, Angelica. Strafe der Mörder - wie der Verräter - muss sein. Wir werden der Gerechtigkeit genüge tun, zweifle nicht daran.
Aber mir geht es um die Aufrechten. Wir dürfen nicht zulassen, dass Titus weiterhin manipuliert wird, gegen uns zu arbeiten. Und wir dürfen nicht zulassen, dass man mich vertreibt, denn ich bin die einzige mit verlässlichen Verbindungen in den Senat und Einfluß in der Stadt. Wer auch immer Titus zu diesen Dingen anhält, hat ganz offenbar im Sinn, den politischen Einfluß der Aufrechten zu kastrieren. Das dürfen wir nicht zulassen.¨

[Angelique]

Das untote Mädchen legte mit demselben vertrauensvollen und gleichzeitig verständnislosen Blick wie die treuen Hunde der Melissa den Kopf schräg. "Was soll ich tun, um zu helfen", fragte sie, selbst wenn Melissa für einen Moment eher ein freudiges Winseln erwartet hatte.

Aber wo war schon der Unterschied zwischen ihren Hunden und Angelique? Treue Kreaturen beide, die man lieben, aber auch benutzen konnte. So mussten die Könige die Welt um sich herum sehen.

[Melissa]

Die Tzimisce schien nicht zu bemerken, wie sie die Wahrheit vor sich verzerrte, wie sie ihr und dem Mädchen Gewalt antat. Vielleicht wusste sie nicht einmal, dass sie Angelique manipulierte. Vielleicht war dies ihr Fluch, der Fluch des Blutes, der sich bei anderen ihrer Art als Wahnsinn zu erkennen gab oder als abartige Hässlichkeit. Der selbe Fluch, der sie alles zerstören, pervertieren, einspinnen ließ, womit sie in Berührung kam.

"Sei an meiner Seite, wenn ich dich brauche. Weise Benedetto darauf hin, dass es Irrsinn ist, mich für die Verfehlungen Titus' zu bestrafen und wir uns nicht selbst zerfleischen dürfen. Denn sonst gewinnen die Könige."
Ihre Wort gruben sich wie Gift in den unschuldigen Geist der Malkavianerin, verdarben sie. Es waren keine Worte, die sofort ihre Wirkung erzielen würden. Aber sie waren wohl gesetzt und würden das Kind langsam und von Innen zerfressen, bis sie...tat, was die Matriarchin wünschte.
"Hilf mir, Furfur ausfindig zu machen. Ich mag den Mann nicht, aber wenn er ein so guter Jäger ist, wie alle es sagen, wird er die Korruption ausfindig machen und mit der Wurzel ausreißen können."

Hilf mir, Titus einen Dolch in den Rücken zu rammen, hätte ein gesunder Mensch gedacht.

[Angelique]

Anglique nickte. "Das will ich gerne tun. Auch dem Benedetto will ich berichten, was Eure Sorge ist."

Sie lachte kurz auf. "Den Furfur wollte dereinst schon Maximinianus über mich erreichen. Wie unergründlich die Wege des HErrn sind, dass Ihr ihn jetzt auch sprechen wollt. Aber ich will mein Bestes tun."